03.01.2023 – Mit der Cloud-Software „retoflow“ sollen Netzbetreiber die Anschlussgesuche automatisiert prüfen, Strom- und Rohrnetze sektorübergreifend modellieren, simulieren und langfristig planen können. Mithilfe des Systems wird ein Digitaler Zwilling des komplett digitalisierten Energienetzes erstellt. Ist der Anschluss einer neuen Anlage geplant, lässt sich dies per Knopfdruck simulieren. Die webbasierte Plattform ruft die passenden Netzdaten ab, testet die Auswirkungen in den verschiedenen Netzebenen sowie die technische Machbarkeit und prüft, ob ein entsprechender Ausbau erforderlich wäre.
Entwickelt wurde die Software retoflow von Leon Thurner und seinen Kollegen Jannis Kupka und Simon Drauz-Mauel, drei Wissenschaftlern, die die Basis für ihre Software mit den Open-Source-Programmen „pandapower“ und „pandapipes“ am Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE in Kassel legten. 2021 entschloss sich das Team zusammen mit Kollegen der Universität Kassel zur Ausgründung des gleichnamigen Startups.
Digitaler Zwilling eines Stromnetzes in retoflow. Bild: © retoflow GmbH
Anstieg der Anschlüsse nimmt exponentiell zu
„Der derzeitige Anschlussprozess ist langwierig, da er manuell erfolgt. Bis zur Rückmeldung seitens des Netzbetreibers können Wochen vergehen. Unsere Software hingegen prüft die Anschlussmöglichkeit von PV-Anlagen in Privathaushalten und PV-Parks, von E-Ladestationen, Wärmepumpen und Haushaltsstrom automatisiert in Echtzeit“, sagt Dr. Leon Thurner, CEO bei retoflow und führt aus: „Mit der Energiewende stieg die Zahl der Anfragen exponentiell an. Selbst ein kleines Stadtwerk erhält pro Jahr über tausend Anfragen und müsste viele neue Fachkräfte einstellen, um die Gesuche abzuarbeiten. Mit retoflow können Netzbetreiber und Stadtwerke Ressourcen einsparen und einer Überforderung der Mitarbeitenden entgegenwirken.“ Die Stadtwerke Fürstenfeldbruck, Netze BW und BS Netz setzen das Programm bereits ein.
Langfristplanung von Stromnetzen und Rohrnetzen
Darüber hinaus ist retoflow für die Langfristplanung von Stromnetzen und Rohrnetzen konzipiert. Dies gelingt mithilfe einer Metaheuristik, die Vorschläge für die künftige Netzkonfiguration und -planung generiert und Empfehlungen etwa für den Bau oder den Rückbau von Leitungen ausspricht. Im Übersichtsmodus lassen sich sämtliche Versorgungsleitungen einblenden, das Netzmodell bis zum letzten Hausanschluss würde übersichtlich dargestellt. Überlastete Leitungen werden ebenso angezeigt wie mögliche künftige Kabelverläufe. Routenführungen, Auslastungen der Leitungen, Spannungsdifferenzen und weitere technische Parameter berechnet retoflow in Echtzeit und kalkuliert zudem die anfallenden Kosten.
Gekoppelte Betrachtung von Strom-, Gas- und Wärmenetzen
Die Software läuft in der Cloud, lässt sich jedoch auch vor Ort beim Netzbetreiber hosten. Aktuell ist die Software darauf ausgelegt, Stromnetze zu modellieren. Thurner und sein Team wollen die Software zusätzlich für die Planung von Gas- und Wärmenetzen ausbauen. (ds)