12.10.2023 – Seit der Energiepreiskrise scheint sich das Image der Energiewirtschaft nachhaltig verschlechtert zu haben – speziell, wenn man den problematischen Äußerungen in Social Media und einigen Boulevardmedien glaubt. Wir sprachen mit Dr. Uwe Pöhls, Energieexperte und „Gesicht“ des Top-Lokalversorgers, einer Initiative der De-Media GmbH, Düsseldorf, und bekannt für die Vergabe seiner gleichnamigen Qualitätssiegel.
Herr Dr. Pöhls, verdienen die Stadtwerke diese Kritik?
Dr. Uwe Pöhls repräsentiert den „Top-Lokalversorger“. Foto: De-Media GmbH, Düsseldorf
Die Antwort ist ein klares Nein. Auslöser der Energiepreiskrise war der Zusammenbruch des Energiediscounter-Geschäftsmodells im Herbst/Winter 2021. Hunderttausende von Kund:innen fielen nun in die Grund- bzw. Ersatzversorgung der lokalen Versorger, die dann sehr kurzfristig große Energiemengen beschaffen mussten. Das setzte eine enorme Preisspirale in Gang. Und dann kamen natürlich die Energieverknappung und die Lieferkettenprobleme in Folge des Ukraine-Kriegs dazu. In der Nachschau ist den Stadtwerken das Management dieser Krise sogar ausgesprochen gut gelungen. Von der Entwicklung neuer Beschaffungsstrategien bis hin zur Umsetzung der Preisdeckel bei Strom und Gas haben die Versorger eine hohe Problemlösungskompetenz bewiesen. Und letzten Endes geht es ja auch nicht nur um den Preis.
Was macht denn aus Ihrer Sicht einen guten Energieversorger aus?
Beim Discounter gibt es selten mehr als eine Steckdose, Abschlagszahlungen und die Jahresrechnung. Stadtwerke und lokale Versorger leisten hier unvergleichlich mehr. Hier steht wirklich der Kunde mit seinen Bedürfnissen im Mittelpunkt. Umwelt, Versorgungsqualität und Versorgungssicherheit spielen eine zentrale Rolle. Und Stadtwerke sind transparent. Hier kann der Kunde sehen, wie mit seinem Geld gearbeitet wird – in umfangreichen Rechenschaftsberichten für alle einsehbar. Bei Discountern verlieren sich die Spuren unter Umständen in weit entfernte Steuerparadiese. Und natürlich sind lokale Versorger wichtig für die regionale Wertschöpfung. Das Geld der Kund:innen bleibt vor Ort. Hier werden Arbeitsplätze geschaffen, Ausbildungsplätze angeboten und lokale Marktpartner in die Prozesse der Versorgung einbezogen. Auch die Steuern bleiben im Lande.
Und man bedenke: Bis 2030 wird das Investitionsvolumen der Stadtwerke und Lokalversorger in Energiewende und Klimaschutz über 500 Milliarden Euro betragen.
Warum wird dies in der Öffentlichkeit so wenig wahrgenommen?
Das stimmt so eigentlich nicht. Wenn man sich die Daten zahlreicher Umfragen ansieht, dann gibt es keine Branche, die eine so hohe Kundenzufriedenheit generiert wie Stadtwerke und lokale Versorger. Zwischen 80 und 90 Prozent der Kund:innen sind mit „ihrem“ Versorger, den Services, den Produkten und dem Preis-Leistungs-Verhältnis zufrieden. Die Medien allerdings berichten vor allem dann über Strom, Gas, Wärme oder Trinkwasser, wenn der Krisenfall da ist. Die täglichen Leistungen haben einen geringeren Nachrichtenwert. Das sollte sich ändern! Und daran könnten Versorger viel stärker mitwirken, denn es gäbe eigentlich viel zu erzählen.
Was meinen Sie damit genau?
Zugegeben, kritisch anmerken muss man, dass etliche Versorger in diese Art der Komunikation zu wenig investieren. Regelmäßige Kundenbefragungen sollten eigentlich ein Branchenstandard sein. Und natürlich muss man deren Ergebnisse auch darstellen. Nach außen, den Kund:innen sowie Entscheidungsträg:innen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gegenüber, genauso wie nach innen. Auch die Mitarbeiter:innen wollen widergespiegelt bekommen, wie sehr ihre Arbeit wertgeschätzt wird.
Die Versorger in der Breite sollten aus den guten Beispielen der immer noch zu wenigen Versorger lernen, die ihre Kund:innen deutlich mehr einbeziehen, diese regelmäßig befragen, aus den Ergebnissen Rückschlüsse für ihr eigenes Handeln ziehen und dies dann auch öffentlich machen.
So werden sich die Verbraucher:innen auch weiterhin oder gerade unter den Eindrücken der Krise mit ihrem Stadtwerk identifizieren und ihm, trotz Preissteigerung, treu bleiben. (pq)