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Vom Haus ins Netz

30.09.2022 – In einem Reallabor testen mehrere Partner ein durchgängig interoperables Ökosystem mit dem Smart Meter Gateway als zentraler Schnittstelle. Dabei wird das Zusammenspiel zwischen den externen Marktteilnehmern Netz und Vertrieb erprobt.

Dezentrale Erzeuger und Lasten werden im zukünftigen Stromsystem eine systemrelevante Größenordnung darstellen, zudem werden mehrere Millionen Prosumer aktiv am Energiemarkt teilnehmen. Diese Entwicklungen führen zu einem höheren Bedarf an Koordinierung und Steuerung von dezentralen, flexiblen Erzeugungsanlagen und Verbrauchern. „Es knirscht an allen Ecken und Kanten im System. Sowohl aus Sicht der Netzbetreiber als auch des Energiemarktes insgesamt müssen wir auf allen Netzebenen die Steuerbarkeit der dezentralen Anlagen sicherstellen“, berichtet Dr. Wolfgang Zander, Generalbevollmächtigter beim BET Büro für Energiewirtschaft und technische Planung.

Praxistest für massengeschäftstaugliches Leistungsmanagement

Das Beratungsunternehmen hat gemeinsam mit der EEBUS-Initiative und dem Technologielieferanten PSI GridConnect einen Praxistest für ein massengeschäftstaugliches Leistungsmanagement über das Smart Meter Gateway (SMGW) aufgesetzt, an dem sich weitere Partner beteiligen. Die Rheinische NETZGesellschaft stellt in der Rolle des Netzbetreibers die SMGW-Infrastruktur bereit. Der Prozessdienstleister GWAdriga übernimmt die Abwicklung der Gateway-Administration und des CLS-Managements (aEMT) auf Basis der Softwarekomponenten des IT-Dienstleistungs- und Software-Entwicklungsunternehmens BTC. Das Softwareunternehmen KEO ist schließlich für die Entwicklungsarbeiten im Auftrag der EEBUS-Initiative verantwortlich. „Wir realisieren ein durchgängig interoperables Ökosystem von der Netzleitstelle bis zum Endgerät in der Kundenanlage“, fasst Wolfgang Zander zusammen.

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Foto: Zapp2Photo / shutterstock.com

Gesamte Prozesskette abbilden

Im Reallabor „Living Lab“ am Sitz der EEBUS-Initiative in Köln testen die Partner unterschiedliche EEBUS-Anwendungen und ihre Interoperabilität. Es werden mehrere Einbaufälle, darunter teil- und vollflexible Verbraucher sowie Liegenschaften unterschiedlicher Größe und Ausstattung betrachtet. Zudem werden Steuerboxen, Energiemanagementsysteme (EMS) und Endgeräte verschiedener Hersteller getestet. Alle relevanten Marktrollen wie Dienstleister, Vertrieb und Netz sind vertreten, welche auf die Kundensysteme, wie zum Beispiel Ladestationen und Wärmepumpen, einwirken können. Dabei wird insbesondere die parallele Flexibilitätsnutzung von Netz, Vertrieb und Dienstleistern getestet.

Ebenso werden verschiedene IKT-Protokolle erprobt, darunter EEBUS, Modbus sowie Fernwirkprotokolle. Wolfgang Zander hebt hervor, dass bei den infrage kommenden Flexibilitätsinstrumenten keine Empfehlungen in Richtung Preissignale oder Steuerbefehle gegeben werden, man stelle im Projekt lediglich die Technik bereit. Auch regulatorische Fragen wie die Regelung zu steuerbaren Verbrauchsanlagen nach § 14a Energiewirtschaftsgesetz bleiben außen vor. „Ob der Netzbetreiber eher dynamische Netzentgelte oder die Spitzenlastglättung testen sollte, wollen wir in diesem Versuch nicht beantworten.“

Bidirektionaler Informationsaustausch

Ein konkreter Anwendungsfall bei der parallelen Betrachtung von Netz und Vertrieb im Kölner Reallabor ist im ersten Schritt das Netzengpassmanagement über die temporäre Leistungsvorgabe Plim durch den Netzbetreiber. Das Technologieunternehmen PSI GridConnect erzeugt dieses Plim-Signal und kümmert sich um den Transfer in den „BTC AMM Control Manager“ und von dort über das SMGW zum EMS. Dieser Schritt wurde von den Partnern bereits erfolgreich erprobt.

