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Von der Pflicht zur Kür

Die kommunale Wärmeplanung bietet Stadtwerken und Regionalversorgern interessante Ansätze für die Entwicklung ihres Geschäfts. Die LBD-Beratungsgesellschaft hat digitale Tools entwickelt, um diese Potenziale zu heben.

Foto: Marco Verch / Flickr

Die Zeit läuft: In etwas mehr als 20 Jahren muss die Wärmeversorgung in Deutschland klimaneutral sein. Bereits 2030 soll dies für die Hälfte der leitungsgebundenen Wärmeerzeugung gelten. Die notwendige Infrastruktur kann nur auf kommunaler Ebene bereitgestellt werden – zwingende Voraussetzung dafür ist eine flächendeckende, systematische Wärmeplanung in einem definierten Zeitkorridor. So sieht es nicht nur das Bundesbauministerium in seinem Referentenentwurf für das Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze vom Juni 2023. In einigen Bundesländern existieren bereits verpflichtende Vorgaben für die kommunale Wärmeplanung, weitere erarbeiten diese aktuell und ambitionierte Kommunen haben bereits auf freiwilliger Basis mit der Umsetzung begonnen.

Ganzheitliche Sicht

Ganz ungeachtet der bestehenden und noch bevorstehenden rechtlichen Rahmenbedingungen – das Thema bewegt aktuell auch die Versorgungsbranche und damit auch die Klienten der LBD- Beratungsgesellschaft aus Berlin, wie Sascha Schlosser, einer von fünf Geschäftsführern bei der LBD, berichtet: „Stadtwerke und Energieversorger betrachten das Thema natürlich aus einer ganz anderen Perspektive als die Kommunen, da sie ja auch auf ganz andere Weise betroffen sind.“

Für die Kommunen sind die EVU teils lediglich Datenlieferanten, de facto sei jedoch klar, dass es um das Kerngeschäft geht. Dabei stünden – je nach Marktrolle – ganz unterschiedliche Überlegungen im Fokus: „Seitens der Netzbetreiber dominiert vielfach die technische Perspektive, also die vorhandene und potenziell zu entwickelnde Infrastruktur für Fernwärme, Wasserstoff, Kraft-/Wärme-Kopplung von der Erzeugung bis hin zur Verteilung an die Kund:innen, einschließlich eventueller Investitionen in neue Kraftwerke oder Wärmenetze“, erläutert Schlosser. „Dabei müssen natürlich nicht nur vorhandene, sondern auch zukünftige Erzeugungspotenziale wie Solarthermie oder industrielle Abwärme mit einbezogen werden – das ist komplex“.

Die Lösung INFRA liefert einen Überblick über den Bestand und ermöglicht es, Szenarien unter technischen und vertrieblichen Aspekten zu analysieren. (Foto: LBD-Beratungsgesellschaft mbH)

Aus Sicht des Vertriebs gehe es um wirtschaftliche Erwägungen: Welche Ertragspotenziale bietet beispielsweise ein Ausbau des Fernwärmenetzes oder eine Erweiterung der Angebote für Wärmecontracting? Speziell auch Optionen in kommunalen Liegenschaften, der Wohnungswirtschaft, bei gewerblichen Kunden oder im Rahmen der allgemeinen Stadtentwicklung – Stichwort „Smarte Quartiere“ – seien hier interessant. „Was die Versorger brauchen, um die Chancen der Wärmewende zu nutzen, ist eine ganzheitliche Sicht auf die Umsetzung“, so Schlosser.

Digitales Tool

Um hier zu unterstützen, hat LBD die Software-Lösung Infra Wärme entwickelt – ein Tool, das die Aufgaben rund um die Wärme- und allgemeine Infrastrukturplanung in einer Software bündelt. „Die Lösung deckt sämtliche Anforderungen der kommunalen Wärmeplanung – von der Bestandsanalyse, über Potenzialanalyse bis hin zu möglichen Zielszenarien – ab“, erklärt Sascha Schlosser. Die Grundlage sind digitale Gebäudedaten (LoD2) sowie Netzdaten aus dem GIS der Versorger sowie aktuelle Wärmeverbrauchsdaten. Das Tool erstellt einen Digitalen Zwilling der betreffenden Kommune, mit dem sich sofort zentrale Ausgangsfragen beantworten lassen: Wie steht es um die aktuellen Emissionen? Wo entstehen sie? Wie ist die aktuelle Versorgungs- und Gebäudestruktur? Wo liegen Potenziale für eine erneuerbare Versorgung, zum Beispiel durch Windkraft oder Solaranlagen, Geothermie oder Kraft-Wärme-Kopplung?

