12.09.2024 – Die Stadtwerke Flensburg bauen an der Energie-, Wärme- und Verkehrswende. Damit steigen die Anforderungen in der Netzplanung und im Netzbetrieb. Mit dem Planungstool PSS SINCAL sieht man sich gut aufgestellt.
Kai Hüttmann, Netzplaner bei den Stadtwerken Flensburg, kennt die Hoch-, Mittel- und Niederspannungsnetze im deutsch-dänischen Grenzgebiet, für die er mit seinen Kolleg:innen zuständig ist, in- und auswendig. Der studierte Elektroingenieur ist schon seit 25 Jahren im Unternehmen in der Stromnetzplanung tätig. Dass seine Aufgaben umfangreicher und komplexer werden, ist für ihn auch ein Anreiz: „Da wird einem auch im hohen Alter nicht langweilig“, meint Hüttman schmunzelnd. Der Netzexperte gibt sein Wissen als Dozent auch an die angehenden Elektrotechniker der Hochschule Flensburg weiter. „Der Nebenjob an der Hochschule ist mir wichtig, um qualifizierten Nachwuchs für die Arbeit im Stromnetz zu begeistern“, so Hüttmann. Denn die Personalsituation ist, wie bei allen Netzbetreibern, angespannt.
Hohe Auslastung
In der Planungsabteilung ist er mit seinen Kolleg:innen neben den Hoch-, Mittel-, und Niederspannungsnetzen für sieben Umspannwerke und sechs Netzgebiete zuständig. Es gibt viel zu tun: Im Zuge der Energiewende gilt es, eine steigende Anzahl von PV-Flächenanlagen und Ladestationen für Elektrofahrzeuge in die Netze zu integrieren, über eine neue 110-kV-Hochspannungsverbindung soll zukünftig mehr Windstrom nach Flensburg fließen. Auch die klimaneutrale Wärmeversorgung, die die Stadtwerke bis 2035 zum Beispiel mit Großwärmepumpen realisieren wollen, hat Auswirkungen auf Lastflüsse und Leistung im örtlichen Versorgungsnetz. Wie überall im Land steigen auch beim Flensburger Netzbetreiber die Anschlussanfragen für PV und Elektromobilität. Speziell in der Niederspannung müsse der Ausbau in Abhängigkeit der zukünftigen Anschlussleistung überlegter geplant werden, wie Hüttmann betont. Hinzu kommt eine Besonderheit im Hochspannungsnetz der Flensburger Stadtwerke: Es ist nicht nur mit dem deutschen, sondern auch mit dem dänischen Hochspannungsnetz verbunden.
PSS SINCAL
Dass der Netzplaner der Stadtwerke Flensburg trotz aller Herausforderungen entspannt wirkt, könnte auch an der Softwarelösung liegen, die er bereits seit vielen Jahren erfolgreich einsetzt – und die sich in dieser Zeit mit den steigenden Anforderungen und den Kundenbedürfnissen weiterentwickelt hat. Die Rede ist von PSS SINCAL, einer modularen Lösung für die Planung, Berechnung und Analyse von Netzen. Das Tool aus der Gridscale X-Produktfamilie von Siemens Grid Software bietet beispielsweise Module zur Untersuchung der Spannungsqualität, der Frequenzstabilität, der Zusammenschaltung verteilter Erzeugung, für die Koordination des Netzschutzes, die Wiederherstellung der Versorgung, oder Wirtschaftlichkeitsberechnungen und ist in mehr als 100 Ländern im Einsatz.
Das Netz im Überblick
In Flensburg bildet PSS SINCAL die Grund- lage für alle Aufgaben in der Netzplanung und fungiert dabei als Datendrehscheibe zwischen den einzelnen Systemen „Die Topologie und Betriebsmitteldaten kommen aus dem GIS, die Lasten aus SAP“, berichtet Kai Hüttmann. Der Netzplan und die einzelnen Elemente können automatisch oder benutzerdefiniert erzeugt werden.
