Weitere Ergebnisse...

Generic selectors
Exact matches only
Search in title
Search in content
Post Type Selectors

Windheizung nutzt Überkapazitäten im Stromnetz

29.03.2023 – Bei starkem Wind liefern Windräder mehr Strom als nötig. Über eine „Windheizung 2.0“ aus dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP lassen sich solche Überkapazitäten künftig nutzen – und das Netz zudem stabilisieren.

Die Idee bei der Windheizung: Steht überschüssiger Strom zur Verfügung und sind die Verteilnetze nicht überlastet, wird die Windenergie zur Gebäudebeheizung genutzt. „Das Besondere: Das Gebäude kann seine Wärmeversorgung dann für etwa zehn bis 14 Tage ohne weiteren Strom oder Wärmebezug sicherstellen“, sagt Dr. Matthias Kersken, Wissenschaftler am Fraunhofer IBP. Diese Dauer ergebe sich aus den deutschen Klimaverhältnissen – alle ein bis zwei Wochen kommt es zu einem Starkwindereignis, das etwa fünf bis neun Stunden andauert.

Grafik Windheizung

Mögliche Lösungen zur Umsetzung eines Windheizung 2.0-Gebäudes mit großem Warmwasserspeicher (A), Bauteilaktivierung (B) und zentralem Hochtemperatur-Steinspeicher (C). Grafik: Bayerisches Landesamt für Umwelt

Die Windheizung 2.0 biete damit gleich zwei Vorteile: Zum einen nutzt sie Windenergie, die ansonsten unter Umständen aufgrund eines Überangebots ungenutzt bliebe und bietet somit ökonomische Vorteile für Energieversorger ebenso wie für Endkund:innen. Schließlich kann Strom verkauft werden, der ansonsten zu niedrigen oder gar negativen Preisen gehandelt werden würde. Zum anderen stabilisiert sie das Netz: Eine spezielle Regelungskomponente sorgt dafür, dass die Speicher nur bei freien Kapazitäten im Stromnetz geladen werden, während sie – anders als beispielsweise Wärmepumpen – bei Netzengpässen keinerlei Energie beziehen und das Netz somit entlasten. Dazu ist ein hoher Dämm- und Effizienzstandard des Gebäudes unabdingbar: Schließlich muss die Zeit zwischen den Starkwindereignissen und den Stromengpasszeiten überbrückt werden. Nur bei einem Einsatz in hocheffizienten Gebäuden ist das ansonsten systemschädliche und stromverschwendende direktelektrische Heizen systemdienlich.

Herzstück Wärmespeicher

Möglich machen es zwei neuartige Speichertypen, die die Forschenden optimiert beziehungsweise entwickelt haben. Zum einen eine überdämmte Bauteilaktivierung: Bei dieser – ohne Dämmung bereits eingesetzten – Speicherart wird ein Kunststoff- oder Aluminiumverbundrohr in die Betondecke eingegossen. Um die mögliche Speichermenge zu erhöhen, gehen die Forschenden mit den Temperaturen des gespeicherten Wassers bei der Windheizung 2.0 weit nach oben. Damit die Räume unter diesem Speicher nicht zu warm werden, dämmen sie die Decke unterseitig, auf der Oberseite hilft die bereits vorhandene Trittschalldämmung.
Bei einem vollen Speicher entspricht der passive Wärmeverlust laut den Forschenden dem Bedarf des Hauses. Kühlt das Wasser im Laufe der Zeit ab, genügt dies nicht mehr: Dann wird die Dämmung gezielt umgangen, indem das warme Wasser aktiv in eine Decken- oder Flächenheizung gepumpt wird. Die Speicherverluste auf den Bedarf abzustimmen, sei ein wichtiger Punkt. Das heißt: Im Frühjahr darf der Speicher nicht mehr auf hundert Prozent geladen werden, sonst wird es zu warm im Haus. Hier setzt eine Wärmebedarfsprognose an, die in die Regelung der Windheizung 2.0 integriert ist: Sie arbeitet mit der Wettervorhersage und lernt die Charakteristik des Gebäudes und der Nutzung.

Weiterer möglicher Speicher für die Windheizung 2.0: Hochtemperatur-Steinspeicher

Der zweite mögliche Speicher für die Windheizung 2.0 ist ein Hochtemperatur-Steinspeicher, ein zentraler Nachtspeicherofen, den die Forschenden eigens für diese Anwendung entwickelt haben: Ein fünf Tonnen schwerer, gut gedämmter Stein im Keller, der via überschüssiger Windenergie mit Heizwendeln aufgeheizt und langsam mit Luft durchströmt wird. Die Wärme, die auf diese Weise entnommen wird, wird über einen geschlossenen Kreislauf zum Heizen sowie zur Warmwasseraufbereitung genutzt. Möglich ist des Weiteren ein großer Warmwasserspeicher, der mit der überschüssigen Energie aufgeheizt wird und die Temperatur ein bis zwei Wochen halte.

Einsparungen von 200 bis 400 Euro pro Quadratmeter möglich

Die verschiedenen Speicher hätten die Forschenden auf dem Gelände des Fraunhofer IBP bereits in drei verschiedenen Versuchsgebäuden getestet. Auch dienten die Messungen dazu, Simulationen zu validieren. „Bereits mit dem Prototyp können wir problemlos sieben bis zehn Tage überbrücken, in den betrachteten Gebäuden ließen sich 80 bis 90 Prozent des Strombedarfs durch Überschussstrom decken. Der CO2-Fussabdruck sank dabei ebenfalls um 12-26 kg(CO2)/(m²a)“, freut sich Kersken. Auch wirtschaftlich sei die Windheizung 2.0 interessant: Auf 25 Jahre gerechnet lassen sich mit ihr, trotz Investitionskosten und Mehraufwand für die Dämmung zur Einhaltung der hohen wärmetechnischen Anforderungen, 200 bis 400 Euro einsparen – pro Quadratmeter wohlgemerkt (bezogen auf ein Referenzgebäude gemäß GEG). Interessant ist die Windheizung 2.0 nicht nur für Neubauten, auch für zu sanierende Gebäude haben die Forschenden eine Lösung entwickelt. In einem Folgeprojekt, das im November 2022 startete, werden die Forschenden die Windheizung 2.0 zwei Winter lang in vier real bewohnten Gebäuden testen. (ds)

www.ibp.fraunhofer.de