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Breitbandausbau: Priorität für den Bedarf

26.08.2022 – Fördermittel für den Breitbandausbau gezielter einzusetzen, ist das Ziel der neuen Gigabitstrategie der Bundesregierung. Doch einige der neuen Regelungen könnten nach hinten losgehen, meint Dirk Fieml, CEO der tktVivax Group. Er plädiert für bedarfsorientierte Konzepte.

Der Ausbau von Glaserfasernetzen ist eine Voraussetzung für die flächendeckende Digitalisierung und nicht zuletzt ein attraktives Geschäftsmodell für Stadtwerke. Mit der neuen Gigabitstrategie der Bundesregierung werden die Vorgaben für die Förderung neu aufgesetzt. Tatsächlich gibt es durchaus Bedarf, Fördermittel gezielter einzusetzen. „So wurde in der Vergangenheit jeder Adresspunkt gefördert, der unterversorgt war und an dem ein Marktversagen bescheinigt wurde – gleichgültig ob dort ein Breitbandanschluss notwendig war oder nicht“, erläutert Dirk Fieml, dessen Unternehmensgruppe seit vielen Jahren Kommunen und Stadtwerke beim Breitbandausbau begleitet. Gleichzeitig nähmen die Fördermittel beim Bund und vor allem bei den Ländern ab. „In Sachsen-Anhalt stehen pro Jahr gerade einmal 120 Millionen Euro für den geförderten Ausbau zur Verfügung.“

Potenzialanalyse als neues Instrument

Ein neues Instrument sind sogenannte Potenzialanalysen, die – so der CEO von tktVivax – allerdings einen gravierenden „Konstruktionsfehler“ aufweisen: Anstelle der bisherigen Betrachtung einzelner Adresspunkte sollen künftig komplette Cluster hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit analysiert werden. „Sofern die Potentialanalyse als Grundlage für die Förderfähigkeit herangezogen und ein ganzes Cluster als wirtschaftlich bewertet wird, kann dieses Gebiet für die nächsten Jahre aus der Förderung herausfallen. Dann werden Investoren entscheiden, wo sich der Ausbau für sie rechnet. Die übrigen Adresspunkte erhalten keine Förderung, weil sie – dumm gelaufen – in einem wirtschaftlich eingestuften Cluster liegen.“

Konzept für eine bedarfsorientierte Breitband-Förderung

Breitband Baustelle graben

Foto: tktVivax GmbH

Dirk Fieml sieht den Schlüssel für ein gezielteres Verfahren in einer echten Orientierung am Bedarf und plädiert für die verpflichtende Einführung eines Interessenbekundungsverfahrens, etwa über ein „Bürgerportal“. „Dieses Bürgerportal würde online geschaltet, sobald die Kommune, der Landkreis oder das kommunale Unternehmen die Markterkundung durchführt. Schon zu diesem Zeitpunkt kann das Portal offensiv beworben werden, damit Bürger ihr Interesse bekunden können, dass sie einen schnellen Glasfaseranschluss benötigen, ohne dass dies bereits verpflichtend wäre“, erläutert Dirk Fieml. Auf diesem Wege wäre es möglich, den tatsächlichen Bedarf bereits sehr früh im Verfahren zu ermitteln. Daneben würden weitere relevante Informationen abgefragt, die später benötigt werden, etwa zur bestehenden und benötigten Bandbreite. Zusätzlich kann so die schlechte Datenbasis bezüglich der Adresspunkte validiert werden, da jeder Bürger oder Gewerbetreibende die Möglichkeit hat, zu überprüfen, ob seine Adresse überhaupt bei der Betrachtung berücksichtigt wurde. „Die derzeitigen Adressdaten sind in der Regel überaltert und stimmen insbesondere bei den sozioökonomischen Adressen nicht, wie jüngst wieder in vielen Projekten festgestellt wurde“, weiß Fieml.

Parallel sollte die Kommune ein vergleichbares Verfahren für den eigenwirtschaftlichen Ausbau starten und aktiv am Markt einen Anbieter suchen. Finde sich ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das hier aktiv werden möchte, verpflichte es sich in diesem Zusammenhang, kurzfristig in die Vorvermarktung zu gehen. „Die Erfolge aus der Interessenbekundung im Bürgerportal, die Ergebnisse der Markterkundung und der Erfolge aus der Vorvermarktung werden miteinander verschnitten“, erläutert Dirk Fieml. Das Ergebnis sei ein relativ genaues Bild, wo sich ein eigenwirtschaftlicher Ausbau lohnt und wo Förderung nötig ist.

