11.10.2024 – Neben der Erhebung und Übermittlung viertelstundengenauer Netzzustandsdaten hat VOLTARIS jetzt die Zusatzleistung TAF 10 umgesetzt und bietet die minütliche Bereitstellung dieser Daten an. Bei der energis Netzgesellschaft ist die Lösung bereits produktiv.
Das Steuern und Schalten in der Niederspannung erfordert die Digitalisierung der bisher „blind“ betriebenen Niederspannungsnetze. Zentraler Baustein dafür ist das intelligente Messsystem (iMSys) mit dem Smart Meter Gateway, das über den Tarifanwendungsfall (TAF) 10 Netzzustandsdaten erfassen und übertragen kann. Diese helfen nicht nur dabei, kritische Netzzustände zu erkennen. Sie sind auch unverzichtbar, wenn es darum geht, den Netzausbau effizient zu planen und die Bestandsnetze optimal zu nutzen.
Hinsichtlich der Qualität und Auflösung der Daten ist heute bereits vieles möglich, wie Dr. Ing. Stephan Röhrenbeck, Teamleiter Produktentwicklung und Projektmanagement bei VOLTARIS, erläutert: „Wenn entsprechende ‚gridfähige‘ Basiszähler installiert sind, lassen sich am Hausanschluss alle 16 OBIS-Kennziffern für elektrische Energie auslesen und übermitteln – wenn gewünscht auch minütlich.“ Solche minütlich erfassten Daten werden insbesondere für automatisierte Netzüberwachungs- und -führungskonzepte und das dynamische Steuern benötigt, wofür historische Viertelstundenwerte nicht ausreichen. VOLTARIS hat diesen Anwendungsfall inzwischen in seiner aEMT-Systemlandschaft umgesetzt – und bereits erste iMSys mit der erweiterten TAF10-Funktionalität im Einsatz.
Netztransparenz bei energis
Netzzustandsdaten
Netzzustandsdaten (Spannungs- und Stromwerte, Wirkleistung, Frequenz und Phasenwinkel etc.) sind die Basis für das flächendeckende Monitoring des Netzzustandes und das netzorientierte Steuern regelbarer Verbraucher in den Verteilnetzen. Damit die Daten in aus- reichender Qualität und Quantität zur Verfügung gestellt werden können, ist im novellierten Messstellenbetriebsge- setz (MsbG) die Datenkommunikation erweitert worden: IMSys werden künftig nach § 34 Abs. 1 MsbG viertelstunden- scharf bilanziert, um die gestiegenen An- forderungen an Netzbetrieb und Netz- planung zu erfüllen. Die Erhebung von viertelstundengenauen Netzzustands- daten und deren tägliche Übermittlung an den Netzbetreiber über das Smart Meter-Gateway nach Maßgabe der §§ 56 und 64 ist nun als Standardleistung defi- niert, die innerhalb der Preisobergrenze (POG) erbracht werden muss. Bei der minütlichen Bereitstellung von Netz- zustandsdaten handelt es sich – gemäß § 34 Absatz 2 – um eine kostenpflichtige Zusatzleistung über die POG hinaus.
Im Netzgebiet der energis Netzgesellschaft mbH (kurz energis) wurden die Geräte in der Test-PKI (Public-Key-Infrastruktur) in den letzten Monaten ausgiebig geprüft. Mittlerweile sind rund 200 iMSys mit voller TAF10- Funktionalität ausgerüstet worden und produktiv im Einsatz – diese sind bereits angebunden und produktiv in Betrieb.
Bei energis hat man die Verteilnetze seit langem im Blick: „Wir haben hier zahlreiche ländliche Netze mit vielen Freileitungen und einer steigenden Zahl von PV-Anlagen – und inzwischen gibt es auch bei uns natürlich immer mehr Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen“, erläutert Michael Hussinger, stellvertretender Sachgebietsleiter Strom bei der zentralen Leitstelle. Bereits im Rahmen des SINTEG-Projekts DESIGNETZ erprobte energis daher bis 2020 den Einsatz regelbarer Ortsnetz-Trafos (rONTs) – und erkannte dabei auch deren Grenzen für die Spannungsregelung bei heterogenen Netzen (z.B. Kunden mit Bezug an langen Ausläuferleitungen und im Netz verteilten Einspeiseanlagen). „Wir müssen unsere Netze beobachten können“, so Hussingers Fazit. In diesem Sinne treibt man bei energis die Digitalisierung der Ortsnetzstationen voran: „Künftig werden alle neuen Stationen mit Mess- und Kommunikationstechnik ausgestattet“, berichtet Hussinger, die Nachrüstung bestehender Stationen soll selektiv erfolgen.
