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Stromgemeinschaft: Stadtwerk Haßfurt erprobt Ansatz

29.03.2023 – Welcher Anreiz kann Kunden gegeben werden, in Erneuerbare Energien (EE) zu investieren und gleichzeitig die Stromverteilung effizienter gestalten? Energiegemeinschaften, auch Energy Communities (EC) genannt, sind eine Möglichkeit, den EE-Ausbau und die effizientere Energienutzung zu vereinen. Besitzer:innen von EE-Anlagen werden mit den Teilnehmern der EC als „Nachbarn“ virtuell vernetzt, auch wenn kein regionaler Zusammenhang zwischen den Teilnehmern besteht. Hierdurch können Haushalte ohne PV-Anlage ebenfalls erneuerbar produzierten PV-Strom mitverbrauchen.

Das Forschungsprojekt „eCREW“ (establishing Community Renewable Energy Webs) verfolgt den Ansatz der Energy Community. Das Projekt wurde vom Energieinstitut Linz ins Leben gerufen und wird vom Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der EU gefördert. Neben dem Initiator sind zehn Partner-Unternehmen bestehend aus Energieversorgern, IT-Unternehmen und Universitäten an dem Projekt beteiligt. Der Ansatz von Energy Communities bietet Energieversorgern ein neues Angebot und richtet sich an alle Endkunden – mit oder ohne Erzeugungsanlage.

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Mit dem Ansatz der Energy Communities sollen Bewohner:innen am regional erzeugten PV-Strom teilhaben können. Foto: GreenPocket GmbH

Umsetzung beim Stadtwerk Haßfurt

Das Stadtwerk Haßfurt ist einer der Energieversorger, die das eCREW-Projekt bei ihren Endkund:innen etabliert haben. Da im Versorgungsnetz bereits viele Kund:innen eine PV-Anlage in Betrieb haben, stellen die Energy Communities ein großes Wachstumsfeld dar. Für den regionalen Versorger ist das eCREW-Projekt ein neuer Ansatz: Ein Angebot für sämtliche Prosumer und Consumer, mit dem alle gleichermaßen profitieren und die Stromversorgung effizienter verteilt werden soll. Gerade die Inklusion aller Konsumenten war dem Stadtwerk wichtig, denn in der Altstadt von Haßfurt ist die Installation von PV-Anlagen teilweise nicht erlaubt. Durch Energy Communities könnten nun auch die dortigen Bewohner:innen am regional erzeugten PV-Strom teilhaben.

eCREW Dashboard Tablet

Das Stadtwerk Haßfurt ist einer der Energieversorger, die das eCREW-Projekt bei ihren Endkund:innen etabliert haben. Grafik: GreenPocket GmbH

Energy Communities in Österreich bereits rechtlich definiert

Eine große Herausforderung stellt weiterhin die rechtliche Regelung in Deutschland dar: In Österreich sind Energy Communities bereits rechtlich definiert, können am Energiemarkt agieren und werden zudem vom Staat subventioniert und gefördert. Die deutsche Politik ist hier – auch aufgrund des schleppenden Smart Meter Rollouts – eher Bremser als Treiber und macht es insbesondere regionalen Stadtwerken schwerer bei solchen Modellen Fuß zu fassen. Daher war das Horizon 2020 Projekt eine gute Gelegenheit für Haßfurt, auf den entwickelten Ansatz einer EC aufzubauen und mit den Projektergebnissen, welche durch die Nutzung der Feldtestteilnehmer:innen erzielt wurden, den Endkund:innen in Zukunft auch hier einen Mehrwert bereitstellen zu können.

Energy Communities können Erzeugung und Verbrauch verfolgen

Der Feldtest wird in Haßfurt in Form von zehn Energiegemeinschaften mit insgesamt 105 Teilnehmern durchgeführt. Die Teilnehmer:innen bestehen aus Verbrauchshaushalten, Haushalten mit einer PV-Anlage auf Volleinspeisung, Eigenverbrauchshaushalten sowie Eigenverbrauchshaushalten inklusive einem Batteriespeicher. Das Verhältnis hierin liegt ungefähr bei jeweils 50 % an Verbrauchern („Consumer“) und Haushalte mit einer EE-Anlage („Prosumer“). Das Ziel bei der Zuordnung der Teilnehmer:innen in die jeweiligen EC lag darin, die Erzeugungskapazitäten in allen CREW ähnlich zu verteilen. Aufgrund der hohen Anzahl an Prosumern pro CREW entstand durch einen großen Anteil erneuerbarer Stromerzeugung in den Sommermonaten meist ein deutlicher Energieüberschuss. Hieran ist zu erkennen, wie ergiebig Solarstrom sein kann, denn bereits eine kleine Menge (ca. 25%) an Prosumern reicht aus, um den Bedarf einer CREW zu decken.

