08.11.2022 – Ein neu entwickelter Speicher nutzt das Prinzip des Schwungrads. Angeschlossene Schnellladestationen können mit bis zu 350 kW Ladeleistung für E-Autos, -Busse und -Lkw versorgt werden.
Besitzer:innen von Elektrofahrzeugen wünschen sich Lademöglichkeiten an den im Alltag häufig besuchten Orten – auf Parkplatzflächen vor Supermärkten, an Tankstellen oder am jeweiligen Firmensitz. Allerdings reichen die verfügbaren Netzanschlusskapazitäten vor allem beim Aufbau von Schnellladeinfrastruktur häufig nicht aus. Die Adaptive Balancing Power GmbH (ABP) bietet eine Schnellladelösung, die ohne Mittelspannungsanschluss und einen Trafo auskommt. Bei dem ABP-Ladesystem, das neben dem Speicher auch die Ladestationen umfasst, können bis zu vier Ladepunkte mit der gespeicherten Energie versorgt werden. Alternativ liefert ABP nur den Speicher, auch hierbei, so verspricht der Hersteller, könne die identische Anzahl an zu versorgenden Ladepunkten angeschlossen werden. Bei der eigenen Speicher-Lade-Kombination ist die Ladeleistung auf 250 kW begrenzt. Ladestationen externer Anbieter können über den Speicher mit bis zu 350 kW versorgt werden.
Kinetischer Energiespeicher: Bewährtes Prinzip neu umgesetzt
Kern der ABP Lade- und Speichertechnologie ist ein magnetisch im Hochvakuum gelagerter Schwungmassenspeicher, der von dem Unternehmen aus dem hessischen Pfungstadt entwickelt wurde. Bereits die Töpferscheibe und der Kreisel nutzten das Schwungrad, um Rotationsenergie zu speichern. „Bei unserem kinetischen Energiespeicher wird dieses bewährte Prinzip neu umgesetzt. Die Schwungmasse aus Kohlenstofffaser ist in einem Hohlzylinder magnetisch gelagert. Mithilfe des Hochvakuums und der magnetischen Lagerung können wir Reibung minimieren und die Effizienz erhöhen“, erklärt Kevin Bohla, Business Development Manager bei Adaptive Balancing Power. Ein Elektromotor beschleunigt das Schwungrad, um den Energiespeicher zu laden. Bei laufendem Generator bremst der Motor die Schwungmasse wieder ab, die in der Rotation gespeicherte Energie wird in Strom umgewandelt.
Weniger Lärm durch Schwungmassenspeicher
Gleichzeitig spare die kompakte Bauweise – die Maße des Gehäuses betragen 2 x 1,20 x 2,20 Meter – Platz ein, vor allem im öffentlichen Raum ein wichtiger Aspekt. Im Speicher bzw. in der Einhausung sind mehrere DC/DC-Wandler verbaut. Diese werden zusammen mit der restlichen Leistungselektronik gekühlt. Dafür entfällt nahezu jegliche Kühlung in der Ladestation. Für den Ladenden ist an der Ladestation nahezu keine Lärmimission wahrnehmbar. Der Schwungmassenspeicher selbst produziert aufgrund des Vakuums keine Lärmimmissionen, die Vakuumpumpe und mehrere Lüfter sind laut Kevin Bohla die einzigen Lärmquellen. „Unsere Technologie ist auch wartungsarm, lediglich der Luftfilter muss ausgetauscht werden.“
Drei Anwendungsbereiche der Speicher-Lade-Kombination
Neben dem eingangs erwähntem Schnellladen von Elektroautos ist die Speicher-Lade-Kombination von ABP auch im Bereich Lkw und Logistik sowie im ÖPNV einsetzbar. „Beim Laden von Lkw können wir entweder Schnellladen rund um die Uhr oder im Wechsel – Laden in Normalgeschwindigkeit bei Nacht und Schnellladen am Tag – realisieren. Da sich unser Ladesystem einfach auf- und abbauen lässt, ist es auch für temporär verfügbare Logistikflächen geeignet“, schildert Kevin Bohla. Das integrierte Lastmanagement kann laut ABP mit dem Energiemanagement des Kunden interagieren. „Alternativ kann auch eine kundenspezifische Lösung implementiert oder ein standardmäßiges Energiemanagement eingesetzt werden“, berichtet der Business Development Manager.
Effizienteres Busladen
Im öffentlichen Personennahverkehr herrschen zwei Ladekonzepte vor: Beim Depotladen wird der Elektrobus mit einer voluminösen Batterie ausgerüstet, die über Nacht im Busdepot geladen wird. Hingegen wird beim Streckenladen eine kleinere Batterie verwendet und im laufenden Betrieb an den Haltestellen nachgeladen, während die Fahrgäste ein- und aussteigen.
Kevin Bohla erläutert, warum Adaptive Balancing Power das Streckenladen favorisiert: „In einem konkreten Anwendungsfall, der im November im ländlich geprägten Bensheim startet, wird der Bus 20-mal am Tag mit zehn Kilowattstunden geladen. Beim Depotladen müsste während der Schulzeit ein zweiter Bus eingesetzt werden. Zudem sind kleinere Batterien natürlich günstiger in der Anschaffung und werden beim Streckenladen in einem batterieschonenden Zustand gehalten.“ Die Isabellenhütte stellt in dem Projekt eichrechtskonforme DC-Zähler zur Verfügung. Der Ingenieurdienstleister CuroCon kümmert sich um die Leistungselektronik und die Kommunikation zwischen dem Ladesystem von ABP und den Elektrobussen der Verkehrsgesellschaft Gersprenztal (VGG). Das Reiner-Lemoine-Institut übernimmt die wissenschaftliche Begleitung.
Kombinierte Nutzung
Eine Nutzung des Speicher-Lade-Systems von unterschiedlichen Fahrzeugtypen sei ebenfalls denkbar: Tagsüber könnten beispielsweise E-Busse geladen werden, in den Abendstunden wären Taxis an der Reihe – die Schnittstelle beim Speicher bleibt identisch. Laut Kevin Bohla könne sich ABP mittelfristig auch vorstellen, Speicherlösungen für Netzstabilisierung und Microgrids anzubieten. (ds)