15.05.2025 – Die Utility 4.0-Studie beleuchtet seit 2017 die digitale Transformation der Energiebranche. In der aktuellen Edition haben die prego services GmbH und die Energieforen Leipzig die Themen noch einmal erweitert.
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Mehr Tempo bei der Digitalisierung ist in Deutschland dringend erforderlich und die künftige Bundesregierung hat die Beschleunigung der digitalen Transformation nicht umsonst zur Chefsache erklärt. In der Energiewirtschaft hat sich in den letzten Jahren einiges getan, doch ob das Glas halb voll oder halb leer ist, ist auch hier eine Frage des Standpunkts.
Verbesserungsbedarf bei Prozessen
Das zeigt sich bereits bei der Frage nach der digitalen Aufstellung der Unternehmen – etwa mit Blick auf die Akzeptanz im Unternehmen, die IT- und Unternehmensstruktur, das Prozessmanagement oder die Kundenwahrnehmung. Zwar sieht sich immer noch eine Mehrheit der Befragten bei diesen Themen gut bis sehr gut aufgestellt, im Vergleich zum Vorjahr fällt das Gesamturteil jedoch fast überall schlechter aus. „Speziell die Ausrichtung der Prozessmanagementstruktur wurde um 13 Prozent negativer als in der letzten Studie, das heißt von 56 Prozent der Befragten mit ‚eher weniger gut‘ bewertet“, ergänzt Simone Kiefer, Projektleiterin der Studie
bei prego services. Dazu passt, dass 65 Prozent der Teilnehmenden das fehlende Prozessmanagement als große Herausforderung bei der Digitalisierung nennen – und dabei erhebliche Hoffnungen auf energiewirtschaftliche Plattformlösungen setzen: Deren wichtigste Mehrwerte werden in der Prozessautomatisierung (69 Prozent) und -optimierung
(61 Prozent) gesehen.
Kluft zwischen klein und groß
Ihre IT-Struktur schätzen KMU positiver ein als im vergangenen Jahr, während Befragte aus Großunternehmen sie schlechter bewerten als 2023. 60 Prozent aus dieser Gruppe identifizieren die unflexible IT-Infrastruktur als besondere Herausforderung. Das könnte daran liegen, dass große EVU in vielen Bereichen bereits höher skalieren und andere Themen im Blick haben als die Kolleg:innen aus kleineren Stadtwerken. Auch insgesamt sehen sich KMU im Vergleich zur Branche eher schlechter aufgestellt, während sich größere Unternehmen eher für besser positioniert halten. Auch diese Einschätzung, so Simone Kiefer, zeige die seit langem bestehende Kluft zwischen den digitalen Vorreitern und den Nachzüglern der Branche.
Resilient trotz Defiziten?
Die gute Nachricht: Es geht voran, wenn auch nicht überall mit gleichem Tempo: Während der Digitalisierungsgrad in der IT, der Unternehmensleitung und des kaufmännischen Bereiches von einer Mehrheit der Befragten als sehr oder eher fortschrittlich eingestuft wird, kippt der Optimismus für die technisch-gewerblichen Unternehmensbereiche. 57 Prozent bewerten die digitale Aufstellung in diesem Feld als eher nicht oder gar nicht fortgeschritten. Dennoch bewerten die EVU ihre Kernprozesse mehrheitlich als resilient – also geeignet, sich erfolgreich an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen. Das wird nicht nur bei der Abrechnung (52 Prozent), dem Forderungsmanagement (59 Prozent), dem Kundenservice (71 Prozent) und den Wechselprozessen (53 Prozent) so gesehen, sondern tatsächlich auch im Netzbetrieb (71 Prozent) und in der Messwertbeschaffung (52 Prozent), wo immerhin knapp ein Drittel der Befragten Zweifel an der Resilienz der Prozesse äußert. Dennoch scheint es so, als wären die Defizite beim Smart Meter-Rollout oder die Herausforderungen in der Umsetzung von §14a EnWG zum Zeitpunkt der Befragung wohl noch weitgehend ausgeblendet worden.
