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Steuern mit NIS-Daten

27.10.2025 – Beim Digitalen Zwilling von Hexagon wird das Bestands-NIS zum zentralen Dreh- und Angelpunkt für den Netzbetrieb – bis hin zur Umsetzung von § 14a EnWG.

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Foto: LuckyStep / stock.adobe.com

Netzinformationssysteme (NIS) finden sich bei allen Netzbetreibern, um die logische Topologie des Netzes sowie technische Parameter zu verwalten. Um die dort lagernden Datenbestände weitergehend nutzbar zu machen, hat der Technologieanbieter Hexagon seine NIS-Lösung bereits um ein Modul zur Netzberechnung für die Nieder- und Mittelspannung erweitert. Nun geht das Unternehmen einen Schritt voran und erweitert das System um einen digitalen Zwilling. Das neue cloudbasierte Add-on „HxGN NetWorks Uti- lities | Electric Power Control Real Time“ soll Ende 2025 live gehen und neben der minutenscharfen Netzberechnung eine nahezu automatisierte Netzsteuerung nach §14a EnWG unterstützen.

Netzberechnung als Grundlage

Die Grundlage für den digitalen Zwilling von Hexagon bildet die NIS-basierte Netzzustandsermittlung: Im Minutentakt analysiert das System Spannungsverläufe, Betriebsmittelauslastung sowie Lastverteilung. Damit aus den Messdaten ein belastbarer Netzzustand entsteht, müssen diese topologisch korrekt zugeordnet werden. Bei den Ortsnetzstations- und Verteilermessungen erfolgt dies über feste Netzknoten im NIS. Um die TAF-10-Messdaten aus den angebundenen iMSys-Daten zu verorten, kommen Marktkommunikationsschlüssel wie Marktlo- kation, Netzlokation und technische Ressourcen-IDs zum Einsatz. Zukünftig sollen auch State-Estimation-Algorithmen zum Einsatz kommen, um die Ergebnisse der Netzzustandsermittlung noch genauer an die Realität anzunähern.

Da der Aufbau einer flächendeckenden iMSys-Infrastruktur beim aktuellen Ausbautempo noch Jahre in Anspruch nehmen wird, bedient sich die Lösung für Netzlokationen ohne intelligentes Messsystem bei den Jahresenergiemengen aus den Abrechnungssystemen. Hierzu werden die Daten aus den Verbrauchsabrechnungen über einen Verteilerschlüssel berechnet und in die Netzzustandsberechnung eingebunden. Die Ergebnisse der Netzzustandsermittlung werden daraufhin über ein Visualisierungstool dargestellt.

Mehrwert durch NIS

Aufgrund der starken Verschränkung zwischen Netzberechnung und NIS bietet die Lösung von Hexagon zusätzliche Mehrwerte für die Nutzer:innen. Vor allem in der Frage, wie die Datenfortführung gehandhabt wird, kann das System punkten, wie Fabian Mäsch, Industry Consultant Asset Lifecycle Intelligence division bei Hexagon, erläutert: „Das NIS ist ja auch für die Dokumentation des Netzes zuständig. Wenn nun beispielsweise weitere Hausanschlüsse, Ladeboxen oder Wärmepumpen hinzukommen, fließen diese bei der Erfassung in das NIS ein. Die Frage, wie die Netzzustandsberechnung davon Wind bekommt, wird von unserer Lösung automatisch abgewickelt: Das System prüft bei der Datenaktualisierung im NIS, ob sich durch die neuen Teilnehmer elektrotechnisch relevante Aspekte im Netz verändern. Falls dieser Fall eintritt – etwa, wenn sich ein Schaltzustand ändert – wird über die Netzverfolgung genau lokalisiert, welches Teilnetz davon betroffen ist. Das betreffende Teilnetz wird daraufhin automatisch in der Netzzustandsermittlung aktualisiert und in der nächsten Minute läuft die Netzzustandsermittlung mit den aktuellen Daten weiter.“ Auf diese Weise fällt das manuelle Einpflegen neuer elektrotechnisch relevanter Teilnehmer über andere Schnittstellen weg. Diese Funktion will das Unternehmen auch für Drittsystemkunden anbieten, die mit ihrer bestehenden NIS-Struktur an den digitalen Zwilling von Hexagon andocken wollen.

