Weitere Ergebnisse...

Generic selectors
Exact matches only
Search in title
Search in content
Post Type Selectors

Faktencheck

23.06.2025 – Digitale Verbrauchsdaten aus den Hausanschlüssen werden schon vielerorts für die Netzberechnung in der Niederspannung genutzt. Die Industrielle Werke Basel (IWB) validierte die Ergebnisse jetzt durch digitale Abgangsmessungen mit SMIGHT-Technologie.

Foto: Weerapat / stock.adobe.com

Volatile Einspeisung aus privaten PV-Anlagen und eine steigende Zahl elektrischer Lasten machen es immer schwieriger, den Zustand der Verteilnetze allein anhand von Schätz- und Erfahrungswerten zu beurteilen. Aus diesem Grund beschloss die IWB Industrielle Werke Basel bereits 2023, ihre Netzberechnung in der Niederspannung zu digitalisieren und messdatengestützt durchzuführen. Dafür gab es gute Grundlagen, denn sehr viele Schweizer Stromkund:innen sind bereits mit Smart Metern ausgerüstet. Doch wie lässt sich ein digitales, valides Netzmodell aufbauen? Und wie belastbar sind die Ergebnisse? Diese Fragen stellen sich auch hierzulande.

Um das herauszufinden, startete das Schweizer Versorgungsunternehmen ein Pilotprojekt mit der SMIGHT GmbH. Ziel war es, das auf Smart-Meter-Daten basierende Netzmodell in der Niederspannung mit den von SMIGHT gemessenen Echtzeitdaten direkt aus Trafostationen und Kabelverteilern zu validieren und ergänzen.

Ausgangslage und Zielzustand. (Grafik: SMIGHT GmbH)

Netzmodell auf dem Prüfstand

Dazu wurde ein Netzgebiet mit insgesamt 215 Haushalten ausgewählt, von denen 80 Prozent mit Smart Metern ausgestattet sind. Diese liefern IWB zwar umfangreiche Datengrundlagen, dennoch verbleiben zwei mögliche Fehlerquellen: Zum einen die noch unbekannte Trafolast, die durch die verbleibenden 20 Prozent verursacht wird, zum anderen die dem Netzmodell zugrunde liegende Topologie des Normalschaltzustands, welche Tagesschaltungen nicht abbildet. Hinzu kommt, dass der fragliche Netzbereich vermascht ist. Das sorgt für eine hohe Absicherung, macht die Plausibilisierung der Netzberechnung aber auch komplexer.

Nun galt es, herauszufinden, ob die gemessenen Werte aus den Smart Metern mit den SMIGHT-Daten und dem Netzmodell ein korrektes Bild des Netzzustandes geben oder nicht.

Methodik der Netzmodellvalidierung

Dazu wurden die bezogenen Wirkleistungen der digitalisierten Hausanschlüsse zu einem definierten Zeitpunkt (10.03.2024, 12:00) abgerufen und in die Netzberechnung integriert – insgesamt eine Leistung von 145,8 kW. Für die verbleibenden 50 Haushalte ohne Smart Meter trafen die Datenexperten von SMIGHT Lastannahmen – und zwar nicht anhand von Standardlastprofilen, sondern statistisch. Die Hypothese war: 50 nicht gemessene Haushalte verhalten sich genauso wie der durchschnittlich gebildete Wert der 165 gemessenen Haushalte. Der Mittelwert der gemessenen Haushalte betrug hier ohne Einspeiser 0,94 kW je Hausanschluss – insgesamt 47 kW. Für alle Haushalte ergaben sich also 192,8 kW. Die Ergebnisse der Lastflussberechnung wurden nun anhand der SMIGHT-Messdaten aus der Trafostation und den Kabelverteilern validiert und plausibilisiert. Große Abweichungen der Netzberechnung zu den SMIGHT-Messungen hätten entweder auf topologische Fehler oder falsche Lastannahmen hingewiesen.

