16.08.2022 – Preisanreize für den Kunden, harmonisiert mit den Anforderungen des Netzbetreibers – in einem gemeinsamen Projekt von GISA, AUDI, MITNETZ STROM und weiteren Partnern wird eine intelligente Ladelösung entwickelt, die das leisten soll. Die Datenkommunikation erfolgt über das Smart Meter Gateway.
Martina Mustermann kommt gegen 17.30 Uhr von der Arbeit nach Hause und schließt ihr E-Auto in der Garage an die Wallbox an. Über Nacht wird es geladen und ist pünktlich um 8:00 Uhr am nächsten Morgen bereit für die Fahrt ins Büro. Der Verteilnetzbetreiber überwacht die Ladevorgänge und kann bei drohenden Netzengpässen ohne Komfortverlust für Frau Mustermann eingreifen. Dieses einfache, fiktive Szenario flächendeckend umzusetzen, ist ohne Frage die erste Voraussetzung, um eine breite Akzeptanz für die Elektromobilität zu schaffen, ohne die Verteilnetze zu überlasten.
Eine entsprechende Lösung hatte IT-Dienstleister GISA in einem Modellversuch mit der AUDI AG und der MITNETZ STROM als Verteilnetzbetreiber bereits im vergangenen Jahr erarbeitet. „Den Kooperationspartnern ist es damals gelungen, das netzdienliche Laden von Elektroautos durch eine stufenlose Leistungsreduktion während des Ladevorgangs über das Smart Meter Gateway (SMGW) umzusetzen und damit ein Werkzeug für den Netzbetreiber zur Vermeidung eines örtlichen Blackouts bereitzustellen“, berichtet Uwe Klemm, Bereichsleiter New Energy Solutions bei GISA. Die Datenkommunikation zwischen Hausnetz, Elektroauto und Stromnetz erfolgt dabei mittels eines gemeinsamen Kommunikationsprotokolls (EEBUS).
Der einzige Wermutstropfen bei diesem Szenario: Im Fall eines Problems in der Niederspannung muss der VNB in den Ladevorgang eingreifen – und das ist nicht immer mit den Ladebedürfnissen des Fahrers vereinbar. Im Nachfolgeprojekt „Smart Charging“ haben die Kooperationspartner diesen Aspekt weitergedacht. Im Fokus stand die Frage, wie sich der Ladevorgang des Elektrofahrzeugs für alle Beteiligten vorausschauender planen und automatisiert umsetzen ließe.
Kundenanreiz trifft operative Netzplanung
Ein zentraler Ansatzpunkt sind dabei wirtschaftliche Anreize für den Kunden, denn günstigere Ladestrompreise könnten motivieren, zu bestimmten Zeiten zu laden. „Denkbar sind hier beispielsweise Konzepte in Abhängigkeit von den Beschaffungspreisen am Großhandelsmarkt, der Einspeisung erneuerbarer Energien oder der Netzdienlichkeit“, erklärt Klemm. Entsprechende Konzepte existieren bereits und viele Modellversuche haben gezeigt, dass wirtschaftliche Anreize durchaus tauglich sind, um Ladevorgänge in Zeiten hoher regenerativer Einspeisung respektive geringer Last zu verschieben. Im Rahmen des Smart Charging-Projekts wurde ein Prozess entwickelt, mit dem Lieferanten oder auch andere Marktrollen (Netzbetreiber, Aggregatoren) die jeweiligen Angebote in Form sogenannter Anreiztabellen via Smart Meter Gateway an das Fahrzeug übergeben können. Diese ordnen – vereinfacht gesagt – definierten Ladezeiträumen die jeweils anfallenden Kosten zu und bilden damit gleichzeitig eine wichtige Grundlage sowohl für die netztechnischen Bewertungen als auch für die spätere Abrechnung.
Ladeplanung berücksichtigt externe Anreize sowie internen Rahmenbedingungen des Fahrzeugs
In der IT moderner Elektrofahrzeuge sind Tools für die optimierte Ladeplanung anhand der konkreten Mobilitätsbedürfnisse des Kunden hinterlegt. „Die Ladeplanung berücksichtigt externe Anreize ebenso wie die internen Rahmenbedingungen des Fahrzeugs. Über den anreizbasierten Ladevorgang ermöglichen wir kostenoptimiertes Laden und stellen sicher, dass der gewünschte Ladezustand zu einer festgelegten Zeit erreicht ist“, erläutert Hanswerner Görlitz, Entwicklungsingenieur Smart Charging bei Projektpartner Audi.
