25.03.2025 – Ab sofort sind alle Versorger verpflichtet, Kunden mit intelligentem Messsystem einen dynamischen Tarif anzubieten, doch von einer breiten Umsetzung sind wir noch weit entfernt. Dabei gibt es überzeugende Konzepte.
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Der Strompreis ist das Ergebnis von Angebot und Nachfrage. Dementsprechend wird Strom günstiger, wenn mehr Energie erzeugt als aktuell nachgefragt wird. Das kommt mit dem Ausbau der Erneuerbaren bekanntermaßen regelmäßig vor, und in stürmischen Nächten oder während der heißen Mittagsstunden gibt es Strom an der Börse bisweilen sogar zum Nulltarif. Davon sollen Kund:innen ab dem 01.01.2025 profitieren – und gleichzeitig Anreize erhalten, ihren Verbrauch in Zeiten mit niedriger Last und/oder hoher Einspeisung zu verschieben. Das wiederum würde der Netzstabilität ebenso zugutekommen wie den Betreibern von Wind- und Solarparks, die über höhere Einspeisung und höhere Preise ihre Investitionen einfacher refinanzieren könnten. Geringere Kosten für Netzausbau, Redispatch und Erneuerbaren-Förderung würden letzten Endes den Strom für alle günstiger machen. All das sind gute Ideen und vermutlich auch der Gedanke hinter §41a EnWG, der alle Versorger verpflichtet, ihr Angebot für Letztverbraucher:innen ab sofort um dynamische Stromtarife zu erweitern – sofern dort ein intelligentes Messsystem installiert ist.
Wege zum Ziel
Das IMSys ist zur Umsetzung unverzichtbar, denn für die Abrechnung der dynamischen Tarife müssen Verbrauchswerte in entsprechender Auflösung zur Verfügung stehen. Dass es davon noch nicht so viele gibt, mag den einen oder anderen IT- Verantwortlichen mit knappen Ressourcen beruhigen, denn er hat ein paar Aufgaben zu erledigen: Anpassungen in der Beschaffungsstrategie und der Preiskalkulation sind notwendig, um die erforderlichen Margen auch unter deutlich dynamischeren Bedingungen zu sichern. Gleichzeitig muss die Abfrage und Speicherung von Börsenstrompreisen im Abrechnungssystem in der entsprechenden Granularität ermöglicht werden. Nicht zuletzt sollten Stromanbieter ihren Kunden die Möglichkeit bieten, entsprechende Verträge digital abzuschließen sowie aktuelle Preise und Verbräuche über Kundenportale oder mobile Apps einzusehen. Das ist mit etwas Hilfe in den meisten Systemen machbar, aber es gibt auch schnellere Wege zum dynamischen Tarifangebot.
Quelle: E.ON SE (Repräsentative Online-Befragung mit Mitgliedern des YouGov Panels)
Chance für Vertriebe
Die Vertriebe sollten sich dafür im eigenen Haus stark machen, denn eine dynamische Preisgestaltung und flexible Tarifmodelle sind heute in vielen Branchen ein selbstverständlicher Service und lohnen sich nachweislich. Stromversorger bei unseren europäischen Nachbarn wissen das, und auch hierzulande haben zumindest Kund:innen mit Wallboxen und Wärmepumpen bereits die Auswahl zwischen mehreren Anbietern.
Dynamische Stromtarife
Dynamische Stromtarife sind nach §3 EnWG Stromlieferverträge, welche die Preisschwankungen der Spotmärkte innerhalb von einer Stunde (Day-Ahead-Markt) oder von 15 Minuten (Intraday-Markt) im Arbeitspreis abbilden.
Genau solche Verbraucher:innen können durch dynamische Tarife deutlich sparen und sind gleichzeitig eine attraktive Zielgruppe für Versorger – aufgrund ihrer hohen Verbräuche, ihres Einkommens und ihrer Affinität zu innovativen, klimafreundlichen Energielösungen, aber auch aufgrund ihrer hohen Wechselbereitschaft. Gleiches gilt für kleine Gewerbetriebe, die ihre Verbräuche anpassen können. Beide Gruppen stehen zudem ganz oben auf der Warteliste für den Smart Meter-Rollout.
Wenn ihr Versorger rechtzeitig und proaktiv mit dynamischem Tarif am Start ist und dabei im Idealfall auch zum IM-Sysy verhilft, bleiben sie treu – sonst nicht. Dass hier auch kleine Stadtwerke im bundesweitem Vertrieb punkten können, hat zum Beispiel die NEW Niederrhein Energie und Wasser GmbH erkannt. Der Versorger aus Mönchengladbach bietet gegen eine kleine Servicegebühr monatlich kündbare dynamische Tarife an. Für das notwendige IMSys verweist NEW auf den jeweiligen MSB – wo heute ja jede:r einen Einbau verlangen kann. Auf diese Weise gelingt es, bei interessierten Kund:innen sichtbar zu werden und vielleicht sogar, den Rollout ein bisschen zu beschleunigen.
So betrachtet, sind dynamische Tarife ein Gewinn für alle. (pq)