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Über ein Dashboard können die Teilnehmer:innen unter anderem die Energieflüsse von Erzeugung und Verbrauch der gesamten Gemeinschaft einsehen. Grafik: GreenPocket GmbH

Dashboard schafft Transparenz

Innerhalb des Feldtests nutzen die 105 Haushalte ein Visualisierungs-Dashboard von GreenPocket. Hierin können die Teilnehmer:innen, selektiert nach individuellen Betrachtungszeiträumen, ihren eigenen Verbrauch und ihre eigene Erzeugung ansehen aber auch die Energieflüsse von Erzeugung und Verbrauch der gesamten Gemeinschaft.

Indem nach aktuellem Stand noch keine rechtliche Handhabung zur Anwendung von Energy Communities vorhanden ist, wurde speziell im Projekt ein finanzieller Anreiz-Algorithmus entwickelt. Dieser beinhaltet die Subventionierung von gemeinsam, innerhalb der Crew, ausgetauschter erneuerbar erzeugter Energie. Auch diese Informationen werden zusammen mit einer Analyse zum PV-Investitionspotenzial bereitgestellt. Dadurch ergeben sich auch Potenziale für eine Änderung im Verbrauchsverhalten: „Mithilfe der Daten können die Kunden sehen, wann ein erhöhter Verbrauch aus Sicht von Netzstabilität und finanziellem Anreiz für den einzelnen Teilnehmer sinnvoll erscheint. Zukunftsorientiert können weitere monetäre Anreizmechanismen durch dynamische Tarife implementiert werden, indem in Stunden mit hoher Erzeugung bzw. Überschuss weniger bezahlt werden muss, als wenn die Energie nicht für alle Haushalte ausreichend ist. Hierdurch ist eine Änderung im Verbrauchsverhalten und somit eine Energieeinsparung sehr wahrscheinlich“, erklärt Lukas Albert, Bereichsleiter der Energiewirtschaft und Projektmanager Forschungsprojekt „eCREW“ beim Stadtwerk in Haßfurt.

Da die Tarifstruktur aktuell rechtlich noch nicht umgesetzt ist, wurde auf einen monetäre Anreiz gesetzt, um möglichst viele Kund:innen zu einer Teilnahme zu bewegen und den Bekanntheitsgrad für den Ansatz zu erhöhen. Allen Teilnehmern wurde über einen Anreiz-Algorithmus zur Stromteilung ein jährlicher Bonus in Höhe von rund 30 bis 50 Euro in Aussicht gestellt, je nach Engagement und Beteiligung im Projekt. Zukünftig soll das intrinsische Streben zu mehr erneuerbarem Strom und Energiesparen zur Teilnahme anregen.

In erster Linie ging es dem Stadtwerk Haßfurt innerhalb des eCREW-Projekts darum, zu testen, ob ein solches „Strom-Community-Produkt“ überhaupt von den Endkund:innen angenommen wird. Im nächsten Schritt müsste dem Versorger zufolge evaluiert werden, welche Geschäfts- und Erlösmodelle sowohl für den Energieversorger als auch den Endkund:innen sinnvoll sind.

Mögliche Geschäfts- und Erlösmodelle

Aktuell bleibt die jährliche Energieabrechnung der Teilnehmer:innen aus rechtlichen Gründen von den Projektinhalten unberührt. Daher ist der einzig monetäre Vorteil aktuell der CREW-Bonus für den gemeinschaftlichen Austausch von erneuerbar erzeugter Energie. Um konkret Einsparungen erzielen zu können, müsste sich ein eigener digitaler Markt mit eigenem Marktpreis entwickeln. In diesem Fall könnte ein Energieversorger die GreenPocket-App gegen eine Gebühr anbieten oder einen bestimmten Tarif „Energy Community“ einführen.

In jedem Fall möchte die Stadtwerk Haßfurt GmbH das Angebot von dynamischen Tarifen stärken. Dabei können dann auch die Erzeugung und ein etwaiger Überschuss eine Rolle spielen.

Kundenkontakt stärken

In Zukunft könnte sich das Stadtwerk ebenfalls vorstellen, Projekt-Synergien im Bereich des Cross-Sellings zu nutzen. Aktuell wird bereits in der GreenPocket-App abgebildet, wie sich eine Investition in eine PV-Anlage, gemessen an dem Eigenverbrauch, lohnen würde. Darauf könnte ein Stadtwerk bei dem Vertrieb von EE-Anlagen aufsetzen. Perspektivisch könnten auch Produkte und Services rund um Elektromobilität integriert werden.

„Wir sehen dabei auch das Potenzial zur Stärkung des Kundenkontakts. Dabei ist die Visualisierung ein wichtiges Tool. Obwohl wir als kleines Stadtwerk bereits sehr guten Kontakt zu allen Kunden haben, gibt uns ein solches Projekt zusammen mit der Visualisierungsapp und dem Cross-Selling-Potenzial natürlich nochmal ganz neue Möglichkeiten, maßgeschneiderte Produkte anzubieten und über neue Kanäle in Verbindung zu treten. Daher sind wir sehr daran interessiert, Energy Communities fest am lokalen Energiemarkt in Haßfurt weiterzuführen“, fasst Lukas Albert zusammen. (ds)

www.stwhas.de
www.greenpocket.com/de/home