10.09.2024 – Der „Plug and Charge“-Standard verspricht unkomplizierte Ladevorgänge für E-Autos, doch bei vielen AC-Ladekonstellationen funktioniert das Verfahren nicht. Abhilfe kann hier eine Software schaffen, mit der einfache AC-Ladepunkte vorspielen, eine moderne DC-Ladesäule zu sein.
Das Laden von E-Fahrzeugen kann im Alltag nervenaufreibend sein. Mal fällt die Ladesäule ganz aus, mal braucht man eine ganz bestimmte Verbundnetzkarte oder scheitert schlichtweg an der Bedienung der Säule, die je nach Hersteller durchaus unterschiedlich sein kann. Kein Wunder, dass die Idee einer simplen „Plug and Play“-Lösung für alltägliche Ladevorgänge verlockend klingt.
Zwar gibt es bereits voll entwickelte „Plug and Charge“-Lösungen (PnC) am Markt, doch die funktionieren nur dann, wenn sowohl Ladesäule als auch Fahrzeug entsprechend technisch ausgerüstet sind und auf einem hohen Level miteinander kommunizieren. Da sich diese ideale Konstellation noch nicht am Markt durchsetzen konnte, müssen andere Wege gefunden werden, damit das Gros der E-Autofahrer:innen in den Genuss von PnC kommen können. Neben dem vom Leipziger Unternehmen chargebyte entwickelten Ladesäulencontroller Charge Control C – der PnC auch im AC-Bereich normenkonform ermöglicht – kann das Fake-DC in bestimmten Anwendungssituationen helfen.
Laden ist nicht gleich Laden
Um zu verstehen, wo das von chragebyte entwickelte Fake-DC genau ansetzt, sollte vorab kurz auf die Kommunikationsroutinen der Ladetechnik hierzulande geschaut werden. Grundsätzlich gibt es beim Aufladen von E-Autos zwei unterschiedliche Verfahren: mit Wechselstrom (AC) oder mit Gleichstrom (DC). Die meisten Schnellladesäulen greifen auf das DC-Laden zurück, bei dem sich eine komplexe Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladesäule etabliert hat – basierend auf dem ISO/IEC 15118-Standard. Weit verbreiteter sind jedoch die kostengünstigeren AC-betriebenen Wallboxen. Doch beim AC-Ladevorgang ist eine High-Level-Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladepunkt in der Regel noch nicht vorhanden. Infolgedessen steigert sich der Aufwand für die Nutzer:innen, etwa wenn der maximale Ladestrom noch manuell eingestellt werden muss.
Ein Ausweg, die kommunikativen Unzulänglichkeiten beim AC-Laden hinter sich zu lassen, bietet PnC. Dieses ebenfalls auf den ISO/IEC 15118-Standard fußende Verfahren ermöglicht AC-Ladevorgänge, bei denen die PKI-Fahrzeugidentifizierung und die nachfolgende Abrechnung der „getankten“ Strommenge automatisch im Hintergrund abgewickelt werden. Einmal konfiguriert, werden mit dem Einstecken des Ladekabels alle benötigten Informationen übertragen und der Ladevorgang unmittelbar gestartet. Allerdings müssen sowohl E-Auto als auch Ladetechnik speziell für das PnC-Verfahren ausgelegt sein – und an dieser Stelle hapert es noch.
Problemkreis halböffentliche AC-Ladesäule
„Nicht nur, dass viele E-Fahrzeughersteller bei ihren neuen Modellen immer noch auf eine PnC-Konfiguration ab Werk verzichten, auch auf Seiten der Ladeinfrastruktur herrscht beim Thema PnC noch viel Luft nach oben“, stellt Dr. Stefan Nagel, CTO bei chargebyte, fest. Vor allem für Betriebe und Kommunen, die auf dem eigenen Werksgelände oder im Betriebshof häufig nur simple AC-betriebene Ladetechnik einsetzten, könnte das PnC-Verfahren hilfreich sein.
Gerade für die Betreiber halböffentlicher AC-Ladepunkte, die oft mehr oder minder frei zugänglich sind, ist in der Regel eine überprüfbare Ladeberechtigung zwingend notwendig – sonst könnte ja jeder dort sein Fahrzeug laden. Darf nur ein bestimmter Personenkreis an solchen halböffentlichen AC-Ladepunkten laden, die womöglich noch mit einem speziellen Abrechnungsmodell hinterlegt sind, muss eine Identifizierung des Fahrzeuges erfolgen.
Doch ohne PnC wird eine unkomplizierte und schnelle Identifizierung der zum Aufladen berechtigten Fahrzeuge schwierig, da die wirtschaftlich attraktiveren AC-Ladepunkte meistens lediglich einen Low-Level-Informationsaustausch unterstützen. In der Praxis bedeutet dies, dass hier die Fahrzeugidentifizierung oftmals wie bisher über RFID-Karten und -Tags oder mobile Apps erfolgen muss, bevor mit dem Ladevorgang überhaupt gestartet werden kann.
