03.04.2023 – Geeignete Grundstücksflächen für Solar- und Windkraftanlagen werden knapper und sind inzwischen umkämpft. Dabei wird teilweise mit harten Bandagen agiert, wie Dr. Sebastian Baum, Experte für Real Estate der Kanzlei Watson Farley & Williams beobachtet.
Herr Dr. Baum, Sie konstatieren bei einzelnen Projektentwicklern und Investoren ein regelrechtes Ringen um Flächen. Was genau meinen Sie damit?
Dr. Sebastian Baum: Projektentwickler und Investoren von Windkraft- und PV-Projekten liefern sich einen harten Wettbewerb. Das bezieht sich nicht nur auf freie Flächen, sondern auch auf solche, die eigentlich durch langfristige Nutzungsverträge gesichert sind. So bietet man etwa Grundstückseigentümern Prämien dafür an, dass sie seit Jahren laufende Nutzungsverträge mit Bestandsbetreibern kündigen. Auch werden Nutzungsverträge auf Schwachstellen geprüft, die eine vorzeitige Kündigung ermöglichen könnten.
Welche Schwachstellen in den Nutzungsverträgen sind hier gemeint?
Das betrifft Unschärfen des deutschen Gewerbemietrechts. Viele Nutzungsverträge für Wind- und Solaranlagen, die um die Jahrtausendwende geschlossenen wurden, entsprechen nicht der aktuellen Rechtsprechung zu § 550 BGB. Wenn im Vertrag beispielsweise eine Laufzeit von 20 Jahren nach Baubeginn angegeben ist, der konkrete Startzeitpunkt aber nicht genannt ist, kann bereits ein Schriftformmangel vorliegen.
Auch die Vergütungsklauseln enthalten häufig rechtliche Schwachstellen. In manchen Verträgen ist beispielsweise nicht genau bestimmt, was mit „Prozent der Einspeiseerlöse“ gemeint ist. Problematisch sind hierbei die unklare Berechnungsgrundlage sowie Nachträge oder Veränderungen im Vertrag, die nicht immer komplett rechtssicher nachgehalten wurden. Diese beiden Aspekte – Laufzeitregelung und Entgeltregelung – sind oftmals nicht so klar formuliert, wie es die Rechtsprechung fordert. Das kann in der Folge zur ordentlichen Kündigung führen.
Ihre Mandanten berichten sogar von bewusster Irreführung…
Das trifft zu. Konkret soll erreicht werden, dass die Grundstückseigentümer:innen noch während der Laufzeit der Bestandsverträge neue (Repowering-)Nutzungsverträge abschließen. Dabei werden vermeintliche Absprachen zwischen „neuen“ und „alten“ Betreibern von EE-Anlagen vorgespiegelt. Ein Beispiel: Windparkbetreiber A betreibt seit 2007 einen Windpark. Der Vertrieb von Windparkbetreiber oder Projektentwickler B kontaktiert die Grundstückseigentümer:innen und behauptet, dass die Windanlagen von Betreiber A im Jahr 2026/2027 aus der EEG-Förderung herausfallen und dieser daher den Windpark nicht weiterbetreiben werde.
Gleichzeitig legt Projektentwickler B einen Vertrag für das Repowering des Windparks von Betreiber A vor. Die Eigentümer:innen unterzeichnen den neuen Nutzungsvertrag, ohne zu berücksichtigen, dass die bestehenden Verträge eine Laufzeit von 30 Jahren haben. Wenn Windparkbetreiber A später ebenfalls mit einem Repowering-Angebot auf die Eigentümer:innen zukommt, erfährt er jedoch von den neuen Nutzungsverträgen.
Und wie geht es dann weiter?
Diese Konstellation lässt sich schwer auflösen. Hierbei handelt es sich um arglistige Täuschung. Und diese Konflikte verschlimmern sich, wenn Betreiber B behaupten kann, dass in den Altverträgen einige Schriftformmängel vorliegen, die wie erwähnt eine ordentliche Kündigung nach sich ziehen können. So überlagern sich die beiden Themen. Im Ergebnis verzögert sich das eigentlich wünschenswerte Repowering möglicherweise um Jahre.
Welche Regelungen würden Sie treffen, damit für alle Beteiligten Rechtssicherheit herrscht?
Wir bräuchten eine Regelung, wonach langfristige Infrastrukturprojekte dann als schriftformwirksam abgeschlossen gelten, wenn folgende notwendige Mindestinhalte in einem Vertrag festgelegt sind: Es gibt eine feste Laufzeit, das Flurstück ist ordentlich benannt und eine dingliche Sicherung in das Grundbuch eingetragen. Letzteres erfolgt fast immer über die beschränkte persönliche Dienstbarkeit und Vormerkung. Wenn die Vertragsparteien diese Mindestinhalte geregelt haben, sehe ich keinen Grund mehr, Verträge vorzeitig zu kündigen. Da ein entsprechendes BGH-Urteil nicht abzusehen ist, sollte der Gesetzgeber eine entsprechende Sonderregelung für große Infrastrukturvorhaben erwirken. Bei Millioneninvestitionen wie Windparks wäre Rechtssicherheit dringend geboten. (ds)