Der digitale Zwilling

Um aus der eher statischen Netzberechnung einen dynamischen Digitalen Zwilling zu generieren, kommt nun die Hexagon-Anwendung „Power Control Realtime“ ins Spiel. Sie verbindet NIS-Logik, Lokationsbündel und Netzzustandsberechnungen mit den zusätzlich eintreffenden TAF10-Daten aus den pEMT/aEMT-Modulen sowie den minütlich aktualisierten Messwerten aus den digitalisierten Ortsnetzstationen. Auf diese Weise entsteht eine Echtzeitdatenverarbeitung, die auch Steuermechanismen in einer durchgängigen Architektur abbildet. Indem die Netzdaten, Messwerte und Steuerinformationen kontinuierlich konsistent gehalten werden, könne der digitale Zwilling valide Zustände im Teilnetz berechnen und bei Bedarf sogar Steuerentscheidungen treffen.

Problemfall digitaler Drilling

Die „Electric Power Control Real Time“ wurde von Hexagon konzeptionell auch für Fremd-NIS-Lösungen offengelassen. Allerdings rät Fabian Mäsch den Kund:innen bei der Implementierung eines Drittkundensystems in den digitalen Zwilling von Hexagon dazu, nur auf die Daten des Fremd-NIS zuzugreifen und nicht noch weitere Parallel-Betriebsmitteldatenbanken zu nutzen. Auf diese Weise werden Synchronisationsprobleme vermieden, die beim Einbinden von parallelen Datenbankstrukturen auftreten könnten: „Wir raten unseren Kund:innen das NIS als alleinige Quelle der netztopologischen Wahrheit anzusehen. Wir haben schon erlebt, dass Verteilnetzbetreiber neben ihrem NIS noch weitere Datenbanksysteme nutzen, die die gleichen Betriebsmitteleinformationen beinhalten wie ihr eigentliches NIS. Würden wir die Informationen aus dieser Dritt-Datenbank mit integrieren, bekämen wir einen digitalen Drilling. Leider haben diese digitalen Drillinge IT-technisch betrachtet die schlechte Angewohnheit nie synchron zu laufen. Dies hätte zur Folge, dass die Nutzer:innen so eines digitalen Drillings nie genau sicher sein können, ob die Echtzeitdaten auch tatsächlich korrekt sind.“

Darstellung der Last- flussberechnung in der NIS-basierten Netzzu- standsermittlung. (Foto: Hexagon AB/ Intergraph PP&M Deutschland GmbH)

Darstellung der Lastflussberechnung in der NIS-basierten Netzzustandsermittlung. (Foto: Hexagon AB/ Intergraph PP&M Deutschland GmbH)

Eine Brücke für Fremddaten

Da viele Netzbetreiber historisch gewachsene NIS-Strukturen aufweisen, ist es bei der Anbindung an den Digitalen Zwilling notwendig, die Datenflüsse zwischen NIS, Messdatenquellen und Steuerlogik herstellerunabhängig zu standardisieren und synchronisieren. Hexagon erreicht dies, indem es eine Datenbrücke zwischen seiner Lösung und dem Fremdsystem aufsetzt, die neben klassischen Formaten wie CSV und SQL auch Protokolle wie MQTT, REST, SOAP sowie MSCONS verarbeitet. So können auch IoT-Plattformen, Messsysteme oder die Marktkommunikation in die Gesamtlösung integriert werden.

Steuerung nach 14a

Sobald der Digitale Zwilling live geht, erfolgt zuerst ein Probebetrieb der Netzzustandsermittlung nach §14a. An dieser Stelle sehen die Kund:innen erstmalig die Situation im eigenen Niederspannungsnetz im Minutentakt. In dieser Phase ist das System noch so konfiguriert, dass den Netzbetreibern die Möglichkeit gegeben wird, auf auftretende Engpässe im Netz mit manuellen Genehmigungen von (zusammengefassten) Steuerbefehlen zu reagieren. Hierzu schlägt das System die passenden Steuermaßnahmen im Teilnetz vor – einschließlich der steuerbaren Ressourcen, Größe der Leistungsreduktion und Dauer der Maßnahme.

Diese Vorschläge müssen dann von einer Person aktiv genehmigt oder abgelehnt werden. Sobald eine Steuermaßnahme genehmigt wurde, erfolgt die Übermittlung der Anweisung via „schneller Mako“ (REST-API) an die aEMT-Module der betroffenen Messstellenbetreiber – über den im §14a festgelegten Weg. Auch die vorzeitige Rücknahme der Maßnahmen – bei Entspannung der Situation unabhängig von der Steuerung – wird ebenfalls vom System vorgeschlagen und auf gleichem Weg an den MSB übermittelt. Sollte der Probebetreib zufriedenstellend verlaufen, kann die Lösung in den automatischen Betrieb genommen werden, bei dem die Steuerbefehle nach §14a selbstständig vom System an den MSB erfolgen. (cp)

www.hexagon.com/de