Kompetente Kräfte fehlen
Hoher Konsens unter den EVU herrscht bezüglich der Faktoren, welche die Digitalisierung erschweren: Acht von zehn Befragten geben in diesem Zusammenhang fehlende Fachkräfte an, rund zwei Drittel beklagen, fehlendes Know-how. Simone Kiefer: „Während im Vorjahr der Fachkräftemangel erstaunlich gelassen gesehen wurde, ist das Thema nunmehr mit aller Dringlichkeit angekommen: Fast 60 Prozent der Befragten erkennen, dass ein signifikanter Anteil der Mitarbeiter in den nächsten fünf Jahren in Pension gehen wird – mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr.“ Über die Hälfte der Befragten klagen über zu viele unbesetzte Stellen im eigenen Unternehmen. Auch stimmen nunmehr 70 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass die Besetzung offener Stellen nicht lückenlos erfolgt. 2023 waren es nur 51 Prozent. Hier liegt wohl ein wesentliches Hindernis für die schnelle digitale Transformation.
Das Outsourcing von (Teil-)Prozessen könnte ein Ausweg sein, doch drei von vier Befragten geben an, dass Ihr Unternehmen diesen Weg nicht gehen will. Aus Sicht der Interviewten sprechen gleich mehrere Gründe gegen eine Outsourcing-Lösung. Sie reichen von „kein Vertrauen in Dienstleistende“ über „kein Bedarf im eigenen Unternehmensbereich“ bis hin zu „hohe Sicherheitsanforderungen und Kosten“. „Diese pauschalen Urteile können so interpretiert werden, dass die Weigerung outzusourcen vor allem auf ein gefühltes Unbehagen zurückzuführen ist und nicht kaufmännisch nüchtern den Kosten des Fachkräftemangels gegenübergestellt werden“, gibt
Simone Kiefer zu bedenken.
Wirklich sicher?
Eher gefühlt als überprüft könnte auch die überaus positive Bewertung sein, welche die Teilnehmenden im kritischen Feld der Cybersecurity ausstellen: 80 Prozent halten ihr Unternehmen für gut geschützt – allerdings sind auch nur 15 Prozent IT-Spezialist:innen mit einem professionellen Einblick in die Gefährdungslage. Immerhin geben 77 Prozent der Befragten an, dass in ihrem Unternehmen regelmäßige Übungen zur IT-Sicherheit durchgeführt werden, 69 Prozent geben an, dass ihr Unternehmen personell gut aufgestellt ist, um Attacken aus dem digitalen Raum abzuwehren.
Vorsichtige Annäherung an KI
Künstliche Intelligenz hat mittlerweile überall Eingang in alltägliche Aufgaben gefunden, für unternehmenskritische Entscheidungen und Prozesse wird KI branchenübergreifend aber noch kaum genutzt. So handhaben es auch die Versorger: Rund 80 Prozent der Befragten erkennen in ihren Unternehmen keine übergeordnete Strategie für den Einsatz von künstlicher Intelligenz. Spezifische KI-Tools – darunter auch ChatGPT – werden aber durchaus aktiv genutzt und in den Unternehmensalltag integriert, etwa für das Verfassen von Texten oder die Erstellung von Grafiken. Knapp ein Viertel der Befragten berichtet über KI-basierte Prozessautomatisierungen im eigenen Unternehmen, rund 15 Prozent wissen, dass künstliche Intelligenz im Bereich von Business Intelligence und Datamining genutzt wird. Interessant in diesem Zusammenhang ist der große Anteil von bis zu 34 Prozent der Teilnehmenden, die über die genannten Einsatzbereiche von KI keine Angaben machen können. „Das Potenzial von KI wird generell als hoch, aber derzeit noch nicht als verlässlich einsetzbar eingeschätzt“, erklärt Projektleiterin Simone Kiefer. Für rund 80 Prozent sei KI vom praktischen Einsatz noch weit entfernt. (cp/pq)