17.07.2024 – Forscher:innen im LISA4CL-Verbundprojekt haben ein stationäres induktives Ladesystem für Elektrofahrzeuge mit einer Ladeleistung von 22 kW entwickelt – speziell für den Flottenbetrieb von E-Fahrzeugen.
Seit einigen Jahren werden induktive Ladesysteme mit dem Ziel entwickelt, den Ladevorgang zu vereinfachen und so die Akzeptanz von Elektro- und Hybridfahrzeugen zu steigern. In diesem Zusammenhang sind bereits erste Standards und Normen entstanden, die die Grundlage für heutige induktive Systeme mit einer Ladeleistung um drei Kilowatt (kW) bilden.
Die Möglichkeit, den Ladevorgang dabei sogar kontaktlos zu gestalten, würde Betreiber:innen von Flottenfahrzeugen entgegenkommen, da der Verzicht auf Ladekabel den Bedienungsaufwand für die Fahrer:innen verringert. Zudem bietet die induktive Ladetechnik eine optisch unauffällige Lösung für das Stadtbild, da sie ohne Ladekabel auskommt.
Blick auf das induktive Ladepad (am Boden vor dem Fahrzeug) und den für induktives Laden nachgerüsteten VW e-Crafter. (Fotos: TU Braunschweig / elenia)
Allerdings fallen die Ladezeiten bei dieser Ladeleistung vergleichsweise hoch aus, da diese Leistungsklasse primär für den Heimbedarf im Hinblick auf Ladungen über Nacht entwickelt wurde. Für Teile des öffentlichen Raums und den innerstädtischen Flottenbetrieb im gewerblichen Bereich – wie etwa für Taxis oder Paketdienstleister – wären schnellladefähige Systeme mit höherer Leistung von Vorteil. Der Grund hierfür liegt auf der Hand: Gerade bei vielgenutzten Fahrzeugen im Flottenbetrieb sind möglichst kurze Standzeiten und somit auch kurze Ladezeiten notwendig.
An dieser Stelle setzt das Forschungsverbundprojekt LISA4CL der Technischen Universität Braunschweig und der INTIS GmbH an. Das Unternehmen aus Lathen rüstete zu diesem Zweck ein Erprobungsfahrzeug um und baute die Ladetechnik erstmalig auf. Ziel des Projekts ist es, mithilfe des schnellladefähigen und induktiven 22 kW-Ladesystems eine bedarfsgerechte Ladeinfrastruktur für Fahrzeugflotten zu entwickeln. Unter bedarfsgerecht verstehen die Projektbeteiligten, die Anzahl der Ladepunkte auf den tatsächlichen Bedarf zu reduzieren, um anfallende Infrastrukturkosten so gering wie möglich zu halten. Zudem soll die induktive Schnellladeinfrastruktur abwärtskompatibel sein und so einen Zugang für alle Fahrzeugtypen bieten.
Erste Projektphase abgeschlossen
Vor dem Anlauf der Praxistestphase wurde mit der Entwicklung des induktiven 22 kW- Ladesystems der Grundstein des Projektes gelegt. Das induktive Ladesystem besteht aus einer straßen- und einer fahrzeugseitigen Komponente. Mithilfe von Magnetspulen wird Strom berührungslos vom Straßenboden zum parkenden Erprobungsfahrzeug – ein hierfür ertüchtigter VW e-Crafter – übertragen. Im Fahrzeug wird dann die empfangene elektrische Energie über leistungselektronische Schaltungen in die Hochvoltbatterie eingespeist.
Neben der anvisierten hohen Ladeleistung von 22 kW ist der möglichst große Wirkungsgrad beim kabellosen Laden ein zentraler Punkt, um die Konkurrenzfähigkeit gegenüber dem konservativen kabelgebundenen Laden sicherzustellen. Vor diesem Hintergrund wurde bei der Entwicklung und Auslegung des Systems ein besonderes Augenmerk auf den Wirkungsgrad gesetzt: „Für einen hohen Gesamtwirkungsgrad müssen sowohl die Einzelkomponenten als auch die gesamte Wirkungsgradkette optimiert werden“, stellt Tim-Hendrik Dietrich, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Elektrische Maschinen, Antriebe und Bahnen der TU Braunschweig, heraus.
Praxistest läuft an
Mit der Übergabe der induktiven Ladesta- tion an das Gebäudemanagement der TU Braunschweig wurde der Startschuss für die praktische Erprobung auf den Straßen gegeben. „Der praktische Feldtest stellt für das Projekt einen ganz wesentlichen Baustein dar, mit dem wir unsere Technologie im praktischen Einsatz auf ihre langfristige Funktion und den Nutzen beim Anwender überprüfen“, sagt Professor Markus Henke, Institutsleiter des IMAB.
