07.10.2024 – Aktuell ist der Stromverkauf die wichtigste Säule im Geschäft der Versorger, doch die Rahmenbedingungen ändern sich…
Bei den Privatkunden spielen steigende Energiekosten und das wachsende Bewusstsein für Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle. Darum steigt die Nachfrage nach Photovoltaikanlagen, Batteriespeichern und Energiemanagementsystemen. Zusätzlich wird die Bereitschaft, flexibel auf Marktpreise zu reagieren und dynamische oder zeitvariable Tarife zu nutzen, langsam größer. Bei den Geschäftskunden ist es ähnlich, aber es kommen zusätzliche Aspekte hinzu. Große Unternehmen und Industriekunden stehen unter Druck, Energiekosten zu optimieren und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Dabei spielen die Themen Energieeffizienz, Flexibilitätsvermarktung und Demand-Side-Management eine große Rolle. Unternehmen, die über eine eigene Erzeugung verfügen oder Lastmanagement betreiben, suchen zunehmend nach Partnern, die ihnen dabei helfen, diese Flexibilität in den Markt zu bringen oder sie optimal zu managen. Außerdem sehen wir den Trend zu langfristigen Stromlieferverträgen, sogenannten Power Purchase Agreements.
Was bedeutet das für die Strategie und die Prozesse bei Stadtwerken und Versorgern?
Diese Entwicklung stellt uns als Branche vor neue Herausforderungen, bietet aber gleichzeitig Chancen. Nur auf das Kerngeschäft zu vertrauen wird nicht auf Dauer funktionieren. Strategisch bedeutet das, dass wir unser Geschäftsmodell weiterentwickeln müssen – weg von der reinen Energieversorgung hin zu umfassenden Dienstleistungen für intelligente und nachhaltige Energielösungen. Die Aufgabe der Stadtwerke ist es, ein verlässlicher Partner zu sein, und sowohl Privat- als auch Geschäftskunden in der zunehmend dezentralen und digitalisierten Energiewelt zu unterstützen. Für uns bedeutet Nachhaltigkeit auch, den regionalen Wirtschaftskreislauf zu stärken und so den Mehrwert in den Regionen zu halten. Die Thüga unterstützt ihre Partnerunternehmen dabei.
Und lässt sich das praktisch umsetzen?
Die Stadtwerke und Versorger müssen sich in Bezug auf neue Energiedienstleistungen breiter aufstellen. Wir müssen der Kundschaft flexible und integrierte Angebote machen. Dazu gehören Lösungen für Photovoltaikanlagen, Batteriespeicher, Wärmepumpen und intelligente Steuerungssysteme. Wir arbeiten daran, digitale Plattformen und Apps zu entwickeln, die es der Kundschaft ermöglichen, ihren Energieverbrauch in Echtzeit zu überwachen und zu optimieren.
Ist das denn für kleine Unternehmen, die zudem unter Personalmangel leiden, überhaupt zu stemmen?
KI sowie die Digitalisierung von Prozessen helfen bei Ressourcenknappheit. Die Thüga unterstützt ihre Partnerunternehmen im Netzwerk. Nicht jedes Unternehmen muss alle Lösungen selbst entwickeln, im Verbund geht es besser. So können sich die Partnerunternehmen vor Ort auf den Vertrieb konzentrieren.
Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Besonders bei den Wärmepumpen hat die Thüga bereits vorgearbeitet. Unser Einkauf ist mit Wärmepumpen-Herstellern ins Gespräch gegangen und hat für Stadtwerke bessere Bedingungen ausgehandelt. Wir haben Pakete entworfen, die die Wärmepumpe, die dazugehörige Steuerungseinheit, sowie Zubehör, enthalten. Unsere Partnerunternehmen können durch Rahmenabkommen auf das Portfolio der Hersteller zugreifen und auf Basis der Verträge anderweitigen Bedarf verhandeln. Wir arbeiten auch an Lösungen für Energiemanagementsysteme, die den Stromverbrauch im ganzen Haushalt steuern und so jeden steuerbaren Verbrauch optimieren.
Betrachten Sie flexible Tarife als Chance oder Risiko für das Commodity-Geschäft?
Verbraucher, die flexibel sind und ihren Stromverbrauch an günstige Zeiten anpassen können, könnten durch dynamische Tarife sparen. Das sind Besitzer von E-Autos oder Wärmepumpen. Bei vielen neuen Playern im Markt ist der dynamische Stromtarif bereits ein zentraler Bestandteil des Produktkonzepts. Auf der anderen Seite wissen wir aus unserer Marktforschung, dass Kunden Planbarkeit und Sicherheit als sehr wichtig einschätzen. Die Preisvolatilität dynamischer Tarife kann auch zu unerwartet hohen Stromrechnungen führen. Das kann sich dann negativ auf das Versorger-Image und die Kundenbindung auswirken. Versorger können sich hier auch über eine ehrliche Beratung profilieren.
Auch die Erwartungen an die Kundenprozesse und die Kundenkommunikation wandeln sich…
Kundinnen und Kunden wünschen einfache, transparente und vor allem digitale Lösungen – jederzeit und überall. Um dem gerecht zu werden, müssen Versorger ihre Vertriebsprozesse weiter digitalisieren und vereinfachen. Gleichzeitig haben Stadtwerke immer den Vorteil der Kundennähe vor Ort. Diesen gilt es zu nutzen. Wir unterstützten unsere Partnerunternehmen dabei, ihre Kommunikationskanäle – beispielsweise Apps, Webseiten, Chatbots oder Social-Media – so zu gestalten, dass Kunden ihre Anliegen einfach und schnell klären können. Es ist wichtig, dass Stadtwerke persönlich bleiben und auch digital persönlicher werden. Es geht darum, die richtige Balance zwischen Digitalisierung und persönlicher Kundenbetreuung zu finden, um die Kundenzufriedenheit langfristig zu sichern und zu steigern. (pq)