18.07.2025 – Private Energiemanagentsysteme (HEMS) optimieren Energieflüsse hinter dem Netzanschlusspunkt – und damit haben Versorger auf den ersten Blick nicht so viel zu tun. Warum sich Energievertriebe trotzdem mit dem Thema beschäftigen sollten, haben wir mit Nicolai Stickler, Senior Ecosystem Manager bei gridX besprochen.
Herr Stickler, was leistet ein HEMS?
Aus Kundensicht gibt es da mehrere Aspekte. Wer eigenen Solarstrom erzeugt und speichert, sich ein Elektrofahrzeug oder eine Wärmepumpe anschafft, hat ja ganz klare Ziele. Er oder sie möchte bei der Energieerzeugung unabhängiger werden, Kosten sparen und gleichzeitig etwas für das Klima tun. Damit das funktioniert, müssen aber in der Praxis ganz unterschiedliche Geräte verschiedenster Hersteller optimiert zusammenarbeiten. Das erledigt das HEMS als einfach bedienbares Cockpit, das die Anlagen vernetzt, bedarfsgerecht steuert und die Energieflüsse nachvollziehbar macht. Das reduziert die
Komplexität und verschafft den Nutzerinnen und Nutzern die Autarkie und Transparenz, die sie sich wünschen.
Gibt es noch weitere Mehrwerte?
Ganz wichtig ist natürlich das Thema Kostenersparnis – und hier geht ja inzwischen viel mehr als Eigenverbrauchsoptimierung. Konkret zu nennen sind da flexible Tarife und reduzierte Netzentgelte gemäß §14a EnWG. Außerdem werden auch Kleinstflexibilitäten von Speichern und steuerbaren Verbrauchern bereits erfolgreich vermarktet. Ein entsprechend leistungsfähiges HEMS eröffnet den Prosumern diese Möglichkeiten.
Lässt sich die Ersparnis beziffern?
Wir haben tatsächlich entsprechende Simulationen durchgeführt und kommen – als Best Case-Szenario – auf eine jährliche Ersparnis von bis zu 1.000 Euro: Knapp ein Drittel ergibt sich aus der Eigenverbrauchsoptimierung, 300 bis 500 Euro über flexible Tarife und nochmal etwa 400 Euro aus reduzierten Netzentgelten. Das ist natürlich ein ganz erheblicher Zusatznutzen für die Kunden – und ein starkes Argument für alle, die PV-Anlagen, Speicher, Wallboxen, Wärmepumpen oder flexible Stromtarife anbieten.
Das HEMS kann also als eine Art Katalysator für andere Produkte und Dienstleistungen wirken?
Ich würde sogar noch weiter gehen und sagen: Das HEMS ist das Ticket für die neuen Energiemärkte. Anlagenhersteller, Installationsbetriebe und natürlich auch Stromvertriebe können über unser HEMS aus ihren spezifischen Angeboten eine sehr überzeugende Full-Service-Lösung machen – und zwar unabhängig davon, was das Unternehmen selbst mitbringt. Wir wollen unseren Partnern ermöglichen, sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren und trotzdem möglichst weite Bereiche der energiewirtschaftlichen Wertschöpfungskette abzudecken.
Was bedeutet das im Einzelnen?
Wir haben ein sehr offenes System entwickelt, das mit den Anlagen von über 50 Herstellern – sowie übrigens auch den zertifizierten intelligenten Messsystemen – nahtlos und regulierungskonform zusammenarbeitet. Über unser System lässt sich also zum Beispiel eine Anlagensteuerung nach §14a problemlos umsetzen. Das haben wir nicht nur im Labor, sondern auch in Praxistests nachgewiesen. Wir können flexible Tarife einbinden und unterstützen die Vermarktung von Kleinstflexibilitäten – und das auch, wenn unser Partner diese Services selbst nicht im Portfolio hat. Unser Ökosystem und unsere Fähigkeiten wachsen kontinuierlich, denn wir wollen eine Technologie anbieten, die dem Nutzer alle Möglichkeiten bietet und wirklich zukunftsfähig ist.
Auch die Versorgungsbranche scheint sich intensiver mit HEMS zu beschäftigen. Was ist Ihr Eindruck?
Das würde ich bestätigen. Unsere Muttergesellschaft E.ON hat die Potenziale ja schon sehr früh erkannt und unsere Lösung ist fester Bestandteil des B2C-Portfolios. Auch in anderen Stromvertrieben steht das Thema auf der Agenda. Und das ist ja auch gut so, denn wir reden hier über einen Markt von 15 Millionen Einfamilienhäusern, die über kurz oder lang mit Erzeugungsanlagen, Speichern, Wallboxen oder Wärmepumpen ausgestattet werden – und dann auch von erweiterten Energiedienstleistungen profitieren können. Je attraktiver und einfacher die Geschäftsmodelle sind, die man dieser Zielgruppe anbieten kann, desto besser. Das HEMS ist hier der Schlüssel. Der Wettbewerb um diese Zielgruppe ist allerdings groß – die Versorger sind hier keineswegs alleine. (pq)


