16.10.2025 – Die Elektromobilität kommt im Alltag an, rund um die Ladeinfrastruktur entsteht ein neuer, dynamischer Markt. Die deutsche Versorgungswirtschaft ist gut aufgestellt, aber der Wettbewerbsdruck steigt.
Im Februar 1886 meldete der deutsche Ingenieur Carl Benz sein „Fahrzeug mit Gasmotorenbetrieb“ zum Patent an, heute sind rund 45 Millionen Pkw mit Verbrennungsantrieb in Deutschland zugelassen. Hinzu kommen 3,7 Millionen Lkw sowie etwa 565.000 Busse. Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Dekarbonisierung des Straßenverkehrs wohl ein Generationenprojekt ist.
Doch die Richtung stimmt: So waren im September 2025 etwa 1,7 Millionen rein batteriebetriebene Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen unterwegs, jeder fünfte Neuwagen ist inzwischen ein „Stromer“. Vorreiter sind aktuell Unternehmen, die ihre Fuhrparks elektrifizieren – motiviert durch Steuervorteile, aber auch durch die mittelfristig steigenden CO2-Preise. Viele investieren bekanntermaßen in eigene Ladeinfrastruktur und suchen Partner für Umsetzung und Betrieb. Auch bei Privatpersonen gewinnen Elektrofahrzeuge an Beliebtheit und überzeugen im Alltag: Fast zwei Drittel der Besitzer:innen, die der BDEW für den aktuelle Elektromobilitätsmonitor befragen ließ, würden das elektrische Fahren uneingeschränkt weiterempfehlen.
Laden im öffentlichen Raum

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Dies mag auch daran liegen, dass das öffentliche Ladeangebot kontinuierlich zunimmt. Im Juli 2025 gab es rund 184.000 Ladepunkte mit einer Leistung von 8,5 GW, die Bundesregierung will weitere 1,7 Milliarden Euro in den Ausbau investieren.
Die Stromnachfrage steigt erkennbar: Rund 689 GWh Ladestrom wurden laut elvah-Lademarkt-Report im ersten Halbjahr 2025 al- lein über öffentlich zugängliche Ladepunkte abgegeben – und der Preis ist auch ohne Roaming-Gebühren oft höher als zuhause. Ohne Frage ein attraktiver Markt für Stromlieferanten, die zwischenzeitlich auch aus dem europäischen Ausland kommen.
Den Wert gut ausgelasteter und intensiv genutzter Ladestandorte zeigen die Zahlen aus dem aktuellen elvah-Report ebenfalls: So wurden in Q2/2024 allein an den AC- und DC-Ladepunkten des VW- Werks in Wolfsburg und des BMW-Werks in München 2,4 GW Ladestrom „getankt“, ein DC-Standort der Stadtwerke Pirna ist mit 29,8 Prozent beinahe doppelt so stark ausgelastet wie die durchschnittliche deutsche Ladesäule, die laut BDEW nur zu 15 Prozent belegt ist. Leider sind gute Standorte nicht beliebig vermehrbar. Daher lohnt es sich, solche zu identifizieren und überzeugende Umsetzungs- und Vergütungsmodelle für die Eigentümer und -betreiber zu entwickeln. Das bestätigt ein Blick auf den aktuellen Lademarkt.
Hier hat die EnBW frühzeitig wichtige Standort für DC/HPC akquiriert und erschlossen – und liegt hier mit 30 Prozent Marktanteil und großem Abstand zu anderen Anbietern nach wie vor an bundesweit führender Position. In zwei Bundesländern – Hamburg und Thüringen – haben jüngst die regionalen Versorger diesen Platz eingenommen. Diese Entwicklung und die Tatsache, dass 70 Prozent der Marktanteile von anderen Anbietern gehalten werden, zeigen, dass auch beim Schnellladen noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Durch neuartige Ladeangebote an den Fernstraßen und den weiteren Ausbau von Schnelllademöglichkeiten in der Fläche könnten sich die Gewichte hier künftig noch verschieben.
