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Verteilnetz in 3D

16.05.2023 – Bereits seit rund fünf Jahren entwickelt die MITNETZ STROM gemeinsam mit IT-Dienstleister GISA ein realitätsnahes digitales Abbild ihrer Versorgungsinfrastruktur. Die bisherigen Ergebnisse sind eindrucksvoll.

Das Konzept des Digitalen Zwillings wurde ursprünglich im Kontext von Industrie 4.0 entwickelt, ist jedoch längst in der Energiewirtschaft angekom- men. Auch hier wird der Begriff für die unterschiedlichsten Digitalisierungskonzepte verwendet – und erscheint manchmal auch etwas zu hoch gegriffen. Bei der MITNETZ STROM allerdings plant man tatsächlich ein sehr umfassendes digitales Abbild der Netzinfrastruktur, das sukzessive aus den unterschiedlichsten Datenquellen zusammengeführt und für verschiedenste Prozesse nutzbar gemacht wird. Ein Digitaler Zwilling des Umspannwerks Falkenberg einschließlich einer Innenschaltanlage ist bereits realisiert, das Projekt wird kontinuierlich fortgeführt. „Wir sehen erhebliche Potenziale in der realitätsnahen, dreidimensionalen Darstellung unseres Netzes und unserer Betriebsmittel – und profitieren schon heute von den Teilen, die bereits umgesetzt sind“, sagt Roberto Löffler, der bei der MITNETZ STROM für das Projekt verantwortlich ist.

Die dritte Dimension

Das Umspannwerk Falkenberg wurde als vollständig interaktives dreidimensionales Modell realisiert (Foto: GISA GmbH)

Löffler ist IT-Projektleiter beim größten Verteilnetzbetreiber in Ostdeutschland und Experte für Geoinformationssysteme (GIS). Diese Systeme dienen der Erfassung, Organisation, Visualisierung und Analyse räumlicher Daten und haben längst auch die dritte Dimension im Blick. Wie nützlich diese für Planung, Projektierung, Bau und Betrieb sein kann, erschließt sich eigentlich unmittelbar. „Wenn man zum Beispiel Blitzschutzmasten für ein Umspannwerk plant, benötigt man die Höhe, um zu berechnen, welche Bereiche abgedeckt sind“, erläutert Löffler. Auch der Netzbetrieb vom Schaltdienst bis hin zur Berechnung der Flugrouten für die Drohnen, mit denen die MITNETZ STROM seit 2020 einmal jährlich die oberirdische Infrastruktur befliegt, profitiere von der dreidimensionalen Sicht auf die Anlagen.

„Dabei ist es von unschätzbarem Wert, wenn man die fraglichen Betriebsmittel tatsächlich in ihrem realen räumlichen Kontext sieht“, ergänzt der Projektleiter und verweist auf Zufahrtsstraßen für große Bauteile, die Beauftragung oder Einweisung externer Dienstleister, angrenzende Wohnbebauung oder auch die Anschlussplanung respektive Genehmigung Erneuerbarer Energie-Anlagen. Angereichert mit entsprechenden Sachdaten unterstützt die realitätsgetreue Sicht auf die Anlagen zudem die Kosten-, Risiko- und Leistungs- bewertung der Betriebsmittel, welche die MITNETZ STROM im Rahmen ihres Asset Managements nach DIN ISO 55001 systematisch durchführt.

Umspannwerk in 3D

Derartige konkrete Anwendungsfälle für den Digitalen Zwilling schon bei der Planung im Blick zu haben, sei extrem wichtig, betont Hannah Zerjeski, GIS-Expertin beim IT-Dienstleister GISA, die das Projekt softwareseitig umsetzt. „Welche Daten wir – gegebenenfalls auch zusätzlich – benötigen, und in welcher Genauigkeit wir modellieren, hat natürlich erheblichen Einfluss auf die Kosten, aber auch die Performance des Modells“, erklärt sie. „Realitätstreue ist kein Selbstzweck, das Modell soll unsere Arbeit vereinfachen – da müssen wir nicht wissen, ob ein Gebäude in der Nachbarschaft einen Balkon hat“, betont auch Roberto Löffler. Vor diesem Hintergrund findet man im Digitalen Zwilling der MITNETZ STROM durchaus zweidimensionale Bestandteile – etwa einfache Pläne oder stark vereinfachte dreidimensionale Abbildungen, wie zum Beispiel von Lampen oder umgebenden Gebäuden.

