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Die Speicherkugel

06.11.2024 – Das Fraunhofer IEE testet vor der kalifornischen Küste einen innovativen Unterwasser-Energiespeicher, der das Prinzip der klassischen Pumpspeicher-Kraftwerke auf den Meeresgrund überträgt. Dabei ist die Grundidee des am Meeresgrund verankerten Beton-Kugelspeichers simpel: Die hohle Kugel bekommt oben eine Öffnung, in der eine Unterwasser-Pumpturbine in ein Rohr eingelassen wird. Wird ein Ventil an der Kugelöffnung geöffnet, strömt Meerwasser durch das Rohr in die Kugel hinein. Aufgrund des Wasserdrucks läuft die integrierte Pumpe dabei rückwärts und arbeitet als Turbine – wodurch Strom erzeugt wird. Damit wird der Kugelspeicher entladen und der Strom dem Netz zugeführt, indem ein Unterwasserkabel die Verbindung zum Stromnetz an Land oder zu einer schwimmenden Transformator-Station eines Offshore-Windparks herstellt. Soll elektrische Energie im Kugelspeicher gespeichert werden, pumpt die Motorpumpe das Wasser gegen den Druck des umgebenden Meerwassers wieder aus der Kugel. Anschließend kann der Zyklus erneut beginnen und Meerwasser bei Bedarf durch die Turbine geleitet werden. 

Der Ladevorgang: Mithilfe einer elektrisch angetriebenen Pumpturbine wird das Wasser aus der Kugel herausgepumpt. Zum Entladen der Kugel strömt das Wasser zurück in die leere Kugel, wodurch die Pumpturbine rückwärtslaufend als Turbine betrieben wird und über einen Generator Strom erzeugt. (Bild: Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE)

Der Ladevorgang: Mithilfe einer elektrisch angetriebenen Pumpturbine wird das Wasser aus der Kugel herausgepumpt. Zum Entladen der Kugel strömt das Wasser zurück in die leere Kugel, wodurch die Pumpturbine rückwärtslaufend als Turbine betrieben wird und über einen Generator Strom erzeugt. (Bild: Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE)

„Für das Speichern von Strom über mehrere Stunden bis einige Tage hinweg eignen sich Pumpspeicher-Kraftwerke besonders gut. Allerdings ist deren Ausbaupotenzial weltweit stark begrenzt. Daher übertragen wir ihr Funktionsprinzip auf den Meeresgrund – die naturräumlichen und ökologischen Restriktionen sind dort weit geringer. Zudem dürfte die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger deutlich höher sein“, erläutert Dr. Bernhard Ernst, Senior Projekt Manager beim Fraunhofer IEE, Hintergründe des Kugelspeicherprojekts.  

Testlauf vor kalifornischer Küste 

Gemeinsam mit seinen Partnerunternehmen, dem US-amerikanischen Start-up Sperra und Pleuger Industries, bereitet das Fraunhofer-IEE einen Testlauf des Beton-Kugelspeicher-Projekts „StEnSea“ vor. Als Standort des Speichers haben die Partner ein küstennahes Gebiet vor Long Beach bei Los Angeles ausgewählt. Für den Test verankern sie vor der kalifornischen Küste einen hohlen, 400 Tonnen schweren Betonkugelspeicher mit neun Metern Durchmesser in 500 bis 600 Metern Meerestiefe. Die Leistung dieses Prototyps, der spätestens Ende 2026 in Betrieb gehen soll, beträgt 0,5 Megawatt – bei einer Kapazität von 0,4 Megawattstunden.  

Das Modell zeigt die Installation der Kugeln im tiefen Wasser in Kombination mit schwimmenden Windkraftanlagen. (Bild: Sperra)

Das Modell zeigt die Installation der Kugeln im tiefen Wasser in Kombination mit schwimmenden Windkraftanlagen. (Bild: Sperra)

Ideale Wassertiefen  

Physikalisch hängen die Kapazität und die Leistung der Kugelspeicher vor allem von zwei Faktoren ab: vom Volumen der Kugeln sowie von der Wassersäule, die auf ihnen lastet. Die Fachleute des Fraunhofer IEE haben errechnet, dass Wassertiefen von 600 bis 800 Metern aus wirtschaftlicher Perspektive ideale Standorte darstellen. Denn dort stehen Parameter wie der Druck, das nötige Kugelgewicht und die erforderliche Wandstärke in optimalem Verhältnis zueinander. Zudem kann man in dieser Tiefe noch konventionelle Unterwasser-Motorpumpen einsetzen und auf hochfesten Spezialbeton verzichten.  

Mögliche Standorte für StEnSea-Kugelspeicher in dieser Wassertiefe sind mehr als genug vorhanden, wie eine GIS-Analyse der küstennahen Meeresgebiete zeigt. Dabei hat das Fraunhofer IEE Parameter wie die Bodenneigung, Strömung, Sedimentverschiebung oder die Entfernung zum Land berücksichtigt. Die Technologie eignet sich unter gewissen Umständen ebenfalls für tiefe natürliche oder künstliche Seen, beispielsweise für geflutete ehemalige Tagebaugebiete. 

Immenses Potenzial 

Das globale Speicherpotenzial der Beton-Kugelspeichertechnologie liegt nach Berechnungen der Forscher:innen des IEE bei insgesamt 817.000 Gigawattstunden. Zum Vergleich: Die Kapazität der bestehenden deutschen konventionellen Pumpspeicher-Kraftwerke an Land beträgt gerade einmal knapp 40 Gigawattstunden. Die Speicherkosten des Systems gibt das IEE mit rund 4,6 Cent pro Kilowattstunde an, die Investitionskosten mit 1.354 Euro pro Kilowatt Leistung und 158 Euro pro Kilowattstunde Kapazität. Die Lebensdauer einer Betonkugel soll bei 50 bis 60 Jahren liegen, wobei Pumpturbine und Generator alle 20 Jahre getauscht werden müssen. Die StEnSea-Kugelspeicher eignen sich vor allem für zwei Geschäftsmodelle: zum einen für Arbitrage-Geschäfte, also den Kauf von Strom bei niedrigen und den Verkauf bei hohen Börsenpreisen – und zum anderen für die Bereitstellung von Regelreserven. 

Ein älterer Feldversuch mit einer kleineren Drei-Meter-Kugel im Bodensee. (Bild: Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE)

Ein älterer Feldversuch mit einer kleineren Drei-Meter-Kugel im Bodensee. (Bild: Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE)

Perspektive: 30-Meter-Kugel  

Ein weiteres Ziel des Testlaufs vor der kalifornischen Küste besteht darin, alle Arbeitsschritte entlang der Herstellung, der Installation, dem Betrieb und der Wartung im Hinblick auf die angestrebte Größe der Kugel – ein Durchmesser von 30 Metern – zu untersuchen. So wollen die Projektpartner überprüfen, ob und wie sich die im Probelauf generierten Erkenntnisse auf eine 30-Meter-Betonkugel übertragen lassen. 

„Mit der globalen Energiewende wird der Speicherbedarf in den nächsten Jahren enorm zunehmen“, prognostiziert Bernhard Ernst und führt weiter aus: „Mit dem StEnSea-Kugelspeicher haben wir eine kostengünstige Technologie entwickelt, die sich vor allem für das Speichern über kurze bis mittlere Zeiträume bestens eignet. Mit dem Testlauf vor der US-Küste machen wir einen großen Schritt zur Skalierung und Kommerzialisierung dieses Speicherkonzeptes.“ (cp) 

www.iee.fraunhofer.de