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Elektroauto als Stromspeicher

12.11.2024 – Dass bidirektionales Laden möglich ist, steht in der Theorie außer Frage. Wie genau das Konzept in der Praxis funktioniert und welche geschäftlichen Chancen es bietet, wollen die Hager Group und Audi in einem derzeit laufenden Feldtest herausfinden.

Foto: HagerEnergy GmbH

Selbstproduzierten Strom im Auto „zwischenparken“ und später wieder ins Haus zurückspeisen – was wie Zukunftsmusik klingt, soll mit dem Konzept des bidirektionalen Ladens (BiDi) Realität werden. Mit „Vehicle to Home“ (V2H) wird das Elektroauto zur mobilen Energiebank, die nicht nur auflädt, sondern bei Bedarf auch den Haushalt versorgt.

Im Unterschied zu „Vehicle to Grid“ (V2G), wo überschüssige Energie ins öffentliche Netz eingespeist wird, bleibt der Strom beim V2H im eigenen System. Das bedeutet: Tagsüber gespeicherte Solarenergie kann nachts das Zuhause mit Strom versorgen – oder sogar als Notstromlösung dienen. Dadurch können Hausbesitzer:innen nicht nur ihre Autarkie erhöhen, sondern auch zur Netzstabilität beitragen: Spitzenlasten im Stromnetz lassen sich glätten, indem der Energieverbrauch flexibler gestaltet wird. „So zumindest die Theorie“, sagt Marc Helfter, Direktor für Technische Innovation bei der Hager Group. „Wie praxistauglich die Lösung ist und wie sie in den Alltag integriert werden kann, gilt es herauszufinden.“ Gemeinsam mit Audi hat Hager 2022 einen 37-monatigen Feldversuch gestartet, um das bidirektionale Laden unter realen Bedingungen zu testen. Dabei sollen nicht nur technische Fragen geklärt werden, wie mögliche Optimierungen im Installationsprozess und die Auswirkungen auf die Energieverteilung, sondern auch die Benutzerfreundlichkeit wird getestet.

Zudem spielt die wirtschaftliche Dimension eine wichtige Rolle: Es geht darum, neue Geschäftsmodelle zu erschließen, wie Helfter erklärt. „Um Kunden später gezielt beraten zu können, müssen wir wissen, welche Vorteile das System bietet, für wen es sinnvoll ist und wie viel sich preislich einsparen lässt.“

EDISON Power-Box (Foto: HagerEnergy GmbH)

Erweiterung zum Heimspeicher

Unter der Voraussetzung eines Eigenheims mit Solaranlage (> 6 kWp) und einem festen Autostellplatz (Garage oder Carport) erhielten zehn Teilnehmende, bestehend aus Mitarbeitenden von Hager und dessen Tochter E3/DC, jeweils einen modifizierten und damit BiDi-tauglichen Audi e-tron als Firmenwagen zur Verfügung gestellt. Zusätzlich wurde der E3/DC-Heimspeicher S10 E mit 9,75 kWh Batteriekapazität, eine DC-BiDi-Wallbox sowie eine EDISON Power-Box als Bindeglied zwischen Speicher und Wallbox installiert.

Die Fahrzeugbatterie, deren Speicherkapazität fast zehnmal so groß ist wie die des Heimspeichers, soll in erster Linie dazu dienen, den Heimspeicher zu erweitern und gegebenenfalls das Haus eine Woche lang mit der zwischengespeicherten Energie zu versorgen. Überschüssiger Strom aus der PV-Anlage, der im Haushalt nicht direkt benötigt wird, wird zunächst in der Hausbatterie gespeichert. Ist diese voll, wird die Fahrzeugbatterie geladen. Ist auch das Auto voll, geht der Strom ins Netz. Da alle Komponenten miteinander verbunden sind, könne die Fahrzeugbatterie bei Bedarf aber auch direkt von der Solaranlage geladen werden. Beim Stromverbrauch wird zuerst der PV-Strom genutzt, dann der aus dem Heimspeicher und schließlich die Energie aus der Fahrzeugbatterie. „Der Heimspeicher dient als Puffer, der vom Fahrzeug geladen wird statt direkt von der PV-Anlage“, erklärt Helfter. „So muss das Auto nicht ständig Energie liefern, sondern lädt den Speicher in kurzer Zeit mit hoher Leistung auf und kann danach wieder pausieren.“ Diese von Audi und Hager erfundene Betriebsart, Shift-Mode genannt, soll nicht nur die Fahrzeugelektronik entlasten, sondern auch den maximalen Energiedurchsatz erhöhen.

Eine weitere Besonderheit ist, dass das System die eingespeiste Energie bilanziert. Damit soll vermieden werden, dass teurer, von außen bezogener Ladestrom im Haus genutzt wird.

