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Bremsen, Speichern, Laden

30.09.2022 – Eine Ladeinfrastruktur für E-Busse und -Autos, die Bremsenergie von Straßenbahnen und ausgemusterte Autobatterien nutzt, hat das Ingenieurbüro Fehringer in Köln für die RheinEnergie und die Kölner Verkehrsbetriebe umgesetzt. Im Zentrum steht ein durchdachtes Batterie- und Energiemanagementsystem mit WAGO Automatisierungstechnik.

Auch im öffentlichen Nahverkehr sollen elektrische Antriebe eine klimafreundliche Mobilität ermöglichen. Doch auch bei der Ladeinfrastruktur gibt es zusätzliche Stellschrauben für höhere Effizienz und Nachhaltigkeit. Das zeigt ein Forschungsvorhaben der RheinEnergie AG, der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB AG) und des Automobilherstellers Ford, das vom Bundesverkehrsministerium und dem Projektträger Jülich gefördert wurde. Das praxistaugliche Ergebnis des Projekts unter dem Namen MuLi (Multimodale Lademodul-Integration) ist eine Ladeinfrastruktur, welche die Bremsenergie der einfahrenden Stadtbahnen nutzt, um über einen Lademast Batteriebusse der KVB mit einer Leistung von bis zu 500 kW zu laden und gleichzeitig zwei Ladesäulen für Elek­troautos mit Strom zu versorgen.

Herz der Ladestation: Mittelspannungsschaltraum und Batterieraum

Das „Herz“ der Ladestation ist ein auf den ersten Blick wenig spektakuläres Gebäude, in dem sich ein Mittelspannungsschaltraum und ein Batterieraum befinden. Hier wird der Strom, der aus der Bremsenergie der Stadtbahnen erzeugt wird, in sechs Batterie-Stacks gespeichert und für die Ladung von E-Bussen und Elektrofahrzeugen abgegeben. Die Zwischenspeicherung in Batterien sorgt nicht nur dafür, dass Ladestrom stets in ausreichender Menge verfügbar ist, sondern vermeidet zudem Spannungsschwankungen. Diese würden entstehen, wenn eine Stadtbahn anfährt, während gleichzeitig Straßenfahrzeuge im Schnellladeverfahren geladen werden.

Im Mittelspannungsschaltraum und im Batterieraum wird der Strom, der aus der Bremsenergie der Stadtbahnen erzeugt wird, in sechs Batterie-Stacks gespeichert und für die Ladung von E-Bussen und Elektrofahrzeugen abgegeben. Foto links: Kölner Verkehrs-Betriebe AG ; Foto rechts: Foto: Holger Jacoby/vor-ort-foto.de

Vom Sondermüll zum Zwischenspeicher

Das Besondere: Bei den eingesetzten Batterien handelt es sich um sogenannte Second-Life-Batterien, sprich: ausgemusterte E-Auto-Batterien. Die Ford-Werke haben für das Projekt einen Speicher aus jeweils sechs Einheiten mit 48 Batteriemodulen (à 20 Einzelzellen) zusammengeführt. Jede für sich ist mittlerweile zu schwach, um als Antriebsbatterie eines E-Autos zu dienen, im Zusammenspiel können sie jedoch als Zwischenspeicher für Ladevorgänge genutzt werden. „Wir hauchen diesen Batterien wieder neues Leben ein“, bringt es Nicolaj Fehringer, geschäftsführender Gesellschafter des Dortmunder Ingenieurbüros, auf den Punkt. „Andernfalls wären diese Batterien als umweltbelastender Sondermüll geendet, obwohl sie noch bis zu 80 Prozent ihrer ursprünglichen Kapazität aufweisen.“

