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Fusionsenergie: Nach dem Vorbild der Sonne

29.03.2022 – Das Startup Focused Energy will unerschöpflich klimafreundliche Energie herstellen. Mittels laserinduzierter Trägheitsfusion sollen die Prozesse der Kernfusion für die Stromgewinnung nutzbar gemacht werden.

Wie gelangt die Sonne eigentlich zu ihrer Energie? Die Antwort lautet Kernfusion. Hierbei verschmelzen zwei sehr leichte, gleich geladene Wasserstoffatomkerne zu einem schwereren. Im Zuge dieses Prozesses werden große Mengen an Energie freigesetzt, die unseren Planeten nicht nur beleuchten, sondern auch erwärmen. Könnte man diesen Prozess nun auf der Erde nachbilden, stünde uns ausreichend klimafreundlich produzierte Energie zur Verfügung, um den stetig steigenden globalen Energiebedarf decken zu können. Weil bei der Kernfusion im Wesentlichen Wasserstoff zu Helium umgesetzt wird, gilt das Verfahren in der Theorie als vergleichsweise umweltfreundlich. Es fallen zudem deutlich geringere sowie schwächer strahlende Mengen radioaktiven Abfalls als in einem gängigen Kernkraftwerk an. Außerdem besteht keine Gefahr einer unkontrollierten Kernschmelze.

Sonne Eruptionen

Foto: Color4260/shutterstock.com

Meilenstein der Fusionsforschung

Zielkammer Plasmawind NIF

Zeitrafferaufnahme aus der NIF-Zielkammer einer Röntgenquelle, die einen Plasmawind auf Testobjekten mit systemgenerierten elektromagnetischen Impulsen erzeugt. Foto: Lawrence Livermore National Laboratory

Allerdings existiert noch kein Fusionsreaktor, der mehr Energie erzeugt als er selbst verbraucht. Im Sommer 2021 vermeldeten Wissenschaftler von der National Ignition Facility (NIF) am Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) in Kalifornien immerhin einen wichtigen Erfolg bei ihren Versuchen, mit Kernfusion Energie zu gewinnen: Erstmals war es gelungen, rund 70 Prozent der Energie freizusetzen, die man aufwenden musste, um die Kernfusion in Gang zu setzen. Den eingesetzten 1,9 Megajoule für den Laser standen 1,3 Megajoule freigesetzter Energie gegenüber. In den letzten Jahren hatten die Forscher gerade einmal drei Prozent der eingesetzten Energie zurückerhalten. An der NIF werden die Hitze und der Druck, die zur Kernverschmelzung notwendig sind, durch einen hochenergetischen Laserblitz erzeugt. Die Methode bezeichnet man als laserinduzierte Fusionsenergie (IFE), welche auf dem Prinzip der Trägheitsfusion beruht.

Was ist Trägheitsfusion?

Um Trägheitsfusion zu verstehen, ist es zunächst ratsam das Prinzip der Kernfusion näher zu beleuchten. Bei der Kernfusion verschmelzen zwei leichte Wasserstoffkerne zu einem schwereren Heliumkern. Dabei wird über eine Million Mal mehr Energie frei, als bei der Verbrennung fossiler Energieträger. Die Schwierigkeit liegt hier darin, die notwendigen Bedingungen für die Reaktion bereitzustellen, denn um die beiden Kerne nahe genug zusammen zu bringen, werden Temperaturen von mehreren Millionen Grad benötigt. Demnach muss zunächst eine ausreichend große Menge Energie für die Zündung aufgewendet werden, um die Fusionsreaktion an einer Stelle in Gang zu bringen, sodass im Optimalfall eine selbstgetriebene Kettenreaktion angestoßen wird, die die Fusion am Brennen hält. So geschieht es beispielsweise in der Sonne in deren Inneren Temperaturen von etwa 15 Millionen Grad und ein immenser Druck herrschen. Damit die Kernfusion gelingt, braucht es neben hohen Temperaturen entweder ein Plasma – ein Aggregatzustand, der entsteht, wenn man Gasen weiter Energie zuführt – mit sehr hoher Dichte oder etwa eine sehr lange Einschlusszeit des Plasmas, damit die Teilchen länger die Möglichkeit haben, aufeinander zu treffen. Sowohl die hohe Plasmadichte als auch die lange Einschlusszeit sind jedoch schwierig zu realisieren. In der Forschung gibt es verschiedene Ansätze, diese Herausforderung zu bewältigen.

Laserinduzierte Trägheitsfusion

Einer dieser Ansätze ist die laserinduzierte Trägheitsfusion. Hierbei wird das Plasma nur für eine kurze Zeitspanne eingeschlossen, es wird aber eine sehr hohe Plasmadichte erreicht. Der Ansatz der Energieproduktion durch Trägheitsfusion basiert auf modernster Lasertechnik und der Verwendung von besonderen Targets. Diese sogenannten Targets sind Kugeln von etwa einem Millimeter Größe. Im Inneren der Kugeln befinden sich wenige Milligramm des Fusionsbrennstoffs, zum Beispiel eine Mischung aus Deuterium (2H) und Tritium (3H) – zwei Wasserstoffisotope mit einem bzw. mit zwei Neutronen im Kern.

