20.05.2025 – Ausgemusterte Batterien von Elektrobussen in netzdienliche Batteriegroßspeicher zu überführen, erspart verfrühtes und kostenintensives Recycling. Ein Ansatz, der sich auch für Betreiber anderer E-Fahrzeugflotten in mehrfacher Hinsicht auszahlt.
Jeder kennt es wohl aus seinem Alltag: Mit der Zeit werden die Akkus von Handys & Co in ihrer Leistung immer schwächer, sodass sie ab einem bestimmten Punkt ausgetauscht werden müssen. In den meisten Fällen landen die ausgedienten Akkus dann in den bekannten kleinen Recycling-Sammelboxen des Handels oder bei kommunalen Sammelstellen. Doch was passiert, wenn die großen Batterien von vollelektrischen Bussen ihr Leistungsniveau nicht mehr erreichen können und ausgemustert werden sollen? Sie einfach dem kommunalen Entsorgungsbetrieb überlassen, ist wohl nur unter besonderen Umständen möglich. Stattdessen landen die ausgedienten E-Bus-Batterien oftmals wieder beim OEM, der sie dann dem Recyclingkreislauf übergibt.
E-Busse von Nobina am Charger. (Foto: Nobina Sverige AB)
Doch lassen sich nicht noch andere Verwendungsmöglichkeiten für die großen Batterien aus den Elektrobussen finden, die flexibler, ressourceneffizienter und kostensparender sind? Diese Überlegungen hat die Projektpartnerschaft zwischen dem skandinavischen Busflottenbetreiber Nobina AB und dem Batteriespeicherspezialisten STABL Energy GmbH zugrunde gelegt, um hieraus einen innovativen Lösungsansatz zu entwickeln. Ihr Vorhaben: Die ausgemusterten Batterien aus der eigenen Elektrobusflotte von Nobina sollen zu Batteriegroßspeichersystemen verbaut werden, anstatt sie einem zu frühen und teils kostenintensiven Recycling zurückzuführen. Nach ihrer Fertigstellung werden diese Großspeicher an mehreren Standorten von Nobina zum Einsatz kommen und vom Unternehmen zur Netzunterstützung betrieben – wobei etwaige Stromüberschüsse zusätzlich für den Spotmarkteinsatz vorgesehen sind.
Aus dem E-Bus in den Großspeicher
Das Pilotprojekt läuft in mehreren Phasen. Aktuell arbeiten die Beteiligten daran erste Traktionsbatterien aus den BYD-Elektro-Bussen der Nobina-Flotte auszubauen, sobald deren Ladekapazität unter die Toleranzschwelle von 70 bis 80 Prozent fällt und sie somit nicht mehr effizient genug arbeiten. Die ausgebauten Batteriemodule und Batteriepacks gehen daraufhin in die Aufbereitung. Anschließend werden diese Elemente zu einem Second-Life-Batteriecontainer aufgebaut, der nach Angaben von STABL Energy eine Leistung von 405 Megawatt (MW) bei mehr als 1 MWh Kapazität besitzen wird. „Wir gehen davon aus, dass wir im Herbst tatsächlich den ersten Demonstrator für Nobina fertiggestellt und vor Ort in Schweden am Netz haben werden,“ prognostiziert Sabrina Wurzer, Head of Marketing & Communication bei STABL Energy.
Eine gemeinsame Sprache sprechen
Die Wechselrichtertechnologie von STABL Energy vereinfacht den Aufbau von Stromspeichern: Statt die Module statisch miteinander zu verschalten, werden sie durch die STABL-Module dynamisch miteinander verschaltet. Durch diesen Ansatz wird der zentrale Wechselrichter überflüssig. (Foto: STABL Energy GmbH)
Um die aufgearbeiteten Batteriemodule und Batteriepacks zu einer funktionsfähigen Großspeichereinheit zusammenzuschalten, kommen die von STABL Energy speziell entwickelten modularen Multilevel-Wechselrichter zum Einsatz. Diese ermöglichen es, verschiedene Typen und Modelle von E-Fahrzeugbatterien – die oftmals ganz unterschiedliche State-of-Health-Stadien aufweisen – zu einem einzigen Speichersystem zusammenzusetzten. „Statt die Batteriemodule statisch miteinander zu verschalten, werden sie durch unsere STABL Leistungselektronik dynamisch miteinander verschaltet. So können auch Module unterschiedlichen Zustands in einem Speicher verbaut werden. Unsere Aufsteckmodule können die Batteriemodule während des Betriebs vermessen und die Daten automatisiert speichern. Damit generieren wir Echtzeitdaten zum Gesundheitszustand, Temperatur, Strom und Spannung des jeweiligen Batteriemoduls“, erklärt Dr. Nam Truong, CEO & Co-Founder von STABL Energy.
