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Geliefert! Wie das Osterpaket die Wende bringen soll

09.05.2022 – Mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket will die neue Bundesregierung jetzt die Weichen für einen massiv beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien stellen. Einfach wird es nicht.

Wir haben wieder einmal sehr lange gewartet: Der Klimawandel und seine Folgen sind allerorts spürbar, die Rechnung für die Energieabhängigkeit von totalitären Staaten liegt auf dem Tisch. In dieser Situation legt die neue Bundesregierung mit dem sogenannten „Osterpaket“ die bislang wohl größte energierechtliche Novelle für den Ausstieg aus der fossilen Energieerzeugung vor.
Rund 600 Seiten umfassen die vom BMWK erarbeiteten Gesetzesänderungen, welche nicht nur die Ziele, sondern auch viele Rahmenbedingungen für die Umsetzung der Energiewende neu definieren. Von aktuell rund 42 Prozent soll der Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung auf 80 Prozent bis 2030 steigen, bis 2035 sollen es fast 100 Prozent sein. Besonderes Gewicht gewinnt diese Zielstellung, da durch die Elektrifizierung in den Sektoren Verkehr und Wärme Strom zur zentralen Energiequelle wird: Nach Prognosen aus dem vergangenen Jahr wird der Verbrauch 2030 bei 658 TWh liegen.

Neue Bewertung der Bedeutung Erneuerbarer Energien

Die Nutzung Erneuerbarer Energien liegt ab sofort im „überragenden öffentlichen Interesse“, sie dienen der öffentlichen Sicherheit. Diese Definition gibt entsprechenden Projekten eine hohe Priorität in Verwaltungsverfahren, so dass sich zum Beispiel die Genehmigungsverfahren, die aktuell oft mehrere Jahre dauern, deutlich beschleunigen könnten.

Solaranlage Windrad Stromnetz

Foto: Eviart/shutterstock.com

Schnellerer Ausbau der Erneuerbaren Energien

Für die Solarenergie ist eine Steigerung der Ausbauraten auf 22 GW pro Jahr geplant, so dass im Jahr 2030 insgesamt rund 215 GW installiert sein sollen – jeweils zur Hälfte als Dach- und Freiflächenanlagen. Bei Freiflächenanlagen wird die Flächenkulisse zum Beispiel um Agri- und Floating-PV-Anlagen erweitert. Bei Dachanlagen außerhalb der Ausschreibungen wird die Vergütung und – bei Volleinspeisung – auch die Förderung angehoben.

Für die Windenergie an Land sollen die Ausbauraten auf 10 GW pro Jahr steigen mit dem Ziel von 115 GW installierter Leistung im Jahr 2030. Ein anspruchsvoller Ansatz – die höchste jemals erreichte Zubauleistung wurde im Jahr 2017 mit fünf GW erreicht, 2021 lag der Zubau unter zwei GW.

Welche Gesetze werden angepasst?
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)
Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG)
Energiewirtschaftsgesetz (EnWG)
Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG)
Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz (NABEG)
weitere Gesetze und Verordnungen im Energierecht

Erst im Sommer nach Abstimmung mit den Ländern will das BMWK wesentliche Hemmnisse für den Ausbau der Onshore-Windenergie in Angriff nehmen. Die Rede ist hier etwa von unterschiedlichen Naturschutz- und Abstandsregeln, die es bislang verhindern, dass zwei Prozent der Fläche Deutschlands für den Windkraft-Ausbau ausgewiesen werden können.

Auch auf dem Meer, wo im vergangenen Jahr keine einzige Anlage zugebaut wurde, soll es schneller vorangehen: Neben einer deutlichen Erhöhung der Ausschreibungsmengen und Ausbauziele – mindestens 30 GW allein bis 2030 – will Robert Habeck auch die Verfahren beschleunigen: So sollen Maßnahmen für die Netzanbindung früher vergeben, Planungs- und Genehmigungsverfahren gestrafft, Umweltprüfungen und Beteiligungsrechte gebündelt werden.

Ausbau der Übertragungsnetze

Durch Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG), des Bundesbedarfsplangesetzes (BBPlG) und des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes Übertragungsnetz (NABEG) plant die Bundesregierung auch den Ausbau der Übertragungsnetze deutlich zu beschleunigen. So wurden 19 neue Netzausbauvorhaben in den Bundesbedarfsplan aufgenommen und 17 Netzausbauvorhaben geändert.

Das Ziel der Treibhausgasneutralität im Jahr 2045 wird unmittelbar in das EnWG aufgenommen und in den Verfahren der Netzplanung stärker verankert. Ziel der Netzentwicklungsplanungen wird ein Klimaneutralitätsnetz. Auch Planungen auf Verteilernetzebene sollen künftig an dem Ziel eines vorausschauenden und effizienten Netzausbaus in Richtung Treibhausgasneutralität ausgerichtet sein.

Grafik Solarenergie Windenergie EnergyBrainpool

Zubau von Wind- und Solarenergie in Deutschland. Grafik: Energy Brainpool 2022

Höhere Anreize

Durch den Wegfall der EEG-Umlage will die Bundesregierung den Endverbraucher bei den Kosten der Energiewende entlasten. Ab dem Jahr 2023 soll sie vollständig aus dem Energie- und Klimafonds finanziert werden. Weitere Umlagen im Stromsektor sollen vereinheitlicht und in ein neues Energie-Umlagen-Gesetz (EnUG) überführt werden. Die KWKG-Umlage und die Offshore-Netzumlage werden weiterhin nur für die Entnahme von Strom aus dem öffentlichen Netz erhoben. Infolgedessen fallen künftig keine Umlagen mehr auf Eigenverbräuche und Direktbelieferungen hinter dem Netzverknüpfungspunkt an. So will man Bürokratie abbauen und Eigenversorgung attraktiver machen.

Windprojekte bis 18 MW und Solarprojekte bis 6 MW von Bürgerenergiegesellschaften werden von den Ausschreibungen ausgenommen. Auch die Möglichkeit einer finanziellen Beteiligung der Kommunen an Windkraft- und Freiflächenanlagen soll dazu beitragen, die Akzeptanz für den Ausbau der Erneuerbaren auch auf kommunaler Ebene zu erhöhen.

Neues Denken bei der Energiewende?

Die neuen Regelungen werden branchenübergreifend sehr gelobt. Doch auch die typischen Reflexe blieben nicht aus: Hier und dort müsse unbedingt noch mehr getan werden, sagen die einen, untragbare Risiken und Kosten beschwören die anderen und natürlich verweisen auch viele auf die schwierigen Rahmenbedingungen mit gestörten Lieferketten, fehlenden Fachkräften etc.. Sicher sind viele Argumente richtig, oftmals scheinen jedoch auch wirtschaftliche Interessen oder sonstige Egoismen durch.

Einfach wird es sicher nicht, den Wandel in so kurzer Zeit zu schaffen, vermutlich wird es viel Geld kosten und vielleicht werden wir auch Einschränkungen hinnehmen müssen. Die Politik kann nicht alles abfedern. Umso erfreulicher ist es, dass viele Bürgerinnen und Bürger, Kommunen und Unternehmen aktiv werden – ganz ohne Auflagen, Entschädigungen oder Zuschüsse. Der Energiewirtschaft kommt hier eine besondere Rolle zu. Unterstützt durch einen sehr dynamischen, innovativen Markt hat sie sich in den letzten Jahren zu einem wichtigen Inkubator für die Umsetzung der Energiewende entwickelt. Sie hat nun die Chance, den Wandel in der Breite voranzubringen und zu orchestrieren. (pq)