So sollen auch über die angesetzte Projektlaufzeit hinaus weitere Erkenntnisse aus dem alltäglichen Praxisbetrieb abgeleitet werden können. Mögliche Vereinfachungen im Betriebsablauf durch die kontaktlose Ladetechnik oder die Auswirkungen auf die Reichweite durch das sogenannte Gelegenheitsladen sind nur einige Aspekte, denen nachgegangen wird.
Potenzielle Effekte auf das Stromnetz – unter der Annahme, dass die Zahl der Ladepunkte in Zukunft merklich ansteigen wird – liegen ebenfalls im Forschungsinteresse. Zu diesem Zweck ist auf der Infrastrukturseite des induktiven Ladesystems ein Netzanalysemessgerät integriert, das die Energieaufnahme sowie die Leistung des Systems aufzeichnet. Darüber hinaus werden mit dem Messgerät Netzqualitätsparameter gemessen, um mögliche Netzrückwirkungen zu identifizieren.
Die Projektphasen von LISA4CL. Foto e-Crafter: VW-Nutzfahrzeuge / Grafik: TU Braunschweig, elina
Normierungsoffensive
Ein wichtiger Aspekt, damit sich das Gesamtsystem am Markt durchsetzen kann, besteht nach Ansicht der Projektbeteiligten in der Interoperabilität: Um Fahrzeuge unabhängig vom Hersteller auf allen induktiven Ladestationen laden zu können, werden Standards und Normen für das kabellose Laden erarbeitet. Mit diesen regulatorischen Statuten sollen auf der einen Seite die Anforderungen an die kontaktlose Energieübertragung festgelegt werden.
Auf der anderen Seite soll das wichtige Element der Kommunikation zwischen Fahrzeug und induktiver Ladestation geregelt werden. Der Hintergrund hierfür: Bei der Durchführung von Ladevorgängen ist eine passgenaue Kommunikation zwischen Elektrofahrzeug und betreffender Ladestation ausschlaggebend. Die Realisierung der Hard- und Software für die Ladekommunikation war daher ein weiterer Punkt bei der Grundlagenentwicklung des Systems: „Die Umsetzung von Anforderungen aus nun verfügbaren technischen Standards zur Ladekommunikation beim induktiven Laden ist ein zentraler Baustein für die Durchsetzung der Technologie“, erklärt Gian-Luca Di Modica, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut elenia der TU Braunschweig.
Das Projekt hat sich zusätzlich zum Ziel gesetzt, bei der Standardisierung der Ladeleistungsklasse 22 kW zu unterstützen. „Mit unseren Erkenntnissen aus dem Projekt werden wir Empfehlungen formulieren und sie international agierenden Standardisierungsgremien vortragen“, führt INTIS-Geschäftsführer Dr. Ralf Effenberger aus.
Einbindung in intelligente Ladekonzepte
Ein weiterer Schwerpunkt des Forschungsprojekts beinhaltet die Entwicklung spezieller Ladekonzepte für solche Elektrofahrzeuge, die primär im Flottenbetrieb eingesetzt werden. Dabei stehen zwei Aspekte im Fokus: Einerseits wird dem erzeugungsorientierten Laden mit erneuerbaren Energien besondere Aufmerksamkeit geschenkt, um die Flotte möglichst ökonomisch und ökologisch zu betreiben. Andererseits steht das netzorientierte Laden in Abhängigkeit von Daten zum aktuellen Status des Stromnetzes im Blickpunkt, um die Auswirkungen auf das Gesamtnetz zu reduzieren.
In die Entwicklung der Ladekonzepte sind die realen Lade- und Messdaten zur Netzqualität aus einem konduktiven Flottenfeldtest – ein Vorläuferprojekt, bei dem Untersuchungen mit konduktiver Ladeinfrastruktur durchgeführt wurden – mit eingeflossen. „Intelligente Ladekonzepte nehmen eine wesentliche Rolle in der Mobilitätswende ein, weil diese in Netzen höhere Durchdringungen von Elektrofahrzeugen ohne Netzausbau ermöglichen und die CO2- Bilanz von Elektrofahrzeugen durch die optimale Einbindung von erneuerbaren Energien erhöhen“, resümiert Professor Bernd Engel, Institutsleiter des elenia an der TU Braunschweig. (cp)