16.10.2025 – Leistungsfähige Rechenzentren sind die Voraussetzung für fast alles, was Politik, Verwaltung und Wirtschaft in den kommenden Jahren erreichen wollen – und ein höchst spannendes Betätigungsfeld für die Energiebranche.
Auf der Suche nach Vorreitern für die Digitalisierung, denkt man heute noch nicht spontan an Deutschland, doch das soll und muss sich ändern. Die große Koalition möchte die Bundesrepublik zur führenden KI-Nation machen, aber selbst, wenn man die Ziele nicht ganz so hochsteckt, ist ein konsequenter Ausbau der digitalen Infrastruktur dringend erforderlich. Das bedeutet neben flächendeckender Verfügbarkeit von schnellem Internet insbesondere die Bereitstellung von Rechenzentren, von denen es derzeit – je nach Definition und Quelle – zwischen 2.000 und etwas über 3.000 gibt.
Wachstumsmarkt Rechenzentren

Basis: Expertenbefragung (nur Rechenzentrumsbetreiber). Quelle: Borderstep (17.07. – 11.09.2024); n = 82
Etwa 2,9 Milliarden Euro wurden 2024 laut Digitalverband Bitkom in den Ausbau von Rechenzentrumsinfrastrukturen investiert und weiteres Wachstum sei zu erwarten. Getrieben unter anderem durch die steigende Nutzung von Cloud-Services könnte sich die IT-Anschlussleis- tung von 2.730 MW im Jahr 2022 auf 4.850 MW erhöhen. Für die Betreiber ist Deutschland ein interessanter Standort mit geringen natürlichen und politischen Risiken, einer stabilen Stromversorgung und Anbindung an zentrale Internetknoten. Auch die hohen Datenschutz- und Sicherheitsstandards werden in der Branche positiv bewertet, Abzüge seitens der Betreiber gibt es für hohe Strompreise und regulatorische Anforderungen, speziell im Bereich Energieeffizienz.
Damit eng verbunden ist das Thema Nachhaltigkeit oder Green IT, welches – auch jenseits der regulatorischen Vorgaben – für die Betreiber und Nutzer immer wichtiger wird. Laut einer Expertenbefragung des Borderstep-Institus sehen über die Hälfte der Befragten den Ausbau von Erneuerbaren Energien und Flexibilität als Mehrwert am Standort Deutschland.
Verfügbarkeit und Sicherheit
In der digitalisierten Welt gehören Rechenzentren zu den hochkritischen Infrastrukturen mit höchsten Anforderungen an Verfügbarkeit und Sicherheit. Potenzielle Risiken – von Erdbeben und Flugzeugabstürzen über Feuer, Wasser, Blitz oder sogar Staub bis hin zum Eindringen unbefugter Personen und natürlich Stromausfällen – müssen somit auf allen Ebenen minimiert werden. Dazu gehört zwingend auch die umfassende Überwachung der gesamten Infrastruktur durch Messtechnik und Sensoren einschließlich automatischer Alarmierung und einer 24/7 besetzten Leitwarte.

Quelle: Borderstep (2024)
Gleichzeitig fordert das BSI durchgängig redundante Strukturen, damit Ausfälle in Sekundenbruchteilen kompensiert werden können. Das gilt insbesondere für die Stromversorgung, die durch unabhängige Stromversorgung (USV) und Netzersatzanlagen (NEAs) übernommen werden. Alle Notfallprozesse müssen automatisiert ablaufen.
Aufgrund des immensen Stromverbrauchs – derzeit rund 20 TWh – unterliegen Rechenzentren gemäß dem Energieeffizienzgesetz (EnEfG) strengen Auflagen für die Energieeffizienz und Abwärmenutzung. Neue Rechenzentren dürfen einen Energieverbrauchseffektivitätswert (PUE) von 1,2 nicht unterschreiten, Bestandsanlagen müssen bis spätestens Juli 2030 einen PUE-Wert von 1,3 erreichen. Zudem müssen neue Rechenzentren ab dem 1. Juli 2026 mindestens 10 Prozent der Abwärme wiederverwenden, ab 2028 sogar 20 Prozent.
Themen für die Versorgungsbranche
Die skizzierten Anforderungen bietet vielfältige Ansatzpunkte für Energieunternehmen. Die Branche hat enorme Erfahrungen und Kompetenzen im Bau und Betrieb kritischer Infrastrukturen, einschließlich der dafür erforderlichen Betriebsmittel, Technologien, Genehmigungsverfahren und Zertifizierungen. Sichere Stromversorgung – vom Netz- anschluss bis zur Belieferung mit „grünem“ Strom – und vielfach auch Glasfaser gehören ebenfalls zum Tagesgeschäft. Gleiches gilt für nachhaltige Wärmekonzepte oder erneuerbare Erzeugungsanlagen, die an den Rechenzentrumsstandorten selbst oder über PPAs den hohen Strombedarf der Datenzentren CO2-frei decken können.
Dienstleistungen und Daseinsvorsorge

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Die Großen der Branche haben sich über entsprechende Kooperationen oder Servicepakete längst Zugänge zu diesem Wachstumsmarkt – und den damit verbundenen Stromabnahmemengen – gesichert. Da Rechenzentren künftig aber auch jenseits der großen Ballungszentren entstehen werden, ist hier auch Platz für lokale und regionale Akteure. Auch für kleine, kommunale Versorger lohnt es sich definitiv, die Möglichkeiten vor Ort genauer auszuloten.
Andere Versorger und Netzbetreiber nehmen das Heft selbst in die Hand und stellen eigenständig die benötigte Infrastruktur bereit. Dieser Ansatz ist aufwändiger, vermutlich aber auf lange Sicht betriebswirtschaftlich mindestens ebenso sinnvoll wie PV-Anlagen und Wallboxen für Privatkund:innen. Denn das Datenaufkommen in allen Lebensbereichen steigt – und wo wären sensible Daten auf Dauer besser aufgehoben als in der Infrastruktur des Unternehmens, das seit Jahrzehnten die Menschen vor Ort zuverlässig mit Strom, Gas oder Wärme beliefert? (pq)