Neben den leistungsfähigen Algorithmen, die Hüttmann beispielsweise zur Lastfluss-, Kurzschluss- und Oberschwingungsberechnung nutzt, schätzt der Flensburger Netzplaner insbesondere die vielfältigen und intuitiven Visualisierungsmöglichkeiten. Am Rechner demonstriert er, wie er mit einem Klick zwischen Übersichtskarte und Schaltplan wechselt, wo auch potenzielle Probleme sofort erkennbar sind. „Von da aus können wir dann beliebig in die Tiefe gehen“, fährt er fort. Umspannwerke, Ortsnetzstationen und Kabelverteilerschränke mit den darin befindlichen Transformatoren, Schaltern, Sicherungen und Schutzeinrichtungen lassen sich detailliert darstellen – in der aktuellen Version 20.5 mit noch einmal verbesserter grafischer Auflösung. „Über umfangreiche Bibliotheken haben wir einen direkten Zugriff auf praktisch alle bei uns verwendeten beziehungsweise verfügbaren Komponenten“, ergänzt Kai Hüttmann, der die Software auch in seiner Lehrtätigkeit nutzt. „Ich lasse die jungen Leute damit erste Planungsaufgaben durchführen“, berichtet er. „Das klappt meistens recht schnell.“
Netzschutz
Eine spannende Neuentwicklung für die Netzberechnung und -planung ist die Option, die Schutzrelaisdaten sehr effizient zu importieren und zugleich die Datenqualität zu erhöhen. Möglich wird dies über eine Schnittstelle, mit der PSS SINCAL 20.5 Schutzeinstellwerte aus dem neuen Softwaretool Gridscale X Protection Data Manager von Siemens einliest. Schutzdaten können damit aus den Schutzrelais mittels der Schutzgerätekonfigurationsdateien direkt in PSS SINCAL importiert werden. Dabei übernimmt der Gridscale X Protection Data Manager die Verwaltung der Schutzdaten als zentrale Datenbank mit zusätzlichen Funktionen wie zum Beispiel dem Workflow Management und einem Dateiverwaltungssystem. So kann der manuelle Aufwand für die Schutzmodellierung deutlich reduziert werden und die Integrität der Schutzdaten ist gewährleistet.
Anschlussprüfung
Für erhebliche Entlastung bei den Stadtwerken Flensburg sorgt PSS SINCAL auch bei der Anschlussprüfung für Erneuerbare Erzeuger und elektrische Verbraucher. „Die Anfragen nehmen kontinuierlich zu und eine Netzverträglichkeitsprüfung ist in jedem Einzelfall erforderlich“, sagt Kai Hüttmann. Mit jeder neu angeschlossenen Anlage werde die Bewertung zudem komplexer. Dabei unterstützt das Modul zur Ermittlung der maximalen Anschlussleistung (ICA). Es errechnet automatisch den größten Leistungswert einer dezentralen Erzeugungsanlage, die an jedem Knotenpunkt des fraglichen Netzgebiets angeschlossen werden kann – gleiches gilt für anzuschließende Lasten. Bei der Berechnung der Anschlusspotentiale werden nicht nur die Lastflüsse berücksichtigt, sondern auch Kurzschluss- und Schutzanalysen einbezogen. Auf dieser Grundlage werden dann Berechnungen für konkrete Anlagen einschließlich der zu erwartenden Auswirkungen auf die betroffenen Betriebsmittel durchgeführt. All dies erfolgt automatisch ohne zusätzlichen Modellierungsaufwand oder Veränderungen am Netzmodell.
Echtzeitdaten
Mit zunehmender Digitalisierung der Netze wird auch für die Flensburger Netzplaner die Integration von Echtzeitdaten aus den Abgängen zu einer interessanten Option, um die tatsächlichen und möglichen Auswirkungen dezentraler Einspeiser und Lasten auf die Verteilnetze anhand der realen Gegebenheiten zu evaluieren und für die Planung zu nutzen. Mit EnergyIP bietet Siemens eine Lösung, die mit PSS SINCAL kombiniert werden kann, um Daten aus den Betriebsmitteln oder Messsystemen bei Kunden zu integrieren und damit die Netzberechnung weiter zu verfeinern.
Netzpatenschaft
Doch die Mehrwerte von PSS SINCAL liegen für Kai Hüttmann nicht allein in den technischen Leistungsmerkmalen und dem täglich spürbaren Nutzen der Lösung im praktischen Einsatz. Die Stadtwerke Flensburg profitieren zudem von einer „Netzpatenschaft“ mit Siemens. Dabei fungiert ein Experte der Siemens PTI, der mit dem Flensburger Netz vertraut ist, als zentraler Ansprechpartner und steht bei allen operativen und strategischen Fragen beratend zur Seite. Kai Hüttmann: „Was wir alleine schaffen, machen wir selbst, oder bereiten das Projekt vor. Speziellere Fragestellungen lassen wir uns von den Kollegen von Siemens PTI beantworten.“ (pq)