Energiemanagementsystem regelt Zusammenspiel

Allerdings hat jede einzelne Batterie, wie Fehringer es ausdrückt, ihre „eigene Geschichte und ihren eigenen Charakter“. Das erschwert den Zusammenschluss der in Reihe geschalteten Second-Life-Batterien zu einem stabilen Energiespeicher. Die Lösung besteht in einem speziell für den Anwendungsfall entwickelten Batteriemanagementsystem: „Das von uns entwickelte Batteriemanagementsystem bringt diese Batterien auf ein gemeinsames Spannungslevel. Dafür wird jede einzelne Batteriespannung gemessen und ausbalanciert“, erklärt Fehringer. Für das funktionale Zusammenspiel aller technischen Komponenten in der Ladeinfrastruktur sorgt das übergeordnete Energiemanagementsystem, welches ebenfalls vom Ingenieurbüro Fehringer neu entwickelt wurde.

Die dafür notwendigen Algorithmen hat ein 8-köpfiges Team des Ingenieurbüros Fehringer in eineinhalb Jahren aufwändiger Entwicklungsarbeit programmiert – auf in Linux speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS) von WAGO. „Genau diese offene und einfache Linux-Programmierbarkeit hat den Ausschlag gegeben, WAGO Technik für die Kommunikation und Regelung zu nutzen“, sagt Nicolaj Fehringer. Sie sei wichtig, „um unser auf Linux basierendes Datenbanksystem an den Energiespeicher anzubinden“.

Mit WAGO PFC200 die Energiedatenflüsse dirigieren

Mit dem WAGO PFC200 werden die Energiedatenflüsse des Energiespeichers der E-Bus-Ladestation dirigiert. Mit der speicherprogrammierbaren Steuerung von WAGO lassen sich nicht nur komplexe Algorithmen und Schnittstellen in klassischer IEC-61131-Programmierung umsetzen, zudem können Entwickler mit offenen Programmiersprachen wie beispielsweise C++, Python oder NodeRed arbeiten oder Funktionen einfach via Docker implementieren. „Wir können damit eine Vielzahl von Schnittstellen adaptieren und die daraus resultierenden Datenflüsse visualisieren, analysieren und verarbeiten“, erläutert Fehringer. Somit entstehe eine Datendrehscheibe, die komplexe Systeme mit einer seit über zwanzig Jahren etablierten Industrie-Hardwareplattform vernetzt. Abgerundet wird das Ganze durch die Möglichkeit, diese Prozesse nutzerfreundlich – beispielsweise in HTML5 oder Grafana dezentral auf dem PFC-Controller – zu visualisieren. Nikolaj Fehringer: „Genau diese gesammelten und aufbereiteten Daten werden uns helfen, das Laden der Busse über das 10kV-Netz bzw. das Batterie- und Energiemanagementsystem noch weiter zu optimieren – je nach Anforderung und Verfügbarkeit.“

„Leuchtturmprojekt für nachhaltige Mobilität“

In diesem komplexen System muss der Strom zweimal gewandelt werden: von Gleichstrom (DC) der Bremsenergie in Wechselstrom (AC) der Batteriespeicher, um im Ladepunkt wieder den Gleichstrom (DC) bereitzustellen, mit dem die E-Busse Strom auftanken können. „Dennoch bleibt der Wirkungsgrad der Elektromobilität größer als der von benzinbetriebenen Fahrzeugen“, ist Nicolaj Fehringer überzeugt.

Hinzu kommt, dass mit der genutzten Bremsenergie eine bisher verschwendete Energiequelle nutzbar gemacht wird und ausgemusterte E-Auto-Batterien ein zweites Leben erhalten. Diese E-Bus-Ladestation mit ihrem innovativen Batterie- und Energiemanagementsystem sei daher ein Leuchtturmprojekt für die nachhaltige Dekarbonisierung des Verkehrs. Genau das bestätigt auch Jeff Witting vom Auftraggeber RheinEnergie AG: „Wir sind begeistert. Diese multimodale E-Bus-Ladestation ist einmalig in Deutschland und steht für Forschung, Innovation, technisches Know-how und Nachhaltigkeit für die Energiewirtschaft.“ (pq)

www.wago.com
www.ibfdo.de