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Studie: Agri-PV könnte drei AKW ersetzen

28.09.2022 – Das Konzept der Agri-Photovoltaik sieht vor, auf landwirtschaftlichen Flächen gleichzeitig Nahrungsmittel und Solarstrom zu erzeugen. Dabei werden Solarmodule auf hohe Stelzen montiert, daneben und darunter kann weiterhin Landwirtschaft betrieben werden. So wird die Strom-Produktion auf einem Teil der Betriebsflächen zu einer Zusatzeinnahme für Agrarbetriebe.

Berechnungen der Universität Hohenheim und des Thünen-Instituts zeigen, dass zehn Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe, die besonders gute Voraussetzungen mitbringen, rund neun Prozent des deutschen Strombedarfs abdecken könnten. Jun.-Prof. Dr. Arndt Feuerbacher vom Fachgebiet ökonomisch-ökologische Politikmodellierung in Hohenheim ist überzeugt: „Dadurch könnten rein rechnerisch drei Atomkraftwerke (AKW) ersetzt werden. Denn die dadurch produzierte jährliche Strommenge von 51 Terrawattstunden entspricht in etwa der dreifachen jährlichen Stromproduktion des Atomkraftwerks Isar 2 in Bayern.“

Agri-Photovoltaik: weniger als ein Prozent der deutschen Ackerfläche ausreichend

Für die Agri-Photovoltaikanlagen ist weniger als ein Prozent der deutschen Ackerfläche ausreichend, nämlich 0,7 Prozent – was rund 85.000 ha Ackerland entspreche. Diese Fläche ist für die Landwirtschaft nicht verloren: Doch der grüne Strom vom Acker hat seinen Preis: Damit sich die Anlagen rentieren, müsste er mit 8,3 Cent/kWh vergütet werden.

Noch ist die Agri-Photovoltaik eine junge Technologie, und die Stromentstehungskosten fallen höher aus als bei vergleichbaren Photovoltaik-Freiflächenanlagen. „Würden jedoch anstatt der Agri-Photovoltaik die üblichen Freiflächenanlagen gebaut, würde man der landwirtschaftlichen Produktion schätzungsweise 65.000 ha Ackerland entziehen, um dieselbe Menge an Strom zu produzieren“, erläutert Dr. Alexander Gocht vom Thünen-Institut.

Allerdings zeigt die Studie auch, dass durch eine Förderung der Agri-Photovoltaik in diesem Umfang auch volkswirtschaftliche Mehrkosten von jährlich 1,2 Milliarden Euro entstehen würden. Diese ergeben sich durch die Montage der Solarpaneele auf Stelzen sowie Ertragseinbußen und andere Kosten bei der gemeinsamen Bewirtschaftung der Flächen.

Agri Photovoltaik

Grüner Strom von Acker. Foto: Universität Hohenheim / Arndt Feuerbacher

Wichtigste Einflussfaktoren: Jährliche Sonneneinstrahlung und Investitionskosten

Für ihre Schätzung nutzten die Wissenschaftler einen repräsentativen Datensatz für landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland, um die standort- und betriebsspezifische Wirtschaftlichkeit einer Agri-Photovoltaikanlage zu ermitteln. Die Forschenden berücksichtigten dabei sowohl Effekte, die sich aus der Größe der Anlagen ergeben, als auch regionale Unterschiede in der Sonneneinstrahlung und betriebsspezifische Besonderheiten.

Ihre Ergebnisse zeigen, dass die jährliche Sonneneinstrahlung und die Investitionskosten die wichtigsten Einflussfaktoren sind. Vor allem Betriebe, die über eine große Ackerfläche verfügen, hätten einen Größenvorteil. Dies sei vor allem in Ostdeutschland bei spezialisierten Ackerbaubetrieben der Fall. Die Kosten für Bau, Wartung und Instandhaltung der Agri-Photovoltaikanlagen würden bei ihnen vergleichsweise wenig zu Buche schlagen.

In vielen südlichen und westlichen Regionen hingegen findet man eher kleine Betriebsgrößen, was die Fläche des Ackerlandes angeht. Dies geht einher mit kleinen Agri-Photovoltaik-Systemen und führt zu höheren Investitions- und Wartungskosten. Diese Betriebe hätten jedoch einen anderen Vorteil: Aufgrund der höheren jährlichen Sonneneinstrahlung in Süddeutschland sind sie begünstigt.

Agri-Photovoltaik kompensiert Ertragseinbußen

Die über der Anbaufläche installierten Solarpaneele verringern auch die für die Pflanzen verfügbare Sonneneinstrahlung, was je nach angebauter Kultur unterschiedliche Folgen haben kann. „Ergebnisse von Agri-Photovoltaik-Forschungsanlagen zeigen, dass die Beschattung durch Agri-Photovoltaik-Systeme bei manchen Pflanzen in trockenen Jahren mit extremer Hitze sogar zu einer höheren Ertragsstabilität führen können“, meint der Hohenheimer Wissenschaftler Tristan Herrmann.

Im Schnitt gingen die Ernteerträge unter den Agri-Photovoltaik-Anlagen jedoch um etwa 40 Prozent zurück. Allerdings hätten diese Ertragseinbußen nur einen geringen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit des Betriebes. Vor allem größere Betriebe würden einen stärkeren Rückgang des Deckungsbeitrags aus der Landwirtschaft mit geringeren Investitions- und Instandhaltungskosten der Photovoltaikanlagen kompensieren.

Speicher sind notwendig

Langfristig könnte die breite Einführung von Agri-Photovoltaik in Deutschland jährlich zwischen 169 und 189 Terrawattstunden Strom liefern. „Mit Agri-Photovoltaik wäre es rechnerisch möglich rund 30 Prozent des gesamten Strombedarfs in Deutschland zu decken“, schätzt Sebastian Neuenfeldt vom Thünen-Institut. „Dafür bräuchte man rund 300.000 Hektar Ackerfläche, oder etwa 3 Prozent der Anbaufläche, worauf dann sowohl Strom als auch landwirtschaftliche Erzeugnisse produziert werden könnten.“

Wie hoch diese Effekte tatsächlich sein werden, hänge jedoch auch davon ab, inwieweit die Regierungen bereit seien, Investitionen in Agri-Photovoltaik-Systeme finanziell zu unterstützen, um Anreize für Investitionen zu schaffen. Zudem sei Photovoltaikstrom nur begrenzt grundlastfähig, weswegen Speichertechnologien notwendig seien. Im Gegensatz zu Freiflächenanlagen, sei bei Agri-Photovoltaik-Systemen jedoch von einer höheren gesellschaftlichen Akzeptanz auszugehen, da keine Agrarfläche verloren gehe und bei hochgeständerten Systemen oftmals auch auf eine Einzäunung verzichtet werden könne.

Jun.-Prof. Dr. Feuerbacher sieht allerdings auch eine Gefahr: „Für Landwirte kann unter Umständen ein Anreiz entstehen, die Bewirtschaftung der Flächen unterhalb von Agri-Photovoltaik-Anlagen aufzugeben, wenn der in der Landwirtschaft erzielte Deckungsbeitrag zu niedrig oder sogar negativ wird.“ Deswegen seien angemessene politische Konzepte erforderlich, denn: „Generell kann Agri-Photovoltaik einen wesentlichen Beitrag hin zu einem sauberen Energiesystem leisten und gleichzeitig den Verlust an landwirtschaftlicher Fläche minimieren.“ (ds)

www.uni-hohenheim.de
www.thuenen.de