16.10.2024 – Bei der Überprüfung von Freileitungen setzt die Schweizer Axpo Grid AG auf Drohnen. Die hierfür entwickelte End-to-End-Lösung können auch andere Anlagenbetreiber nutzen.
Der Einsatz der Software-Tools LINIApower (oben) und LINIAair (unten) automatisiert den Drohneninspektionsflug und die Datenaufnahme. (Foto: Axpo Grid AG)
Klassische Inspektionsaufgaben von Hochspannungsleitungen sind aufwendig, teilweise sogar gefährlich. So müssen Freileitungsmonteure die Hochspannungsmasten hinaufklettern, damit diese genauer ins Visier genommen werden können. Die ungefährliche Variante der Leitungskontrolle via Fernglas ist wiederum fehleranfällig. Mit dem Einsatz moderner Technik lässt sich die Überprüfung von Freileitungen jedoch zeit- und personalschonender gestalten, wie der Schweizer Netzbetreiber Axpo Grid AG in der Praxis zeigt.
Grundlage dieser progressiven Freileitungs- und Mastkontrolle bildet die automatisierte Drohneninspektion. Bereits 2018 hat die Axpo Grid den Einsatz von handgesteuerten Drohnen für hochwertige Luftaufnahmen zur Leitungsinspektion getestet. „Dabei kristallisierte sich relativ schnell heraus, dass die Qualität der Aufnahmen genügend hoch ist, um eine Aussage über den Zustand der Freileitungstrassen zu treffen – und dies ohne manuelle Besteigung“, erklärt Leonhard Lowack, Leiter Strategisches Asset Management bei der Axpo Grid.
Die Drohneninspektion warf auch Fragen auf, erzählt Leonhard Lowack: „Wie lässt sich aus einem Foto ein aussagekräftiger Zustandswert ermitteln? Wie beeinflusst der Einsatz von Drohnen die bestehenden Prozesse? Welches zusätzliche Know-how benötigen wir für die neue Technologie?“
Drohneneinsatz ist Routine
Mittlerweile ist der Drohneneinsatz für die Freileitungsinspektionsteams von Axpo Grid Arbeitsalltag. Während des Kontrollfluges nimmt eine Drohne von jedem Mast 20 bis 25 hochaufgelöste Fotos auf. Die eigentliche Inspektion anhand der Bilder findet dann später im Büro statt. Neben der eingesparten Zeit und der verbesserten Datenqualität erhöht die Drohneninspektion vor allem die Arbeitssicherheit, da die Mastbesteigung durch Monteur:innen entfällt, während die Stromleitungen eingeschaltet bleiben. Darüber hinaus wertet das Drohenprogramm die Ausbildung der Monteur:innen durch die zusätzliche Qualifizierung zum Drohnenpiloten erheblich auf.
Automatisierte Flugmuster
Foto: Axpo Grid AG
Die Drohnen fliegen während der Leitungsinspektionen anhand eines im Vorfeld vordefinierten Flugmusters – unter der Aufsicht eines Drohnenpiloten. Während des Fluges werden hochauflösende Bilder der zentralen Mastkomponenten in kurzer Zeit aufgenommen. Das Vordefinieren der jeweiligen Flugmuster garantiert, dass sich die Bilder dahingehend vergleichen lassen, wie sich der Zustand eines Mastes über die Jahre hinweg verändert. Allerdings ist das Generieren von Flugmustern und Routen für die automatisierte Inspektion eine hochkomplexe Angelegenheit. Aus diesem Grund hat sich Axpo Anfang 2024 entschieden, das Unternehmen LINIA zu kaufen – ein auf diese Aufgaben spezialisiertes Start-up. Mithilfe der Software-Tools LINIAair für die automatisierte Datenaufnahme sowie LINIApower für die Entwicklung von Flugmustern integriert Axpo Grid weiteres Drohnen-Know-how in ihre Inspektionsprozesse.
Datenanalyse
Die von den Piloten aufgenommenen Bilder werden dann im Büro auf einer Cloud-Applikation analysiert, um mögliche Schäden an der Freileitungsinfrastruktur zu erkennen. Aus allen identifizierten Schäden und dem entsprechenden Schweregrad der Schäden, wird anschließend der Zustandswert der untersuchten Freileitungen berechnet. Hierzu setzen die Schweizer Netzprofis die für das Verwalten von Asset-Informationen konzipierte Insights-Plattform ein.
Durch die modulare Webapplikation Insights generiert Axpo Grid mehr und qualifiziertere Daten über den Zustand der einzelnen Freileitungsanlagen. Dank der Software ist es für die Inspektor:innen möglich, Schäden zu kennzeichnen und den Zustand der abgeflogenen Netzkomponenten zu analysieren. Diese Datengrundlage ist Bestandteil der „predictive Maintenance“, also dem Konzept zur optimalen Durchführung von kostenintensiven Unterhaltmaßnahmen. Basierend auf den Zustandsdaten können Sanierungen geplant und Investitionen qualifiziert werden.
KI zur Unterstützung
Grafik: Axpo Grid AG
Während die Fotoaufnahmen inzwischen vorwiegend automatisiert sind, braucht es für die Schadenserkennung weiterhin das geschulte Auge der Mitarbeiter:innen. „Zwar ist die genaue Identifizierung von Mastkomponenten und die Schadenserkennung auf Bildern ein klassischer Anwendungsfall für künstliche Intelligenz, doch Pilotversuche haben gezeigt, dass eine vollständig auf KI basierende Lösung derzeit noch keine zufriedenstellenden Resultate liefert“, führt Till Richter, Programmleiter Digital & Innovation bei Axpo Grid, aus. „Ohne eine gewisse Anzahl historischer Schäden kann die KI nicht effektiv auf die Erkennung neuer Schäden trainiert werden. Die Künstliche Intelligenz unterstützt zwar die Analyse, den Menschen kann sie aber noch nicht ersetzen“, ergänzt Till Richter weiter.
Service für Anlagenbetreiber
So aufgestellt deckt Axpo die gesamte Wertschöpfungskette im Bereich der Drohneninspektion von Infrastrukturanlagen ab – von der Befliegung bis hin zur Schadensanalyse und Zustandsaufnahme. „Dies macht uns auf dem globalen Energiemarkt einzigartig und ermöglicht uns diese besondere Dienstleistung als End-to-End-Lösung auch anderen Anlagenbetreibern anzubieten“, betont Lorenzo Arizzoli-Bulato, Head Automated Inspections. (cp)