SMIGHT-Abgangsmessungen

Lastannahmen für gemessene und nicht gemessene Haushalte.
(Grafik: SMIGHT GmbH)

Im Referenzgebiet wurde die SMIGHT-Technologie von den IWB-Mitarbeitenden in neun Anlagen installiert. Um auch enge Einbausituationen zu meistern, wurde die SMIGHT Grid2 Lösung mit flexiblen Rogowskispulen verbaut. Die Übertragung der Daten erfolgt drahtlos an ein Gateway und von dort via Mobilfunk an das SMIGHT IQ Cockpit, wo die Daten aufbereitet und visualisiert werden.

Gemessen wurde jeweils die Summe der Abgangsleistung in 15-Minuten-Intervallen: der Mittelwert (dunkelblau), die Perzentile (mittelblau) sowie der Maximalwert (hellblau). „Um die Messdaten mit unterschiedlichen Messkonzepten miteinander vergleichen zu können, mussten wir uns dem richtigen Weg annähern“, erklärt ein Datenanalyst der SMIGHT GmbH.

„Denn genau genommen erfassen Smart Meter keine Wirkleistung, sondern lediglich die Energiemenge in 15-Minuten-Intervallen, welche dann einfach durch vier geteilt wird. Daher war es uns wichtig, mit den minutengenauen SMIGHT-Messdaten verschiedene Mittelwerte zu erfassen, um zu prüfen, welcher am besten mit den Smart-Meter-Daten übereinstimmt.“

Die Ergebnisse waren eindeutig: Der Mittelwert der SMIGHT-Daten um 12 Uhr liegt fast identisch zu den gemessenen Smart-Meter-Daten (191,28 kW versus 192,8 kW). IWB und SMIGHT konnten also aufzeigen, dass die Methodik funktioniert, das Netzmodell valide ist und ein passender Vergleichswert definiert werden konnte. Die 20 Prozent nicht gemessenen Haushalte verhalten sich somit sehr ähnlich wie die 165 Haushalte, aus denen digitale Smart Meter-Daten vorlagen.

Empfehlungen und Anknüpfungspunkte

Drei unterschiedlich aggregierte SMIGHT-Messwerte im Verlauf des definierten Vergleichstages am 10.3.2024. (Grafik: SMIGHT GmbH)

Eine wichtige Randbedingung ist jedoch eine gute Verteilung an Haushaltslastprofilen. Dies beweist auch die Tatsache, dass der Maximalwert nur knapp 30 Prozent über dem Mittelwert liegt. Sollten Faktoren aufkommen wie zum Beispiel ein drastischer Anstieg von PV im betroffenen Netzgebiet, empfiehlt sich eine Erweiterung der Stichpunkt-Validierung abhängig von der Rollout-Quote der Smart Meter und des individuellen Lastverhaltens eines Netzbereichs.

Für IWB wird es daher künftig eine wichtige Aufgabe sein, die Verteilung der Daten genau und regelmäßig zu betrachten, um damit das richtige Aggregationsintervall festzulegen. Wird beispielsweise nur ein einziger Zeitpunkt bei einer extrem hohen Volatilität betrachtet, kann dies zu falschen Annahmen führen. „Genau hier bieten wir einen weiteren Mehrwert, denn wir können die Daten in einen statistischen Kontext setzen und Empfehlungen zu weiteren Validierungen aussprechen.“, betont SMIGHT-Geschäftsführer Oliver Deuschle. „Wir haben festgestellt: Selbst, wenn wir 100 Prozent Smart-Meter-Rollout haben, macht eine Abgangsmessung zur Validierung unserer Netzberechnungen im Niederspannungsnetz durchaus Sinn, denn nur so können wir absolut sicher sein, dass alles zusammenpasst“, ergänzt Tobias Tomaschett, Leiter Assetmanagement Elektrizität bei IWB.

Im nächsten Schritt will das Unternehmen die Netzberechnungsvalidierung auch auf die Ebene der Kabelverteiler und die einzelnen Leitungsabschnitte der Netzebene 7 (NE7) ausweiten. (pq)

www.smight.com