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Cyberkrieg: Großer Knall oder Angriffe im Hintergrund?

10.03.2022 – Im Zusammenhang mit der russischen Invasion in die Ukraine steigt auch in Deutschland die Sorge vor möglichen Cyberattacken gegen kritische Infrastrukturen: Nachrichtenübermittlung, Energieversorgung, Verkehr, Industrieproduktion, Forschung, Verwaltung – nahezu kein Bereich kommt in einem hochentwickelten Land ohne moderne Informations- und Kommunikationstechnologien aus. „Attacken auf die digitale Infrastruktur durch kriminelle oder staatliche Organisationen bedrohen nicht nur den Wohlstand und die Sicherheit unserer Gesellschaft, sondern auch die Freiheit und Demokratie“, warnt Professor Jörn Müller-Quade vom KASTEL — Institut für Informationssicherheit und Verlässlichkeit des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT).

Foto Professor Mueller-Quade KIT


Prof. Jörn Müller-Quade erforscht kryptographische Verfahren im Bereich IT-Sicherheit. Foto: Amadeus Bramsiepe, Karlsruher Institut für Technologie

Cybersicherheitsexperten wie Müller-Quade bemängeln schon lange, dass Firmen, öffentliche Einrichtungen und Institutionen nicht gut auf digitale Bedrohungen vorbereitet seien. Er mahnt, hierzulande dringend mehrstufige Sicherheitskonzepte für kritische Infrastrukturen zu erarbeiten, die insbesondere auch analoge Notfallpläne beinhalten. Der Ausfall der Fernsteuerung tausender Windräder in der vergangenen Woche mache hellhörig. Der ganz große Angriff im Cyberkrieg könnte dennoch ausbleiben, glaubt er, weil dieser sofort bemerkt wird und Gegenmaßnahmen auslösen würde. Tatsächlich liefen viele Angriffe im Hintergrund, etwa um Ziele ausspähen, um später größere Attacken vorzubereiten.

Software-Entwicklung: Open-Source-Prinzip ist zielführend

Darüber hinaus bemängelt Müller-Quade vor allem die hohe Abhängigkeit Europas von Soft- und Hardware aus Herstellung in Drittländern. Deren Schwachstellen könnte man nur bedingt durchschauen, weil die Quellcodes nicht vorliegen. Ein Mittel, um die digitale Souveränität zu gewährleisten, sieht der Experte darin, mehr eigene stabile Software in Europa zu produzieren. Müller-Quade setzt dabei auf das Open-Source-Prinzip, also Software, deren Quellcode frei einsehbar ist und kollektiv verändert werden kann.

Den Aufbau einer Cyberarmee, wie er im Zuge der geplanten 100-Milliarden-Euro-Investition in die Bundeswehr debattiert wird, sieht Müller-Quade nicht als große Priorität. „Die IT-Sicherheit muss besser werden, damit wir gar nicht erst mit großen Schäden rechnen müssen, dieser Schutz scheint mir vordringlicher als der Aufbau einer Cyberarmee. Ich würde hier im übertragenen Sinne also hauptsächlich in Festungen investieren und nicht in Kanonen. Es geht darum, dass wichtige Einrichtungen auch dann noch funktionieren, wenn IT-Systeme versagen.“ (ds)

www.kit.edu