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06.12.2023 – Die steigende Zahl von Elektrofahrzeugen eröffnet neue Chancen für Stromversorger, erfordert aber auch einen neuen Blick auf die eigenen Rollen und Prozesse. Wie könnten Geschäftsmodelle aussehen?

Eine Million Elektroautos sollten bis 2020 auf Deutschlands Straßen fahren – das versprach zumindest Bundesumweltminister Norbert Röttgen im Jahr 2010. Ein frommer Wunsch bis großzügige Förderprogramme die Zahl der neu zugelassenen „Stromer“ zwischen 2019 und 2021 um mehr als das Fünffache ansteigen ließ. Eine Million sollten es also heute sein und die aktuellen Zulassungszahlen lassen vermuten, dass 2023 weitere 500.000 Elektrofahrzeuge dazukommen. Nach 2035 werden EU-weit keine Fahrzeuge mit konventionellem Verbrennungsmotor mehr zugelassen und tatsächlich denken mehr und mehr Autofahrer:innen positiv über ein Elektrofahrzeug. Für Unternehmen, die Strom verkaufen und sich mit elektrischer Infrastruktur auskennen, also ein wachsender Absatzmarkt. Wie aber kann man ihn erschließen?

Wachstumsmarkt Ladeinfrastruktur

Ein Ansatzpunkt sind die „Verkaufsstellen“, sprich: die Lademöglichkeiten, die sich natürlich hervorragend mit dem Stromvertrieb koppeln lassen. Das öffentliche Ladeangebot ist in den letzten Jahren erfolgreich ausgebaut und technisch deutlich verbessert worden: Nach einer Erhebung des BDEW standen im Juli 2023 über 100.000 öffentliche Ladepunkte mit insgesamt 4,5 Gigawatt (GW) installierter Ladeleistung zur Verfügung. Im „Deutschlandnetz“ werden weitere rund 900 Standorte und insgesamt knapp 8.000 Schnellladepunkte entstehen. Aktuell sind die öffentlichen Ladepunkte zwar höchstens zu 25 Prozent ausgelastet, so die Auswertung des BDEW-Ladesäulentrackers, doch das dürfte sich noch ändern.

Die Mehrzahl der öffentlichen Ladesäulen betreibt mit der EnBW mobility+ ein Versorger und tatsächlich haben praktisch alle EVU bis hin zum kleinsten Stadtwerke hier investiert. Führende Plätze im Ladesäulenregister der Bundesnetzagentur nehmen auch Handelsunternehmen, Hotelketten sowie Betreiber von Parkhäusern, Sport-, Kultur- und Freizeiteinrichtungen ein. Hier etablieren sich also Servicestandards, welche die Nachfrage nach Lademöglichkeiten für Kund:innen und Gäste befeuern. Eine positive Kundenerfahrung wird dabei übrigens zu zunehmend wichtigen Differenzierungsmerkmal.

Erheblichen Zuwachsraten sind auch im Bereich der gewerblichen Ladeinfrastruktur zu erwarten: Mit Blick auf Nachhaltigkeitsziele und steigende CO2-Preise werden immer mehr Firmenflotten elektrifiziert und auch für Mitarbeiter:innen mit privaten E-Fahrzeugen bietet die „Stromtankstellen“ am Arbeitsplatz einen positiven Anreiz. Die meisten Ladevorgänge finden bekanntermaßen zuhause statt und auch in diesem Segment stehen die Zeichen auf Wachstum, das zeigt nicht zuletzt die Nachfrage nach dem jüngsten Förderpaket für Wallboxen in Kombination mit PV und Speicher. Die Pflicht – Angebote für Kund:innen, die aktiv nach einer Wallbox für’s Eigenheim fragen – beherrschen die meisten EVU. An der Kür, nämlich potenziell interessierte Kund:innen zu identifizieren und erfolgreich anzusprechen, muss allerdings noch gearbeitet werden. Viel Luft nach oben ist auch noch in Mehrfamilienhäusern, sieht man von einigen Pilotprojekten einmal ab. Tatsächlich suchen Wohnungs- und Immobilienunternehmen gerade dringend nach Partnern, um Neubauten und Bestand „e-mobility ready“ zu machen.

Sinkende Einstiegshürden

Der vielleicht wichtigste Treiber für alle Segmente sind die Neuregelungen des § 14a EnWG, denn sie machen Ladeinfrastruktur planbar und bezahlbar. Ein wachsender Markt also für Full-Service Dienstleistungen im Aufbau und Betrieb öffentlicher, gewerblicher und wohnungswirtschaftlicher Ladepunkte – insbesondere, wenn dabei auch die Integration von PV und Speichern sowie das Lastmanagement mitgedacht werden.

Versorger mit ihren etablierten Kundenzugängen sind erster Ansprechpartner und anerkannter Kompetenzträger für elektrische Infrastruktur und damit definitiv in einer exzellente Position an diesen wachsenden Märkten. Wie positiv die Resonanz auf solche Komplettangebote des Versorgers aufgenommen werden, zeigen die Beispiele in unserem Sonderteil. Welche Konzepte ein Stadtwerk auch anbieten möchte – der Aufwand und die Kosten können dabei überschaubar bleiben. Für die komplexen und personalintensiven Aufgaben des Charge Point Providers (CPO) gibt es inzwischen kompetente Partner und Lösungen, von der Hardware über Installation und Betrieb bis hin zur intelligenten Plattform für das Infrastruktur- und Lademanagement.

Ladestrom und Ladekarte

Im Zuge der skizzierten Entwicklung steigt die Anzahl der Kund:innen, die den Strom eben nicht nur für Waschmaschine, Herd und Kühlschrank, sondern auch für das Elektroauto benötigen – eine gute Nachricht für Vertriebe, die passende Angebote im Portfolio haben. Ladekarten und -Apps für die Nutzung vor Ort und unterwegs stoßen nach den Erfahrungen vieler Stadtwerke auch bei jenen Mitbürger:innen auf positive Resonanz, die Strom oder Gas von anderen Lieferanten beziehen. Auch spezielle Ladestromtarife für Vertragskund:innen mit Elektrofahrzeug lohnen sich allein schon mit Blick auf deren (deutlich höhere) Stromverbräuche. Darüber hinaus stärken sie das positive Bild des „Rundum-Versorgers“, welches nachweislich eine starke Bindungskraft entfaltet. Die Pflicht zur Einführung flexibler Tarife können Versorger gerade in dieser Kundengruppe als Chance für wirklich innovative, überzeugende (Kombi-)Produkte nutzen. Dass die konventionellen Abrechnungssysteme die Prozesse des Emobility Providers (EMP) noch nicht unterstützen, sollte interessierte Unternehmen nicht abhalten – auch hier gibt es Dienstleister und Lösungen.

Gemeinsam erfolgreich

Die Konzepte von Stadtwerken und Versorgern, die Elektromobilität als erfolgreiches Geschäftsmodell entwickeln, unterscheiden sich naturgemäß. Einiges haben die fraglichen Unternehmen jedoch gemeinsam. Sie haben für das neue Geschäftsfeld neue Strukturen entwickelt: Netz und Vertrieb (und manchmal sogar Vertreter:innen der Stadt) sitzen an einem Tisch. Als weiteres Erfolgsrezept kristallisiert sich die Kooperation mit Anbietern innerhalb und außerhalb der Versorgungsbranche heraus. Viele gute Konzepte und Lösungen sind längst entwickelt und erprobt – und warten auf ihren Einsatz. (pq)