Mit der Novelle des §14a wird Netztransparenz zur Pflicht für die Verteilnetzbetreiber, denn regelbare Verbraucher dürfen nur im Fall eines kurzfristig drohenden Engpasses netzorientiert gesteuert werden. Zum Nachweis sind Netzzustandsdaten erforderlich, die ganz oder teilweise an den Hausanschlüssen erfasst werden müssen. „Wir waren daher sehr froh, dass VOLTARIS eine Lösung entwickelt hat, die neben der viertelstündlichen Standardauslesung von Netzzustandsdaten auch minütlich Daten liefern kann“, berichtet Hussinger. Im September 2023 startete das Projekt – „und alles funktioniert reibungslos“, ergänzt der energis-Netzexperte. Zunächst sollen die Minutendaten in ausgewählten, potenziell kritischen Netzgebieten erfasst werden, an den anderen der derzeit rund 2.500 in Betrieb befindlichen intelligenten Messsystemen werden die Netzzustandsdaten über TAF 10 im Standardverfahren ausgelesen.
Teil des digitalen Zwillings
Alle erfassten Netzzustandsdaten laufen in das aEMT-System von VOLTARIS ein. Dort werden sie entschlüsselt und an energis zurückgegeben. Der saarländische Netzbetreiber ist derzeit dabei, ein Netzmonitoring aufzubauen. Dazu wurde ein digitaler Zwilling des Netzes erstellt. In dieses System fließen sowohl die iMSys-Daten als auch weitere relevante Daten wie Abgangsmessungen an der Trafostation ein – aufgrund der unterschiedlichen Vertraulichkeit in getrennte Mandanten. „Wir haben keine eigenständige Niederspannungsnetzführung geplant, sondern werden ein Tool nutzen, mit dem die Netzzustandsdaten visualisiert, analysiert und für unterschiedliche Zwecke – einschließlich der automatisierten Steuerung – genutzt werden können“, berichtet Hussinger. Die Daten werden zur Netzzustandsermittlung herangezogen, um zum Beispiel Planungen anhand von Realwerten durchzuführen und Grenzwertverletzungen erkennen zu können. Dazu zählen thermische Überlastungen bei Kabeln und Freileitungen sowie Spannungsbandverletzungen.
Mehrwerte durch TAF 10
Die Daten aus den Hausanschlüssen erachtet Hussinger dabei als sehr wertvoll: „Mit Hilfe der Netzzustandsdaten des TAF 10 wird die Beobachtbarkeit der Netze, welche sich bisher auf die digitalen Ortsnetzstationen begrenzt hat, wesentlich erhöht. Beobachtbare Netze helfen uns – beginnend beim Planungsprozess bis hin zur Netzführung. So kann der Netzausbau anhand realer Messwerte erfolgen und bei Bedarf im Betrieb regulierend durch die Netzführung eingegriffen werden, sowohl zur Einhaltung des Spannungsbandes als auch der Belastungsgrenzen.“ Energis ist sehr froh, mit VOLTARIS einen breit aufgestellten, verlässlichen Partner gefunden zu haben. VOLTARIS hat dazu die Systemlandschaft um ein aEMT-System erweitert und kann neben der Bereitstellung von Netzzustandsdaten zahlreiche weitere Szenarien abbilden: „Das umfasst die Infrastruktur zum Schalten und Steuern im Stromnetz oder Submetering als White Label Lösung“, erklärt Dr. Stephan Röhrenbeck. „Wir bieten den Stadtwerke-Partnern, die in der Anwendergemeinschaft Messsystem organisiert sind, die volle Funktionalität des aEMT an.“ (pq)