Mit dem Hochlauf der Elektromobilität könnten aber auch diese Mechanismen an ihre Grenzen stoßen – dann etwa, wenn zu viele Elektroautos aufgrund des gleichen Anreizes geladen werden. In diesem Fall kann es wiederum zu örtlichen Engpässen in der Niederspannung kommen. „Der Netzbetreiber muss somit eine Möglichkeit zur Überprüfung der geplanten Ladevorgänge haben“, konstatiert Uwe Klemm.
Dies wollen die Projektpartner durch die Übermittlung der individuellen Ladepläne an den zuständigen Netzbetreiber sicherstellen. Dieser hat dann die Möglichkeit, die Pläne zu prüfen und in seiner operativen Netzauslastung zu berücksichtigen. Das kann etwa mit Hilfe der von Projektpartner MITNETZ STROM entwickelten Netz-Check-In-Logik umgesetzt werden, wie Steve Bahn, Projektleiter für NetzFlex, berichtet: „Passt der Ladeplan in die Netzauslastung, ist alles gut.“ Bis zu diesem Schritt reicht das aktuelle Projekt.
Als nächstes will man sich im Rahmen von „Smart Charging“ mit der Umsetzung möglicherweise notwendiger Anpassungen der Ladepläne beschäftigen. Steve Bahn: „Solch ein präventives Management berücksichtigt als Steuerungslogik das Interesse eines Kunden deutlich besser und gibt uns als VNB zugleich alle notwendigen Handlungsoptionen an die Hand. Eine Win-Win-Win-Situation für E-Fahrzeugbesitzer, Netzbetreiber und andere energiewirtschaftliche Marktrollen im Prozess.“
E-Fahrzeuge sind gerüstet
Audi berücksichtigte nach eigenen Angaben schon bei seinem ersten reinelektrischen Serienmodell Audi e-tron eine solche Smart Charging-Logik. Die Ingolstädter haben in der IT ihres Fahrzeugs eine zeitliche Ladeplanung hinterlegt und nutzen dafür offene Kommunikationsstandards wie EEBUS und ISO 15118. „Wir waren uns sicher, dass diese Funktion in Zukunft eine große Bedeutung in der Energiewirtschaft erlangen wird“, erklärt Hanswerner Görlitz.
Kommunikation über CLS-Kanal
Alle Prozesse werden über die „Smart Energy Platform“ von GISA gesteuert, die auf der Software des Systementwicklers Robotron Datenbank-Software basiert. Dessen System „IoTHub4Utilities“ kann unter anderem mit Netzleitstellen verknüpft werden und ist in einem GISA-Rechenzentrum verortet. Für die BSI-konforme Kommunikation mit der energiewirtschaftlichen Anlage, in diesem Fall dem Elektrofahrzeug, setzen die Projektteilnehmer auf die Nutzung des CLS-Kanals des Smart Meter Gateways von EMH metering. „Allein die Datenkommunikation zu beherrschen, ist komplex. Schließlich gilt es Kommunikationsverbindungen herzustellen, Daten zu konvertieren, zu packen und wieder zu entpacken“, berichtet Uwe Klemm.
Gleichzeitig sieht er sie aber auch als Garant für die Zukunftsfähigkeit des Projektes, denn netzdienliche Anwendungen werden aus Sicht des gesetzlichen Regulators über das SMGW laufen. Die jüngst verkündeten Pläne des Gesetzgebers zur Neugestaltung des § 14a EnWG scheinen dem GISA-Bereichsleiter Recht zu geben.
Weitere Pläne für die intelligente Lade-Systematik
Wie geht es nun weiter im Projekt? Die beteiligten Partner wollen weitere Anreize in das System einspeisen und die intelligente Lade-Systematik mit weiteren Partnern testen. Mittelfristig richten sich die Gedanken hin zur Integration von Vehicle-to-home sowie bis zum bidirektionalen Laden. (pq)