Im Anschluss sollen die Eingliederung der vertrieblichen Prozesse und ein erweiterter Informationsaustausch mit zeitvariablen Stromtarifen, Netzzustandsdaten der Netzanschlüsse nach den Tarifanwendungsfällen (TAF) 9, 10 und 14 sowie Daten aus den Kundenanlagen, Prognosefahrpläne der EMS oder Netzprognosen folgen. „Wir möchten herausfinden, wie sich netzorientierte Steuerung und vertriebliche Optimierung gegenseitig beeinflussen und auf den Nutzerkomfort auswirken“, erläutert der Berater.

Grafik Leistungsvorgabe Plim

Architektur am Beispiel kurative temporäre Leistungsvorgabe (erster Schritt). Grafik: BET Büro für Energiewirtschaft und technische Planung GmbH

Intelligentes Messsystem ist zentraler Baustein

Bei den Praxistests stellt das intelligente Messsystem (iMSys) die zentrale Schnittstelle seitens der Netzbetreiber und der Messstellenbetreiber dar. Das Gegenstück auf Kundenseite ist die Steuereinheit (SE), die Funktionalität im Energiemanagementsystem oder das Mehrwertmodul (MWM) auf dem Smart Meter Gateway. „Die Steuerung erfolgt über den CLS-Kanal des SMGW, über den die Kommunikation vom CLS-Gerät zum aEMT verschlüsselt erfolgt“, erklärt Ulrich Rosen, Gesellschafter und Partner bei BET.

IT-Sicherheit: Hintertüren absichern

Im Hinblick auf die IT-Sicherheit liegt der Fokus laut Ulrich Rosen auf der Verbindung vom EMS über das SMGW zur Netzleitstelle über die sogenannte SM-PKI. Im Rahmen des Living Lab wird aktuell nicht betrachtet, welche weiteren Kommunikationsverbindungen die technischen Anlagen (Wallbox, Wechselrichter etc.) beispielsweise über den Kundenrouter haben. Das Schließen dieser potenziellen Sicherheitslücken für Hackerangriffe obliegt dem BSI durch die Vorgaben entsprechender Sicherheitsstandards.

Weg von der direkten Steuerung

Letztlich sollen die Untersuchungen im Living Lab die Use Cases rund um das intelligente Messsystem massentauglich machen. Für die BET-Berater liegt der Schlüssel dafür in der intelligenten Nutzung von Flexibilitäten. Ulrich Rosen: „Heute erfolgt in der Regel ein direkter Steuereingriff auf die einzelne Anlage – die Einspeiseleistung der PV-Anlage wird über den Wechselrichter auf 50% reduziert, die Beladung der Nachtspeicherheizung wird über ein Freigabesignal gestartet. Dieser direkte Eingriff in die Kundenanlage betrifft damit auch Dritte (Endkunde, Vertrieb) und greift in deren Verantwortungsbereiche ein.“ Dabei liege die Intelligenz in Form des Energiemanagementsystems zwischen diesen Akteuren. Dort sollen Vorgaben abgelegt werden, anhand derer das EMS selbständig regeln kann, mit welchen Maßnahmen diese Sollwerte im Haushalt oder Gebäude effizient erreicht werden können.

Damit dies in der Praxis funktioniert, sei der zentrale Aspekt, nach welchen Standards die Steuerung möglichst flächendeckend und für alle Beteiligten transparent gestaltet werden kann. „Die Technik funktioniert, man kann über den CLS-Kanal steuern. Die entscheidenden regulatorischen Fragen können wir in diesem Projekt nicht beantworten, aber wir hoffen, dass solche Initiativen die Standardisierungen voranbringen und den Rollout wirtschaftlicher machen“, schließt Wolfgang Zander ab.
Das Projektkonsortium bietet allen Marktteilnehmern an, ihre Systeme und Produkte im Living Lab zu testen. (ds)

www.bet-energie.de
www.psigridconnect.com
www.gwadriga.de
www.btc-ag.com
www.keo-connectivity.de
www.rng.de