Die Innenschaltanlage lässt sich im digitalen Zwilling der Anlage und als virtuelle Innenansicht detailliert betrachten. (Fotos: GISA GmbH/MITNETZ STROM)

Dennoch waren zur Erstellung des „digitalen Umspannwerks“ umfangreiche Da- tengrundlagen erforderlich, so etwa eine virtuelle Geländeoberfläche als „Baustelle“ für das digitale Abbild der Anlage, eine angedeutete Abbildung des umliegenden Geländes mit Gebäuden, Straßen und Vegetation als Orientierungsrahmen für den Betrachter sowie 3D-Modelle der Betriebsgebäude, Betriebsmittel (Trafos, Außenschaltfelder etc.) und sonstiger Objekte wie Blitzschutzmasten oder Zäune. „Und natürlich mussten auch die unterirdischen Leitungen integriert werden“, ergänzt Hannah Zerjeski. Die Daten lagen teilweise bei MITNETZ STROM vor, vieles musste jedoch neu erfasst und aus öffentlichen Quellen ergänzt werden. Zwischenzeitlich sind die Außenanlagen des Umspannwerks Falkenberg als vollständiges dreidimensionales Modell vorhanden. Vom Arbeitsplatz aus läßt es sich nicht nur im Überblick aus jeder Perspektive betrachten, sondern auch sehr realitätsnah virtuell „begehen“ und in allen wesentlichen Details betrachten – sogar Dächer können aufgeklappt werden. Gleichzeitig sind erforderliche Sachinformationen zu den vorhandenen Betriebsmitteln im direkten Zugriff abrufbar.

Virtuelle Innenschaltanlage

Doch nicht nur die Außenanlagen wurden modelliert, auch ein virtueller Besuch der Innenschaltanlage ist möglich. Auch hier hat GISA verschiedenste Datensätze integriert, um einen vollständigen Digitalen Zwilling zu erstellen. „Dazu haben wir etwa 3D- Plandaten des Gebäudes, Grundrisse, eine hochaufgelöste Punktwolke von Laserscans, CAD-Daten der Schaltfelder sowie GIS-Daten zu den Leitungsanschlüssen zusammenge- führt“, sagt Hannah Zerjeski. Das Ergebnis steht den virtuellen Innenansichten, die man von Kulturdenkmälern, angesagten Restaurants oder hochwertigen Immobilien kennt, in nichts nach. Der Betrachter kann sich im Raum nach Belieben bewegen und alle Details erkennen.

„Wenn wir früher wissen wollten, welche Schaltanlagen dort verbaut sind oder ob es noch Platz für eine weitere gibt, mussten wir entweder hinfahren oder mühevoll Pläne und Datenbanken durchforsten“, sagt Roberto Löffler. „Jetzt machen wir einfach den Rechner an.“ Solche und ähnliche Anwendungsbeispiele bestärken ihn in seinem Einsatz für das Projekt. Auch die Geschäftsführung der MITNETZ STROM ist überzeugt und bereit, auch künftig die notwendigen Investitionsmittel bereitzustellen. Die Pläne sind ehrgeizig: Bis 2024 sollen alle rund 300 Umspannanlagen der MITNETZ STROM erfasst werden und sukzessive Digitale Zwillinge nach dem Vorbild der Anlage in Falkenberg bekommen. Über die Integration von Messdaten denkt man ebenfalls schon nach. Die Vision eines dreidimensionalen Verteilnetzes könnte also irgendwann Realität werden. (pq)

www.mitnetz-strom.de
www.gisa.de