Der AC-Markt ist deutlich fragmentierter und wettbewerbsintensiver, wie der elvah-Report zeigt. Zwischen dem bundesweiten Marktführer Vaylens (compleo) mit 8,2 Prozent Marktanteil bundesweit und den zweitplatzierten Hamburger Energiewerken mit 4,5 Prozent, liegt nur ein geringer Abstand. In den einzelnen Bundesländern haben aktuell noch die großen regionalen Versorger die Nase vorn – ob das so bleibt, hängt allerdings davon ab, ob und in welchem Umfang sie weitere Ausbaupotenziale nutzen können.
Mehr Wettbewerb
Die Voraussetzungen sind gut, denn bei vielen kritischen Themen – Netzanschluss, technischer Service, Strombelieferung oder Standortwahl – befindet sich der regionale Versorger in einer deutlich besseren Position als jeder externe CPO oder Dienstleister. Doch diese Position muss heute aktiv verteidigt werden, denn der Wettbewerb nimmt zu. Der Markt diversifiziert und professionalisiert sich in allen Segmenten. Als EMPs, CPOs oder technische Dienstleister stehen längst nicht mehr nur die örtlichen Stadtwerke, (deutsche) Energieversorger oder Netzbetreiber zur Verfügung und die Erwartungen der Ladekund:innen und der Flottenbetreiber steigen schnell. Zügige Projektumsetzung und differenzierte Servicenangebote, hohe Verfügbarkeit und Bedienkomfort der Ladeinfrastruktur sind hier zentrale Differenzierungsmerkmale.
Leistungsfähige Lade- und Anschlusstechnik, transparente digitale Prozesse für Nutzer:innen sowie skalierbare Monitoring- und Wartungsprozesse werden damit immer wichtiger. Mit Blick auf knapper werdende Anschlusskapazitäten und neue regulatorische Rahmenbedingungen sollte man zudem die Entwicklungen beim Last-/Lademanagement, aber auch neue Konzepte wie etwa Solar- und Speicherintegration, Flexibilitätsvermarktung oder Vehicle-to-Grid im Auge behalten.
Bewegung bei den Großen
Im Güter-, Bus- und Personennahverkehr wirken die hohen Anschaffungskosten und die besonderen Anforderungen an die Ladeinfrastruktur noch als begrenzende Faktoren. Doch laut einer Studie von PwC vom April dieses Jahres setzen etwa 2.500 Verkehrsunternehmen in Deutschland E-Busse ein, electrive.net beziffert den Anteil der Stromer an der rund 35.000 Fahrzeuge starken ÖPNV-Flotte auf etwa 10 Prozent. Hier sind Netzbetreiber und Versorger als Umsetzungspartner im kommunalen Verbund gesetzt -– und qualifizieren sich eigentlich für einen weiteren wachstumsstarken Markt: die Ladeinfrastruktur für den elektrifizierten Güterverkehr.
Der BDEW vermeldet aktuell 70 Ladestandorte für E-Lkw entlang des Autobahnnetzes, die Betreiber rekrutieren sich aus der Energie-, Mineralöl- und Nutzfahrzeugbranche sowie spezialisierten Unternehmen. Ausreichen wird diese Infrastruktur vermutlich nicht. Da Logistikstandorte zudem häufig gute Voraussetzungen für den Aufbau eigener Ladepunkte aufweisen, rechnen Expert:innen damit, dass dort auch künftig vermehrt Infrastruktur aufgebaut wird. Diesen Markt zu sondieren, lohnt sich auch für regionale Versorgungsunternehmen – denn auch die kleinen Speditionen werden über kurz oder lang elektrisch fahren.
… und bei den Kleinen
Gleiches gilt für den Privatkund:innen-Markt: 668.000 geförderte Wallboxen gab es bereits Ende 2023, inzwischen dürfte sich die Anzahl vervielfacht haben – nicht zuletzt dank §14a EnWG. Laut BDEW laden 80 Prozent der E-Autofahrer:innen mehrheitlich zuhause. Das ist rund 30 Prozent günstiger als eine Tankfüllung mit Benzin und der mit Abstand preiswerteste Weg, die Fahrzeugbatterie zu füllen. In Kombination mit einer eigenen PV-Anlage, Speicher, HEMS und flexiblem Tarif sinken die Ladekosten weiter. Entsprechende Bündelangebote werden damit für Kund:innen im Einfamilienhaus immer attraktiver. Das haben unabhängige Versorger und branchenfremde Anbieter bereits erkannt und machen hier gute Geschäfte. Sie sollten nicht die Einzigen bleiben. (pq)

