21.01.2025 – Viele hoffen, dass sich die Strompreise wieder auf dem Vor-Corona-Niveau einpendeln. Eine Studie von Prof. Dr. Mario Liebensteiner von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) sieht dafür kaum Chancen.
Energiebeschaffung und –vertrieb könnten künftig zum Drahtseilakt werden. (Bild: janvier/stock.adobe.com)
Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es keine Rückkehr zum früheren Normalfall. Im Gegenteil: Der Strompreis im Großhandel liegt im gerade begonnenen Jahr 2025 zumindest im Durchschnitt zwischen 94 Euro bis 114 Euro je Megawattstunde (MWh). Das wäre mehr als sechsmal so viel wie vor der Energiekrise. Allerdings schwanken die Preise je MWh an der Strombörse kurzfristig zwischen rund – 100 Euro bis zu rund 1.000 Euro. „Unsere Studie dient nicht einer genauen Preisvorhersage“, betont Prof. Dr. Mario Liebensteiner, Professur Energiemärkte und Energiesystemanalyse, an der FAU. „Vielmehr prognostiziert sie einen hohen und vor allem volatilen Strompreis im Großhandel für die kommenden Jahre.“ Die Studie High electricity price despite expansion in renewables: How market trends shape Germany’s power market in the coming years ist in der Zeitschrift „Energy Policy“ erschienen.
Studie prognostiziert Preise bis 2030
Die Studie von Prof. Liebensteiner, Anas Abuzayed, Doktorand an der FAU, und Dr. Fabian Ocker von der TenneT TSO GmbH berücksichtigt die wichtigsten Markttrends für die Entwicklung des Strompreises in Deutschland bis zum Jahr 2030 und entwickelt auf dieser Grundlage Szenarioprognosen. Basis ist ein ökonometrisches Modell, das historische Strommarktdaten für Deutschland aus den Jahren 2015 bis 2023 verwendet. Dadurch werde im Rückblick das Wechselspiel und der Einfluss definierter Markttrends wie Wind- und Solarstrom, Stromnachfrage, Kernenergie, CO2-Zertifikaten, Gaspreis und Stromhandel auf den Stromgroßhandelspreis an der Börse verständlich.
Markttrends systematisch durchgerechnet
„Die Vorhersage des Strompreises entspricht einer sogenannten Basisvariante der Szenarioprognose. Sie berücksichtigt die wichtigsten Einflussfaktoren und geht von einer kontinuierlichen Entwicklung ohne Umbrüche, wie beispielsweise Wirtschaftskrisen oder weiteren Kriegen, aus“, erklärt Mario Liebensteiner. „Ein weiterer planmäßiger Ausbau der Erneuerbaren Energien sorgt so für einen tendenziell sinkenden Strompreis.“ Gleichzeitig treibt eine wachsende Stromnachfrage das Preisniveau aber nach oben. Dafür sorgen zum Beispiel E-Mobilität, Wärmepumpen, Gebäudeklimatisierung, Rechenzentren oder auch perspektivisch Elektrolyseure für die Wasserstoffproduktion. Teurer wird Energie zusätzlich durch einen kontinuierlich steigenden CO2-Preis, der fossile Energieträger wie insbesondere Kohle belastet. Auch der Gaspreis, der durch die geopolitischen Verwerfungen mit Russland nun deutlich höher liegt als noch vor der Energiekrise, führt zu einem höherer Strompreisniveau.
Die Studie rechnet allerdings mit einem moderat ansteigenden Preis. Eine weitere Einflussgröße sind die Ex- beziehungsweise -importe von Strom innerhalb Europas.
Verschiedene Szenarien
Bis zum Jahr 2030 prognostiziert das Basisszenario einen Börsenpreis für Strom, der etwa dreimal so hoch sein könnte, wie vor der Energiekrise. Erfolgt beim Zubau Erneuerbarer Energien ein stärkeres Wachstum bei sonst gleichbleibenden Rahmenbedingungen könnte in den nächsten fünf Jahren der Strompreis weiter sinken. Einen preistreibenden Effekt identifiziert die Studie im deutschen Nuklearausstieg. Verfügbarer Nuklearstrom hätte einen starken Effekt auf die Höhe des Strompreises. Liebensteiner weist allerdings darauf hin, dass sogenannte Externalitäten nicht in der Studie berücksichtigt sind. Dazu gehört unter anderem das allgemeine nukleare Risiko oder die Kosten für Zwischen- und Endlager.
Die Szenarioanalyse zeigt auch den signifikanten Strompreisdruck eines höheren Stromnachverbrauchs, etwa durch die Elektrifizierung industrieller Prozesse. Ein höherer Gaspreis oder ein stärkerer Anstieg des CO2-Preises treiben ebenfalls die Börsenpreise nach oben.
Preissprünge beim Strom sind das neue Normal
Der wachsende Anteil der Erneuerbaren Energien am Mix der Stromerzeugung sorge in Zukunft an der Börse für stärkere Preisausschläge nach oben und unten. Diese Volatilität findet sich innerhalb eines Tages, von Tag zu Tag oder je nach Jahreszeit. So sorgte Mitte Dezember eine Dunkelflaute – keine Sonne und kein Wind – für einen kurzfristigen Preissprung auf rund 1.000 Euro je MWh. „An einem sonnigen Sommernachmittag dreht der Strompreis schon mal ins Negative. Das heißt, Abnehmer bekommen Geld, wenn sie bei einer Überproduktion von Wind- und Sonnenenergie mehr verbrauchen“, erklärt Mario Liebensteiner.
Mit ihrer Untersuchung wollen die Autoren der Politik eine faktengestützte Orientierung zur Gestaltung der künftigen Energiepolitik liefern. Gleichzeitig signalisiert die Arbeit auch Industrie und Gewerbe, welche Investitionen sich voraussichtlich mit Blick auf Energiekosten lohnen. (pq)