Mehrwerte für Kommune und EVU

„Unser Algorithmus ermittelt dann auf Basis der hochgerechneten Wärmeverbräuche und weiterer Daten automatisch mögliche Dekarbonisierungs-Szenarien für die Wärmeversorgung – einschließlich CO2-Äquivalenten und Investitionskosten“, fasst Schlosser zusammen. Auch die Planung neuer Wärmenetze oder die Anbindung neuer Wärmequellen könne mitberücksichtigt werden. Viele der notwendigen Daten seien bei den Versorgern bereits vorhanden oder könnten aus anderen Quellen ergänzt werden.

Auf dieser Grundlage könnten die Versorger der jeweiligen Kommune Diskussions- und Entscheidungsgrundlagen liefern, die weit über die geforderten Daten hinausgehen und einen wirklichen Mehrwert bieten. „In der kommunalen Verwaltung gibt es oftmals keine Ressourcen für solche Aufgaben“, weiß Sascha Schlosser.

Die Unternehmen selbst erhielten gleichzeitig operationalisierbare Grundlagen für die nächsten Schritte: „Anhand der Ergebnisse kann man beispielsweise ein Fernwärmenetz planen und potenzielle neue Kund:innen identifizieren“, so Schlosser. „Damit erleichtern sie nicht nur die Aufgaben im Wärmenetz und -vertrieb, die perspektivisch sowieso auf sie zukommen. Sie schaffen damit gleichzeitig den Entwicklungssprung zum Wärmewendedienstleister, der die Kommune, die Wohnungswirtschaft und die Kund:innen umfassend und qualifiziert unterstützen kann.“ Das lohne sich – zumal die LBD-Lösung natürlich auch andere Versorgungsinfrastrukturen, wie Strom oder Breitbandnetze, digital abbilden könne. (pq)

Drei Fragen an…

Foto: LBD-Beratungsgesellschaft mbH

Sascha Schlosser, Geschäftsführer der LBD-Beratungsgesellschaft

Herr Schlosser, aus Sicht der Kommunen ist die kommunale Wärmeplanung eine weitere, zudem sehr aufwändige Pflicht. Wo sehen Sie die lokalen Versorger bei diesem Thema?

Nun, wenn man sich das Mega-Projekt zur Dekarbonisierung der Energie- und Wärmeversorgung in Deutschland einmal als „Bauvorhaben“ vorstellt, dann wären die Kommunen so etwas wie die „Bauherren der regionalen Energie- und Wärmewende“ und damit auch für die Erstellung eines entsprechenden „Bauplans“ verantwortlich. Die Energieversorger sind bei der KWP, neben ihrer gesetzlichen Auskunfts- und Mitwirkungspflicht, sozusagen in der Rolle des „Bauunternehmers“ und damit sowohl für die Kommunen als auch für den Markt wichtige Partner und Experten bei der konkreten Gestaltung und Umsetzung der Wärmeplanung in ihrem Versorgungsgebiet.

Dabei handelt es sich aber doch um eine ziemlich große „Baustelle“…

Das ist richtig, aber der daraus resultierende Transformationsprozess bietet Versorgern auch große Chancen, bestehende Geschäftsfelder in der Fernwärme auszubauen, oder eben auch gänzlich neue Geschäftsfelder zu besetzen, in dem sie am Markt ein eigenes Produkt- und Dienstleistungsportfolio anbieten, wie etwa Einbau und Wartung von Wärmepumpen, Speicherlösungen, grüne Nahwärme-Erzeugung, Quartiersentwicklung, Abwärme- Beratung und vieles mehr. Flächenversorger können dabei sogar Skalen-Effekte über mehrere Kommunen erzielen.

Sind die Stadtwerke für solche Aufgaben gerüstet?

Sie bringen beste Grundvoraussetzungen für die Rolle des Wärmewendedienstleisters mit: fachliche Kompetenz und Erfahrung, direkte Kundenzugänge sowie einen guten Bestand an Kunden- und Infrastrukturdaten. Wesentlich für den Erfolg ist aber die Bereitschaft, sich strategisch für die Wärmewende zu positionieren und hier konsequent eine eigene Produkt- und Dienstleistungssparte aufzubauen. Zweitens braucht es die Fähigkeit, sektorübergreifend Infrastruktur-, Umwelt- , Kunden-, Verbrauchs- und Vertriebsdaten zu verknüpfen und zu interpretieren. Denn nur so lassen sich vertrieblich attraktive Kunden- oder Projektpotentiale in der Fläche bereits frühzeitig identifizieren. Sprich: Die Digitalisierung ist der Transformationskatalysator für die dezentrale Energie- und Wärmewende in der Fläche. (pq)

www.lbd.de