Breitband Netzausbau

Beispiele zeigen, dass der Netzausbau bei guter Vorbereitung sogar ohne Fördermittel gestartet werden kann. Foto: tktVivax GmbH

Die Kommune, der Landkreis oder das Stadtwerk könnte so nun ganz gezielt die Förderung für alle unterversorgten und unwirtschaftlichen Adressen beantragen, bei denen der Bedarf bereits über die Meldung im Portal oder durch einen Vorvertrag mit dem Partner nachgewiesen ist. Auf dieser Basis könnte gleichzeitig die Ausschreibung des geförderten Ausbaus starten, wobei der Kooperationspartner, der die Vorvermarktung durchgeführt hat, zur Teilnahme am geförderten Vergabeverfahren verpflichtet wird. Dirk Fieml: „Grundsätzlich sollte es möglich sein, sofort mit dem eigenwirtschaftlichen Ausbau zu starten. Die Erschließung der geförderten Anschlüsse erfolgt, sobald die Vergabe durchgeführt und ein endgültiger Förderbescheid genehmigt wurde.“

Praxiserfahrungen beim Glasfaserausbau

Dass sich der Glasfaserausbau auf diese Weise deutlich beschleunigen lasse, zeigen Erfahrungen, die tktVivax Group in verschiedenen Projekten gewinnen konnte, in denen dieses Vorgehen umgesetzt wurde – soweit es heute schon rechtlich möglich ist. Dies funktionierte sowohl im Kleinen wie bei den Stadtwerken Lauterbach als auch im Großen wie in der Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken. Hier konnte der Netzausbau vielerorts kurzfristig und eigenwirtschaftlich gestartet werden, ohne irgendwelche Fördermittel zu verbauen, wie der tktVivax-Chefs berichtet. „Der Zeitgewinn ist enorm, vor allem im Vergleich zu den vielen Projekten, in denen zunächst auf eine Maximierung der Fördermittel geachtet wurde, bevor es überhaupt an den Netzausbau ging.“

Dieses Vorgehensmodell beschleunigt nach seiner Erfahrung den Glasfaserausbau nicht nur, es führt am Ende auch dazu, dass erheblich Fördermittel eingespart werden können. „Diese Vorgehensweise führt in der Regel dazu, dass der eigenwirtschaftliche Ausbau deutlich attraktiver wird und breiter erfolgt als in Projekten, die erst nach Eingang des Förderbescheids gestartet werden, was aus heutiger Sicht die Regel ist.“

Gigabit-Grundbuch

Neben der Potenzialanalyse, die viel Geld kostet, sollte aber auch das Gigabit-Grundbuch schnellstmöglich beerdigt werden, findet Dirk Fieml. Dort wird künftig flächendeckend jährlich der Stand des Ausbaus digital zur Verfügung stehen. Das sei zwar gut gemeint, aber extrem aufwendig und daher erst in einigen Jahren realisierbar. „Für ein solches Gigabit-Grundbuch müssten so ebenfalls erhebliche Steuergelder für ein Ergebnis investiert werden, das zur schnellen Umsetzung der Digitalisierung von Deutschland nichts beiträgt.“ Zielführender sei dagegen die Digitalisierung der Genehmigungsprozesse im Förderverfahren, wie sie ebenfalls vom BMDV angestrebt wird. Dabei sollte jedoch auf einheitliche Prozesse in Bund und Ländern geachtet werden.

Alternative Verlegemethoden

Auch die vorgesehenen „alternativen Verlegemethoden“ sieht Fieml kritisch. „Denn werden sie überall und unbedacht angewandt, kann man nicht mehr von Versorgungssicherheit im Breitbandnetz sprechen.“ Das gelte für die unterirdische und noch mehr für die oberirdische Verlegung. Denn unter dem Boden muss sichergestellt sein, dass die zufällige Zerstörung der Leitungen durch spätere Baumaßnahmen an Gehwegen oder bei der Erneuerung und Reparatur tieferliegender Strom-, Gas- oder Wasserleitungen ausgeschlossen wird. „Und wer Glasfaserkabel auf Holzpfählen durch die Landschaft führt, muss schlichtweg damit rechnen, dass diese Leitung im Laufe der Jahre mehrfach ersetzt werden muss.“ Es bleibt also Diskussionsbedarf für den Breitbandausbau. (pq)

www.tkt-vivax.de