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Netzservice: Wirksamer arbeiten

07.11.2022 – Netzbetreiber und ihre Dienstleister stoßen derzeit im Netzservice an ihre Grenzen: Die vorhandenen Ressourcen reichen nicht annähernd aus, um den enormen Zuwachs an geplanten und ungeplanten Aufgaben zu bewältigen. Gibt es Auswege aus dem Dilemma?

Wenn erneuerbare Erzeugungsanlagen nicht einspeisen können, da sich der Einbau der vorgeschriebenen Messtechnik durch die Netzbetreiber um Monate verzögert, ist das ein Alarmsignal. So sieht es auch die Bundesnetzagentur, die auf vermehrte Beschwerden zu diesem Problem nun mit einem Positionspapier reagierte. Dort werden „pragmatische Lösungen“ gefordert und dem Kunden nach Monatsfrist ein Recht auf Ersatzvornahme eingeräumt. Ob das hilft, wird man sehen. Denn der Einbau der Zähler verzögert sich vermutlich nicht deshalb, weil die Netzbetreiber keine Lust auf neue Solaranlagen haben.

Tatsächlich braucht man nur auf die Stellenausschreibungen der Unternehmen zu schauen, um zu sehen, woran es in erster Linie liegt: Die Personalausstattung im Netzbetrieb war von jeher nicht üppig, nun gehen immer mehr Fachkräfte in den Ruhestand, der Krankenstand ist seit zwei Jahren hoch. Neues Personal wird überall händeringend – und oft vergeblich – gesucht. Die Serviceunternehmen haben ähnliche Probleme, neue, gar kurzfristige Aufträge können oft gar nicht angenommen werden. Eine Studie zum Fachkräftemangel von PwC und dem WifOR-Institut zeigt, dass speziell die Nachfrage nach den für die Energiewirtschaft relevanten Monteur:innen und Meister:innen in den kommenden Jahren nicht gedeckt werden kann.

Technical Support Hand

Foto: Alexander Supertramp / shutterstock.com

Digitalisierung und Servicemodelle im Netzbetrieb

Die Digitalisierung der Netze sowie der Netz- und Serviceprozesse hilft, erheblich effektiver zu arbeiten. Das werden alle Unternehmen bestätigen, die damit gestartet sind. Wo wir hier stehen, zeigt der Bericht der BNetzA zum Zustand und Ausbau der Verteilnetze 2021 recht gut. Bei Standardprozessen wie etwa Anschlussgenehmigungen oder Leitungsauskunft sieht man demnach eine gute Entwicklung: Die Mehrheit der VNB verfügt über digitale Schnittstellen für Energieverbraucher (84 Prozent), Einspeiser (72 Prozent) oder Bauunternehmen (83 Prozent) – das hilft im Tagesgeschäft, ist aber auch relativ einfach. Ob und in welchem Umfang digitale Lösungen zur intelligenten Planung und Unterstützung von Serviceeinsätzen etabliert sind, lässt sich kaum ermitteln. Bei den Dienstleistern sind sie definitiv im Einsatz und das vermutlich aus gutem Grund.

Hinsichtlich der Datenerfassung, die Voraussetzung ist für effektive Wartungs- und Planungsprozesse, geht es unterhalb der Hoch- und Mittelspannung nur langsam voran: Auf der Umspannebene MS/NS erfassen 23 von 58 VNB keine Zustandsdaten kritischer Netzbereiche. In der Niederspannung sind es sogar 48. Für vorausschauende Wartung würde man sogar noch mehr benötigen: Sensordaten zu Temperatur und Feuchtigkeit, technische und historische Daten aus den Betriebsmitteln sowie natürlich auch Tools, die diese Informationen zusammenführen und bewerten. Hier sind die Betreiber der Erneuerbaren teilweise deutlich weiter. Sämtliche Komponenten für solche Prozesse sind am Markt verfügbar und oft auch im Rahmen von Service Agreements ohne Einsatz eigener Ressourcen nutzbar. Sie rentieren sich über die eingesparten Prozesskosten meist sehr schnell. Dennoch wäre ein regulatorischer Rahmen, der entsprechende Innovationen aktiv fördert, ebenfalls hilfreich. Verglichen mit dem Netzausbau leisten diese nämlich einen wirklich schnellen und wirtschaftlichen Beitrag zur Versorgungssicherheit.

Grafik Netzzustandsdaten Bundesnetzagentur

Zentral erfasste Netzzustandsdaten kritischer Netzbereiche. Grafik: Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen

Partnerschaften und Koordination

Eine weitere Möglichkeit, die Arbeitsbelastung zu reduzieren, besteht in der Zusammenarbeit – einige Netzbetreiber kooperieren bereits mit regionalen Fachunternehmen und schaffen so Mehrwerte für beide Seiten. Große Dienstleister setzen auf die Übernahme von Spezialbau-, Elektrotechnik- oder Montagefirmen und erweitern so ihre Handlungsspielräume.

Gerade im kommunalen Verbund lassen sich erhebliche Effizienzpotenziale durch koordinierte Planung heben: Ein positives Beispiel sind gemeinschaftlich genutzte LoRaWAN-Netze in vielen Kommunen. Ein negatives ist die Straße, die viermal im Abstand von zwölf Monaten aufgebaggert wird, um – nacheinander – Fernwärmeanschlüsse zu legen, die Fahrbahn zu reparieren, Breitbandkabel (des örtlichen Versorgers) einzubauen und drei neue Ladesäulen einschließlich Netzverstärkung zu installieren. Das ginge günstiger und mit weniger Personal.

Expertise bei Netzbetreibern gesucht

Doch klar ist auch: So viel Manpower sich durch gute Planung, Messgeräte in den Betriebsmitteln oder Künstliche Intelligenz auch einsparen lässt – irgendjemand muss Geräte ins Feld bringen, Datenanalysen prüfen und bewerten und vor Ort das defekte Kabel reparieren.

Die Dienstleister rüsten sich für diese Herausforderung, doch auch die Netzbetreiber selbst können noch einiges tun, um qualifizierte Mitarbeiter:innen zu gewinnen: Schaut man auf die am Markt verfügbaren Fachkräfte, haben die Netzbetreiber – lokal verankerte Unternehmen, die vor Ort die Energiewende ermöglichen – eigentlich sehr gute Voraussetzungen, diese zu gewinnen. Vermutlich müssen nur ein paar kulturelle Fragen, Arbeitszeitmodelle und -strukturen auf den Prüfstand. Hier kann man sich beraten lassen. Um langfristig für ausreichend qualitativ ausgebildetes Personal zu sorgen, empfiehlt sich beispielsweise Präsenz an und Zusammenarbeit mit Schulen, eigene Berufsförderungsmaßnahmen, Talentscouting, duale Studienangebote und Hochschulkooperationen. Und auch ein Blick in die vorhandenen Teams lohnt oft, um Potenziale zu erkennen und zu heben: Vielleicht ist ja der Azubi, der ständig am Smartphone hängt, perfekt geeignet, um die richtige App für die Außendienststeuerung auszuwählen oder eine TikTok-Kampagne für jugendliche Bewerber:innen mit zu planen. (pq)