Um gegen diesen Missstand anzugehen, haben die Expert:innen von chargebyte nach alternativen Wegen einer Fahrzeugidentifikation gesucht. Die Herausforderung bestand darin, dass eine Lösung auch für solche Elektroautos geeignet sein müsse, die nicht PnC-fähig sind, beziehungsweise keine High-Level-Kommunikation mit AC- Ladestationen unterstützen.
Freundlicher „Hack“
Den Ansatzpunkt für einen Ausweg aus dem Kommunikationsdilemma fanden die Spezialist:innen im Verbindungsaufbauprozess und den ausgetauschten Daten während des sogenannten „Handshakes“ zwischen E-Auto und AC-Ladesäule. Die in die AC-Ladesäule nachträglich integrierte Softwarelösung namens Fake-DC ermöglicht es, dass auch gängige AC-Ladesäulen die MAC-Adressen der Elektroautos zur eindeutigen Fahrzeugidentifizierung auslesen können. Dadurch müssen sich Fahrzeuglenker:innen nicht mehr manuell identifizieren. Sie stecken das Ladekabel ein, und wenn die ermittelte MAC-Adresse für die Nutzung zugelassen ist, wird der Ladevorgang unmittelbar gestartet – ähnlich wie bei einem Autocharge-Verfahren.
„Strenggenommen handelt es sich bei dieser Lösung um einen Sicherheits-Hack, denn sie weicht von den normierten Standards der Kommunikation zwischen Ladepunkt und E-Auto gemäß IEC 61851 ab“, erläutert Stefan Nagel. Anders als in dieser Norm vorgesehen, signalisiert das in die AC-Ladesäule installierte chargebyte-Feature dem Fahrzeug beim Fake-DC zunächst, dass die Verbindung mit einem DC-Ladepunkt hergestellt sei. Daraufhin versucht das E-Auto, das für das DC-Laden übliche High-Level-TCP-IP-Kommunikationsprotokoll aufzubauen. Sobald diese Verbindung steht, wird die MAC-Adresse des Fahrzeugs an die „manipulierte“ AC-Säule gesendet.
Wird diese MAC-Adresse identifiziert und als gültig erkannt, simuliert die Ladetechnik in der betreffenden Säule einen Kommunikationsfehler und startet den Verbindungsaufbau neu. Dieses Mal gibt sie sich jedoch als AC-Säule zu erkennen und leitet dann ganz normal den AC-Ladevorgang ein. Auf diese Weise kann sich keine unberechtigte Fahrer:in kostenlosen Strom erschleichen. Wird beim ersten Verbindungsaufbau eine Fahrzeug-MAC übertragen, die nicht für die Nutzung freigegeben ist, bricht der gesamte Vorgang ab, ohne dass das Fahrzeug geladen wird.
Wo der Fake an Grenzen stößt
Obwohl Fake-DC eine geschickte Methode für das spezifische Kommunikationsproblem darstellt, ist es nicht in allen Ladesituationen beziehungsweise Ladekonstellationen anwendbar. So geben die Entwickler:innen von chargebyte beispielsweise an, dass eine unberechtigte Aufladung beim Fake-DC theoretisch möglich sei. Hierzu müsste eine unberechtigte Nutzer:in der Fake DC-Ladesäule die MAC-Adresse einer berechtigten Nutzer:in kennen. Anschließend müsste sie ihr Fahrzeug so manipulieren, dass es die MAC-Adresse der berechtigten Ladenutzer:in beim Kommunikationsversuch mit der Ladesäule ausgibt. Allerdings steht der Aufwand für so eine Manipulation der Fahrzeugidentifikation in keinem Verhältnis zu dem Nutzen.
Die Weigerung mancher E-Autos, den Verbindungswiederaufbau zuzulassen, kann den praktischen Einsatz der Fake-DC ebenfalls verhindern. Nicht alle Elektrofahrzeuge erlauben es, nach einem Verbindungsabbruch nahtlos einen neuen Versuch zu starten. Bestimmte Modelle verlangen nach der Fake-DC-simulierten Fehlermeldung, das Ladekabel zu entfernen und erneut einzustecken. In diesem Fall ist Fake-DC nicht mehr nutzbar, da mit dem erneuten Einstecken des Ladekabels anstelle des Ladevorgangs automatisch das erste „Kennenlernen-Handshake“ zwischen Ladesäule und Fahrzeug gestartet wird. Des Weiteren können die E-Autohersteller bei einem Update der Fahrzeugbetriebssoftware bestimmte Maßnahmen treffen, um einen Fake-DC-Ladevorgang zu unterbinden.
Trotz der Einschränkungen liefert das Fake-DC-Feature unterm Strich eine akzeptable Option für Betreiber:innen halböffentlicher und privater AC-Ladesäulen, um einen PnC-angelehnten Ladevorgang anzubieten. Perspektivisch will das Leipziger Unternehmen sein Know-how nutzen, um in Kooperation mit Wallboxherstellern, wie etwa openWB und eCharge, eine Fake-DC- fähige AC-Wallbox für den privaten Heimbedarf zu entwickeln. (cp)