EDISON Connect (DC-BiDi-Wallbox) (Foto: HagerEnergy GmbH)

Verschiedene Szenarien

Der Vorgang des Be- und Entladens erfolgt automatisch über den im Heimspeicher integrierten Controller. Was die Nutzer:innen jedoch kontrollieren können, ist die maximale Strommenge, die aus ihrem Elektroauto entnommen werden kann bzw. die Menge, die das Fahrzeug immer vorrätig hält, um die Mobilität sicherzustellen. Die Entladegrenze (mindestens 20 Prozent, maximal 45 Prozent Restladung) wird in einer App festgelegt, die gleichzeitig als Monitoring-Tool dient. Diese Maßnahme ist besonders wichtig aufgrund der verschiedenen Versuchsszenarien, wie Helfter erläutert: „Neben den technischen Fragen, wollen wir im Versuch auch klären, wie alltagstauglich das bidirektionale Laden ist. Dafür haben wir Teilnehmende mit unterschiedlichen Verbrauchs- und Ladegewohnheiten ausgewählt. Sie besitzen teils unterschiedlich große Solaranlagen, einige nutzen Wärmepumpen, und ihre Arbeitsgewohnheiten variieren – vom Homeoffice bis hin zu viel Außendienst. Für die meisten ist es außerdem das erste Elektrofahrzeug.“

Zwei Datensätze

Relevante Daten werden einerseits auf Infrastrukturseite, aber auch auf Fahrzeugseite erhoben. So befindet sich ein eigens entwickelter Datenlogger am Speichersystem, der alle Live-Daten an einen zentralen Server im Hager-Innovation Hub in Blieskastel sendet. Wesentlich sind hierbei die verschiedenen Energieflüsse, also wie viel die Solaranlage erzeugt, das Haus verbraucht, die Batterie gespeichert und zurück ins Netz gespeist wurde. Gleichzeitig zeichnet ein Datenlogger im Fahrzeug die notwendigen Informationen auf, darunter Lade- und Entladevorgänge sowie den Zustand der Batterie (State of Health). Beide Datensätze werden kombiniert, um ein umfassendes Bild zu erstellen.

Ebenfalls im Testbetrieb: Eine App, mit der die Teilnehmenden den aktuellen Ladezustand der Fahrzeugbatterie einsehen und ein Limit für die maximale Energieentnahme aus dem Auto festlegen können. (Foto: HagerEnergy GmbH)

Ready für den Alltag?

Bis Juli 2025 läuft das Forschungsprojekt noch, doch erste Erkenntnisse zeichnen sich bereits ab. So zeigt sich, dass das Ladeverhalten der E-Auto-Nutzer angepasst werden muss: Bisher wurde das Fahrzeug meist erst dann an die Wallbox angeschlossen, wenn die Batterie fast leer war. „Um jedoch das volle Potenzial von V2H zu nutzen, muss das Auto ständig angeschlossen sein“, sagt der Hager-Experte. Nur so kann überschüssige Solarenergie tagsüber gespeichert und bei Bedarf ins Hausnetz zurückgespeist werden. Diese Umstellung fiel vielen Teilnehmern nicht leicht.

Auch das individuelle Nutzerverhalten – wie An- und Abwesenheiten, tägliche Fahrleistung – sowie die lokalen Gegebenheiten, etwa die Größe der PV-Anlage, der Verbrauch und die Speicherkapazität, spielen eine zentrale Rolle. Pauschale Aussagen darüber, ob sich bidirektionales Laden lohnt, lassen sich demnach schwer treffen. Je nach Situation ist eine individuelle Beratung notwendig, um das Autarkiepotenzial optimal zu steigern. „Unsere Simulationen haben gezeigt, dass der Nutzen von bidirektionalem Laden saisonalen Schwankungen unterliegt“, erklärt Marc Helfter. Im Winter ist der Vorteil geringer, da der Stromverbrauch hoch und die PV-Erzeugung niedrig ist. Im Sommer bleibt der Hausspeicher oft voll, sodass weniger Energie aus dem Auto entnommen wird. Das größte Optimierungspotenzial bieten die Übergangszeiten im Frühjahr und Herbst. „Das bestätigen auch unsere bisherigen Messungen.“

Grundsätzlich bietet die Technologie Potenzial für weitere Entwicklungen, so Helfter. Er kann sich vorstellen, den Versuch künftig mit einem stärkeren Fokus auf Vehicle to Grid (V2G) fortzusetzen. Auch die zugehörige App könnte weiter ausgebaut werden. „Die Systeme sind technisch bereits in der Lage, mehr zu leisten, doch es bestehen noch regulatorische Hürden“, merkt Helfter abschließend an. (pms)

www.hagergroup.com