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Weltweit bleibt das politische Klima turbulent, doch zumindest hierzulande gibt es positive Signale für die Energiewende und – damit untrennbar verbunden – den Ausbau und die weitere Digitalisierung der Strominfrastruktur. Die Weichen wurden in den vergangenen Jahren neu gestellt und die Richtung bleibt. Somit können die Netzbetreiber den eingeschlagenen Weg fortsetzen.
Das ist auch dringend notwendig, denn auch wenn es mit der Elektrifizierung der Sektoren Mobilität und Wärme nicht ganz so zügig vorangeht wie manche Prognosen vermuten ließen, wird auf mittlere Sicht deutlich mehr Strom durch die Übertragungs- und Verteilnetze fließen. Eine Studie von E.ON rechnet bis 2035 europaweit mit einer Erhöhung der Stromnachfrage um etwa 30 Prozent. Um diese Nachfrage wirtschaftlich und klimaschonend bedienen zu können, muss der Ausbau der Errneuerbaren konsequent fortgesetzt werden.
INFRASTRUKTUR UND INTELLIGENZ
Ein effizientes Stromnetz ist die zweite Säule der Transformation zur klimaneutralen „All electric society“. Es muss in der Lage sein, auf der Einspeiseseite die großen Mengen von Wind- und Solarstrom aufzunehmen, zu transportieren und zu verteilen. Denn jede Kilowattstunde, die nicht ins Netz geht, kostet Geld. Das erfordert einen massiven Ausbau der Infrastruktur, aber auch neue technische Konzepte und Betriebsmittel – von der „Einspeisesteckdose“, über STATCOM-Anlagen bis hin zu netzdienlich nutzbaren Großspeichern. Hier wird vieles erfolgreich erprobt und die Regulierer sollten sich an die Arbeit machen, damit aus den Pilotprojekten flächendeckend nutzbare Konzepte werden können.
Gleichzeitig muss das Stromsystem in der Lage sein, Schwankungen zwischen Einspeisungen und Verbrauch, die durch den Markt nicht ausgeglichen werden können, technisch zu kompensieren.
Echtzeit-Daten für die Netzüberwachung können noch nicht durchgängig in allen Spannungsebenen genutzt werden. Quelle: Envelio GmbH / Energate GmbH
In beiden Bereichen tut sich Einiges: Der Netzausbau auf den höheren Spannungsebenen hat enorm an Fahrt aufgenommen und es steht zu hoffen, dass ein Teil des geplanten Infrastruktur-Fonds auch dort investiert wird. Auch in der Mittel- und Niederspannung wird geplant und gebaut, doch die weitaus größere Herausforderung besteht in der notwendigen Digitalisierung.
DATEN, ANALYSE UND AUTOMATISIERUNG
Angesichts steigender Komplexität und knapper Ressourcen liegt hier heute tatsächlich der einzige Schlüssel zu effizienten Prozessen.
Digitale Lösungen erleichtern die Planung einzelner Betriebsmittel und ganzer Netze. Sie ermöglichen es, Anschlussanfragen und Szenarien qualifiziert zu bewerten, das Netz sicher zu betreiben und wirksam instandzuhalten. Dazu muss der viel zitierte digitale Zwilling erschaffen und zum Leben erweckt werden.
Leistungsfähige Mess- und Kommunikationstechnik liefert die notwendigen Daten – und die werden gerade in der Niederspannung aktuell noch dringend benötigt. Der neue §14a EnWG und die konkreten Steuerverpflichtungen der Netzbetreiber haben deutlich gemacht, dass es auf der „letzten Meile“ noch ziemlich dunkel ist. Das muss sich dringend ändern, denn Transparenz ist eine zentrale Voraussetzung für die geforderte Steuerfähigkeit und vieles mehr. Dass dazu enorme Datenmengen aus Ortsnetzstationen und intelligenten Messsystemen zu verarbeiten sind, ist eine weitere Herausforderung, die nach durchdachten Lösungen und offenen Systemen verlangt. KI und Machine learning bewähren sich bereits in der Datenanalyse sowie der Netzberechnung und -planung. Doch angesichts der hohen Dynamik, die sich auf allen Spannungsebenen andeutet, wird Automatisierung auch im operativen Betrieb ein zentrales Thema werden. Die Marktpartner stehen bereit. (pq)
Diese Herausforderungen für die Digitalisierung nennen VNB in der aktuellen Studie Digital Grid Insights. Quelle: Envelio GmbH / Energate GmbH