Durch die intelligente Vernetzung der verschiedenen Batteriemodule ist das System in der Lage auftretende Batterieschwächen auszugleichen. Wenn ein einzelnes Batteriemodul beispielsweise funktionsunfähig oder zu schwach wird, kann der gesamte Batteriespeicher immer noch normal weiterlaufen – die Technikteams müssen lediglich das fehlerhafte Modul entnehmen und durch ein funktionsfähiges Bauteil ersetzen.
Für den Informationsfluss werden die gesammelten Daten der einzelnen STABL-Module in die Cloud gesendet und von dort aus in ein Monitoring-System übertragen. Das System ermöglicht neben der Zustandsanalyse auch die Remote-Wartung und manuelle Regelung der Speichersysteme.
Vom Speicher zurück ans Netz
Der erste in der Projektpartnerschaft fertiggestellte Batteriegroßspeicher wird seinen Dienst am Nobina-Unternehmensstandort im schwedischen Solna verrichten. Dort soll der Großspeicher ans örtliche Verteilnetz mit dem Ziel angeschlossen werden, das lokale Netz zu stabilisieren. Zudem will der skandinavische Busbetreiber den überschüssigen Strom aus dem Speichersystem, den sie nicht selbst verbrauchen, am Energiespotmarkt handeln – und so eine zusätzliche Einnahmequelle generieren. Solche Mehreinnahmen lassen sich beispielsweise dafür verwenden, um die bereits getätigten Investitionskosten für die Elektrobusse im Nachgang zu senken – indem die teuren E-Busbatterien durch die Second-Life-Nutzung in den Batteriegroßspeichern weiterhin produktiv im Einsatz bleiben.
Doch auch im Hinblick auf Nachhaltigkeitsaspekte liefert das Projekt Ergebnisse, wie Nam Truong zu bedenken gibt: „Wir sehen großes Potenzial für Nobina, die Lebensdauer der Batterien durch stationäre Speicheranwendungen zu verlängern, wenn sie nicht mehr für den Einsatz im Fahrzeug geeignet sind. Das stellt eine ressourceneffiziente Alternative zum teuren Recycling dar, bei dem die Batterien aus unserer Sicht viel zu früh dem Kreislauf wieder entnommen werden. Die ressourceneffiziente Nutzung der Batterien durch den Second-Life-Ansatz ist auch aus geopolitischer Sicht von immenser strategischer Bedeutung für Europa, weil wir dadurch die Kreislaufwirtschaft stärken und die Abhängigkeit von außereuropäischen Ressourcen verringern.”
Blaupause für Flottenbetreiber
Der Second-Life-Batteriegroßspeicher kann auch in einem lokalen Microgrid zum Einsatz kommen – zum Beispiel, wenn ein Flottenbetreiber wie Nobina die Speicherkapazitäten für den eigenen Ladebetrieb nutzen will. Generell lässt sich der Lösungsansatz aus dem Pilotprojekt in seinen Grundzügen auf alle E-Fahrzeugflotten übertragen. So hat STABL Energy bereits Second-Life-Großspeicher aus gängigen E-Auto-Batterien konstruiert und ans Netz gebracht. Damit spricht technisch nichts dagegen, auch „altersschwache“ Batterien aus E-Auto-Flottenfahrzeugen zu Second-Life-Speichern umzuwandeln und diese Speicher den betreffenden Flottenbetreibern zu überlassen. Aktuell arbeitet der Münchener Batteriespezialist daran, Batterien aus großen Nutzfahrzeugen wie etwa E-LKW in ihre Großspeicherlösung zu integrieren.
„Mit Voranschreiten der E-Mobilität sehen wir ein großes Potenzial für unsere Lösung. Wir reden in diesem Zusammenhang nicht bloß über E-Bus-Flottenbetreiber, sondern auch über Logistik- und Speditionsunternehmen oder andere E-Autoflottenbesitzer, die eine nachhaltige Lösung bevorzugen. Der Second-Life-Ansatz ist die wirtschaftliche Alternative zum aktuellen Recycling-Prozess, der bis heute vielfach unattraktiv und teuer ist, wenn man alle damit verbundenen Prozesse berücksichtigt. Abgesehen davon, dass bei der Herstellung von Batterien bereits Treibhausgasemissionen freigesetzt wurden, stellen Anwendungen für die zweite Lebensphase sicher, dass die Batterien bis zu ihrem tatsächlichen Lebensende und bei vollständiger Nutzung zur Reduzierung weiterer CO2-Emissionen beitragen“, ist sich Sabrina Wurzer sicher. (cp)