03.06.2025 – Zweifelhafte Stromdiscounter haben die Energiepreiskrise 2021/2022 wesentlich mitverursacht. Nun versuchen genau diese Anbieter “ohne Versorgungsgarantie” ein Comeback.
Wir sprachen mit Dr. Uwe Pöhls, Initiator der Qualitätsinitiative TOP-Lokalversorger. Er beobachtet seit Jahrzehnten die Geschehnisse auf dem Strommarkt und hat eine klare Empfehlung für Deutschlands Grundversorgern.
Herr Dr. Pöhls, Ihnen sind einige Stromanbieter suspekt?
Das ist richtig. Im Jahr 2021 haben wir ein beispielloses Verhalten am deutschen Strommarkt erlebt. Discounter wie Stromio oder Gas.de haben hunderttausenden Kunden den Versorgungsvertrag gekündigt, mit der Begründung, sie könnten wegen der Energiepreiserhöhungen nicht mehr liefern. Danach vom Markt weitgehend verschwunden, erleben diese Discounter jetzt unter neuen Namen ein Comeback. Das erscheint mir sehr fragwürdig.
Was genau stört Sie?
Die Geschäftspraktiken des „schnellen Geldes“ haben sich aus meiner Sicht nicht geändert. Ähnlich wie damals funktionieren viele Discounter über Massenangebote scheinbar günstiger Preise, die zum Beispiel über Boni-Versprechen künstlich generiert werden. Den tollen Treue-Bonus bekommt ein Kunde aber oft nur dann, wenn er sich auf ein zweites Belieferungsjahr einlässt, in dem die Strompreise teilweise doppelt so hoch sind – ganz abgesehen von häufig überhöhten Abschlagszahlungen und endlos verschleppten Endabrechnungen. Lohnt sich die günstige Offerte für die Billiganbieter nicht mehr, etwa weil die Kurse an der Strombörse steigen, sind sie dann schnell dabei, die Lieferung, wie bei oben genannten Beispielen, einfach zu stoppen oder Insolvenz anzumelden. Dies sind Verfahrensweisen, wie wir sie in den letzten zwanzig Jahren schon fünf Mal in großem Stil erlebt und die den Ruf der Energiewirtschaft bei den Verbrauchern beschädigt haben.
Wozu raten Sie der Branche demnach?
Wir können die grundlegende Rechtslage nicht ändern, das ist leider Fakt, wohl aber die Positionierung und Kommunikation der soliden Energieversorger, auf die sich die Verbraucher in jeder Situation verlassen können. Das Problem ist doch, dass für Stromdiscounter andere Regeln gelten als für Grundversorger wie etwa die Stadtwerke. Letztere müssen qua Gesetz garantieren, nicht nur jetzt, sondern auch in Zukunft zuverlässig Strom zu liefern. Deshalb schließen sie meist langfristige Verträge am Terminmarkt ab. Diese Versorgungspflicht gilt für die Discounter nicht. Hier stehen Händler im Hintergrund, die den Strom am Tagesmarkt einkaufen, wenn dieser, zum Beispiel wegen eines Überangebots, gerade günstig ist. Kommt es zu einer Verknappung, können die Dumpingpreise nicht mehr gehalten werden. Der Anbieter steckt, nachdem er zuerst gut verdient hat, plötzlich in Schwierigkeiten und zieht sich vom Markt zurück.
Positionierung und Kommunikation solider EVUs: Was bedeutet das?
Vor allem gute Öffentlichkeitsarbeit, in der deutlich wird, was einen Grundversorger von einem Discounter unterscheidet. Vielen Verbrauchern ist gar nicht bewusst, was ihr Stadtwerk vor Ort wirklich leistet – und zwar nicht nur im Hinblick auf eine verlässliche Energielieferung, sondern auch bei der Förderung der Region als Arbeit- und Auftraggeber, dem Sponsoring von Bildungs-, Sport- oder Kultureinrichtungen und vielem mehr. Zudem zählen Grundversorger zu den Innovatoren in der Branche, die, weil ihnen ihre Region wichtig ist, zum Beispiel in die Energiewende, aber auch in zukunftsfähige Leitungsnetze investieren. All dies ist für einen Stromdiscounter kein Thema.
Trotzdem werben die Discounter mit hoher Kundenzufriedenheit.
Sie belegen dies sogar mit diversen Qualitätssiegeln. Doch rate ich hier zur Vorsicht. Nicht jedes Prüfverfahren ist transparent, nicht jeder Siegelgeber unabhängig und neutral. Und auch auf Vergleichsportale kann sich ein Kunde nicht blind verlassen. Die günstigsten Stromangebote landen ganz vorne im Ranking, lassen aber die Frage offen, ob das Preisversprechen eines Versorgers seriös ist.
Die Lösung wäre in diesem Fall?
Die gesetzliche Verpflichtung der EVU, einschließlich aller Discounter, ihre Einkaufsmethodik offenzulegen. Solange dies aber noch nicht der Fall ist, hilft Grundversorgern nur, ihre Kunden aufzuklären und die eigene solide Geschäftspolitik immer wieder in den Vordergrund zu stellen. (pq)