03.09.2024 – Der Zugriff auf Sensoren und Anlagen hinter dem Netzanschlusspunkt ist künftig nur noch über das CLS (Controllable Local System) am intelligenten Messsystem möglich. Der rechtliche Rahmen steht, geeignete Technologien sind vorhanden. Die Digitalisierung der Energiewende beschleunigt sich spürbar – allerdings mit sehr unterschiedlichen Schwerpunkten.
Dass der wesentliche Nutzen der intelligenten Messsysteme nicht darin besteht, den Stromverbrauch einmal jährlich digital auszulesen, wissen wir eigentlich schon seit rund zehn Jahren. Schon damals hatten die Vordenker:innen eines flächendeckenden Smart Meter Rollouts – genau wie alle, die seither dafür arbeiten – genau die Themen im Blick, die heute dringlich sind: Regelbare Verbraucher und Erzeuger netzorientiert steuern, Daten für die Netzzustandsbewertung und energienahe Mehrwertdienste gewinnen, Prosumer-Flexibilitäten nutzbar machen, sei es direkt an den Märkten oder über dynamische Tarife.
Definiert und marktreif
Heute sind die dafür erforderlichen Prozesse und Technologien definiert: Dreh- und Angelpunkt für diese Prozesse und Dienste ist das CLS (Controllable Local System). Angebunden an das Smart Meter Gateway liefert es einen sicheren Kommunikationskanal zu beliebigen Sensoren oder Anlagen hinter dem Netzanschlusspunkt und ermöglicht so den Austausch von Daten und Steuerbefehlen zwischen Erzeugern und Verbrauchern auf der einen und Netzbetreibern, Lieferanten, Märkten und Dienstleistern auf der anderen Seite. Ein Anbieter hat das beschleunigte Zertifizierungsverfahren für das CLS-Modul erfolgreich abgeschlossen, ein zweiter steht unmittelbar davor. Weitere werden folgen, so dass die erforderliche Hardware bis zum Jahresende breit verfügbar sein wird. Die sogenannten Systemeinheiten, die als Bindeglied zu den lokalen Anwendungen über den CLS-Proxy-Kanal angebunden werden, gibt es ebenfalls.
Für die Steuerung von Verbrauchs- und Erzeugungsanlagen ist der Messstellenbetreiber zuständig, der dafür – ergänzend zum GWA-System – ein CLS-Management aufbauen muss. Dieses agiert als aktiver EMT und kommuniziert in dieser Eigenschaft sowohl mit dem GWA und anderen internen Systemen (ERP-, MDM, Workforce-Management) als auch mit den angebundenen Anlagen. Das erfolgt einerseits über die klassische energiewirtschaftliche Marktkommunikation und andererseits den einfacheren, sogenannten Universalbestellprozess. Klingt kompliziert und ist es in der Praxis auch. Doch sowohl Gateway-/CLS-Anbieter als auch spezialisierte Prozessdienstleister beherrschen die erforderlichen Prozesse, Protokolle und Schnittstellen bereits. Für das reine Auslesen von Netzzustands-, Einspeise- oder Verbrauchsdaten genügt die Ausprägung des passiven EMT, auch dafür gibt es am Markt zertifizierte Infrastrukturen und Dienstleister.
Die Pflicht ruft
Nun starten die ersten Pilotprojekte und speziell die größeren Unternehmen und ihre Dienstleistungspartner berichten von vielversprechenden Ergebnissen. Im Fokus der grundzuständigen Messstellenbetreiber stehen dabei die Pflichtaufgaben, sprich: die Umsetzung der netzorientierten Steuerung nach §14a EnWG und das Angebot flexibler Tarife für die aktuell noch überschaubare Zahl von Smart Meter-Kunden. Sehr weit ist die Branche noch nicht – so zumindest die Ergebnisse der jüngst von PwC veröffentlichten Marktstudie zum Smart Meter Rollout: Erste intelligente Messsysteme mit CLS-Modulen sind aktuell erst bei vier Prozent der befragten gMSB installiert, Prozesse zur Nutzung des CLS-Kanals bei gerade einmal zwei Prozent. Mit der Umsetzung der relevanten Tarifanwendungsfälle beschäftigt sich immerhin schon etwas mehr als ein Viertel der befragten gMSB.
Der späte Einstieg ist einerseits verständlich. Die Ressourcen in der Branche sind knapp und kein Versorger möchte riskieren, ohne verbindlichen Rechtsrahmen Infrastrukturen aufzusetzen, die dann im Endeffekt vielleicht nicht nutzbar sind. Tatsächlich ist diese Sorge heute weitgehend unbegründet. Die Anbieter haben die Diskussionen in den relevanten Behörden und Gremien sehr gut im Blick. In aller Regel kommen daher nur Lösungen und Technologien an den Markt, die im Bedarfsfall einfach an die endgültigen Vorgaben anzupassen sind.
Die Kür wartet
Geschäftsmodelle, mit denen Geld verdient und Kunden begeistert werden könnten – flexible Stromprodukte für Kund:innen mit PV-Anlagen, Speichern, Wallboxen oder Wärmepumpen, Energiemanagement-Systeme und Energieeffizienz-Services etc. – sind zumindest bei kleinen und mittleren Versorgungsunternehmen noch kaum auf der Agenda. Die Kür führen fast ausschließlich die wMSB vor, die meist gleichzeitig auch Stromlieferant, Energie- und Flexibilitätsvermarkter respektive Lösungsanbieter für PV, Speicher, Elektromobilität und Wärme sind. Wenn man mit ihnen spricht, erstaunt es, in welchem Tempo sie diese Rollen ausgeprägt und sich ein Dienstleister-Netzwerk für die nötigen Prozesse aufgebaut haben. Sie liefern ihren Kunden intelligente Messsysteme und werden die zertifizierten CLS-Module vermutlich sehr schnell nachrüsten.
Das kann die Branche bedauernd zur Kenntnis nehmen oder selbstbewusst als Herausforderung angehen. Den Widerstand gegen den Einbau von intelligenten Messsystemen auf Kundenwunsch sollte man vor diesem Hintergrund jedoch überdenken. (pq)