Laserinduzierte-Traegheitsfusion-Grafik


Bei der laserinduzierten Trägheitsfusion wird ein Target gefüllt mit Fusionsbrennstoff mittels eines Kompressionslasers (hier in grauen Pfeilen dargestellt) beschossen. Grafik: Focused Energy GmbH

Das Brennstoff-Target wird mithilfe eines Kompressionslasers beschossen. Der Brennstoff wird dabei innerhalb von Nanosekunden durch die schnelle Energiezufuhr verdichtet und aufgeheizt. Beim Erhitzen beginnt die äußere Schicht des Targets, meist eine speziell für diesen Zweck aufgebrachte dünne Kunststoffschicht, zu verdampfen und stößt sich dabei vom verbleibenden Brennstoff im Target ab. Durch die Abstoßung der Teilchen im Target voneinander wird der verbleibende Brennstoff konzentrisch zusammengedrückt, es kommt zur Zündung und die Atomkerne fusionieren.

Dieser Prozess setzt eine Energie frei, welche das Target wieder auseinanderdrücken und der Fusion entgegenwirken würde. Hier kommt die Trägheit des Treibstoffs ins Spiel, die dieser Methode ihren Namen verleiht. Die Trägheit der Masse sorgt nämlich dafür, dass das Innere des Targets ausreichend lange zusammengehalten wird, bis die Fusions-Reaktion einmal komplett durch den Brennstoff gewandert ist. Mit der Fusionsenergie wird Wasserdampf erzeugt, der eine Turbine antreibt, die klimafreundlichen Strom produziert und ins Netz einspeist. Um diese Technologie jedoch kommerziell nutzbar zu machen, müssen pro Sekunde viele solcher Targets verbrannt werden.

Kommerzielle Nutzung von Fusionsenergie

Dieser Herausforderung hat sich das in Darmstadt und Austin (Texas) ansässige Unternehmen Focused Energy angenommen. Sowohl Prof. Dr. Todd Ditmire als auch Prof. Dr. Markus Roth, zwei der Gründer von Focused Energy, begannen ihre Karriere vor mehr als 20 Jahren am LLNL, wo sie an der Entwicklung von hochintensiven Lasern arbeiteten. „Seit unserer Zeit am LLNL arbeiten wir auf dem Gebiet der Laserfusion, untersuchen Wege zur kommerziellen Nutzung von Fusionsenergie und untersuchen federführend den Prozess der schnellen Zündung mit Protonenstrahlen in der Fusionsenergie, ein neuartiges Konzept, das unser Unternehmen Focused Energy in enger Zusammenarbeit mit der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft entwickelt“, schildert Prof. Roth.

Zielkammer NIF

Das Innere der Zielkammer in der National Ignition Facility: Links ist das Servicemodul für die Techniker zu sehen. Der sogenannte Zielpositionierer, der das Ziel hält, befindet sich rechts. Foto: Lawrence Livermore National Laboratory

Kraft der zwei Laser

Focused Energy nutzt eine von Prof. Roth erfundene Methode, bei der mithilfe eines zweiten Lasers Protonen beschleunigt werden, die dann einen komprimierten Fusionsbrennstoff zur Zündung bringen, wobei Energie frei wird. Dieser Prozess wird Proton Fast Ignition (PFI) genannt. Focused Energy macht sich hier PFI zunutze, um eine Zündung zu erzielen, bei der weniger Druck auf die Teilchen ausgeübt werden muss. Dies geschieht, indem die Prozesse der Kompression der Teilchen und die Zündung voneinander abgekoppelt werden, und zwar mithilfe von Protonen bzw. beschleunigten Ionen. Diese wirken wie eine Art Zündkerze, etwa vergleichbar mit dem Mechanismus in einem benzinbetriebenen Motor. Hierzu wird ein sogenannter Konus hinzugezogen, der eine dünne Folie enthält. Das Target wird ebenfalls mithilfe von Lasern zuerst komprimiert, wobei der schwierigste Schritt bis zur Zündung ausgelassen wird. Stattdessen wird ein zweiter Laser verwendet, der Protonen von einer dünnen Folie beschleunigt. Diese beschleunigten Protonen treffen auf das komprimierte Target, heizen dort den Brennstoff auf, indem sie ihre Bewegungsenergie abgeben und lösen somit die Zündung aus. Ziel ist es, dabei bis zu 100-mal mehr Energie freizusetzen als mit den Lasern eingesetzt wurde.

Plasma-Instabilitäten minimieren

Durch die Nutzung des PFI-Ansatzes soll die Kompression des Plasmas signifikant erleichtert werden. Somit können Plasma-Instabilitäten minimiert werden, da weniger hohe Temperaturen erreicht werden müssen. Die Energie, die eingangs aufgewendet werden muss, um eine selbstgetriebene Kettenreaktion in Gang zu setzen, betrüge damit nur noch etwa 500 bis 750 Kilojoule. Das ist nur etwa ein Viertel der Energie, die das NIF für ihren bislang erfolgreichsten Versuch im August 2021 aufbringen musste. Focused Energy hat sich als Ziel gesetzt, etwa den zweihundertfachen Energiegewinn zu erreichen, den das NIF zuletzt erreichte.

In den kommenden vier Jahren will das Start-up eine erste experimentelle Testanlage in Betrieb nehmen. Die erste Testanlage soll bereits demnächst in Darmstadt eröffnet werden und in zwei Jahren dann eine größere in Austin folgen. Ein erster Demonstrationsreaktor soll bis 2028 fertiggestellt werden. Diese Testanlage soll auch als Prototyp für einen kommerziellen Reaktor dienen, der Strom produziert und im darauffolgenden Jahrzehnt entstehen soll. Ob Focused Energy dann unerschöpflich saubere Energie wirtschaftlich erzeugen kann, steht noch in den Sternen. (ds)

Focused Energy GmbH
Thomas Forner
info@focused-energy.world
www.focused-energy.world