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Vollelektrische Baustellen

18.10.2025 – Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb mindern Schadstoff- und Lärmemissionen – natürlich nicht nur auf der Straße. Auf den „NETZbaustellen der Zukunft“ hat Netze BW untersucht, ob die Elektrifizierung eine Option für Baumaßnahmen ist.

Der Elektrobagger auf der NETZbaustelle Bönnigheim. (Foto: Netze BW GmbH)

Baustellen haben nicht den besten Ruf – und das zu Recht. Sie machen Lärm und die zumeist dieselbetriebenen Baustellenfahrzeuge und Baumaschinen stoßen jede Menge Schadstoffe aus. Erste elektrisch betriebene Bagger, Lkw, Stampfer, Rüttelplatten und andere Baumaschinen sind bereits am Markt. Doch können sie ihre kraftstoffbetriebenen Pendants wirklich ersetzen und damit einen Beitrag zur Dekarbonisierung der Mobilität leisten? Die Netze BW, die als einer der ersten Netzbetreiber bereits seit 2021 klimaneutral wirtschaftet, wollte es genauer wissen. Denn auch in ihrem Netzgebiet stehen in den nächsten Jahren zahlreiche Modernisierungs-, Ausbau- und Netzverstärkungsmaßnahmen an. Unvermeidlich wird die Anzahl der Baustellen dadurch weiter zunehmen.

NETZbaustellen der Zukunft

Im September 2024 startete Netze BW in Bönnigheim und Rangendingen zwei Pilotbaustellen für das Programm „NETZbaustelle der Zukunft“. Gemeinsam mit Baupartnern testete das Unternehmen dort den Einsatz vollelektrischer Baumaschinen und Fahrzeuge. Zudem kamen auf den beiden NETZbaustellen die Prototypen eines elektrischen Spülbohrgeräts und eines elektrischen Gehwegfertigers zum Einsatz. Ziel war es, die technischen Möglichkeiten und Auswirkungen auf Bauablauf, Kosten, Mensch und Umwelt zu untersuchen.

Vollelektrische Baumaßnahmen über mehrere Wochen und Monate werden in Skandinavien schon teilweise umgesetzt. In Deutschland sind sie bisher ein Novum und auch die Netze BW betrat hier Neuland. Doch am Ende stand ein grundsätzlich positives Fazit: Es funktioniert – aber mit Einschränkungen. Sämtliche Tätigkeiten auf den Netze BW-Tiefbaustellen sind auch mit Elektrofahrzeugen und -maschinen umzusetzen. Die Vorteile liegen vor allem in der geringeren Geräuschkulisse, den deutlich geringeren CO2-Emissionen und der erhöhten Arbeitssicherheit. Aber: Begrenzte Verfügbarkeit, teilweise zu geringe Batteriekapazität und hohe Mehrkosten sind Herausforderungen, die es zukünftig noch zu meistern gilt.

CO2-Ausstoß und Lärm reduziert

Messeinrichtung und elektrische Kleingeräte. (Foto: Netze BW GmbH)

Die lokalen Schadstoffemissionen der Baumaschinen und -fahrzeuge konnten durch den Umstieg auf elektrische Antriebe komplett vermieden werden. Auch unter Einbezug der Vorkette schneiden sie im Vergleich zu konventionellen Geräten deutlich besser ab. Mit aktuellem Strommix lassen sich mehr als 50 Prozent der CO2-Emissionen einsparen, mit Grünstrom sogar bis zu 96 Prozent. Zudem wurden Schadstoffe wie Feinstaub reduziert.

Die elektrische Bauweise senkt darüber hinaus Lärmemissionen deutlich, wie Messungen des TÜV Süd bei Pilotbaustellen zeigten. Besonders bei Maschinen mit starken Motorgeräuschen wurden große Geräuschminderungen festgestellt: Der Bagger mit Elektroantrieb ist um 38 Prozent leiser, der E-Lkw reduziert den Lärm sogar um 99,9 Prozent gegenüber herkömmlichen Modellen. Das kommt auch den Nachbarn und dem Baustellenpersonal zugute. So ergab eine Umfrage vor Ort, dass die Anwohner:innen durch die Baumaßnahmen deutlich weniger Lärm wahrgenommen haben als üblicherweise. Beim Baupersonal erleichterte die geräuschärmere Umgebung nicht nur die Kommunikation – in Verbindung mit dem geringeren Schadstoffausstoß erhöhte sich auch die Arbeitssicherheit.

Verbesserungspotenziale

Obwohl die Baubranche zunehmend auf emissionsarmes Arbeiten setzt, sind elektrische Baumaschinen noch selten und müssen vielfach ausgeliehen werden. Dadurch verlängerte sich die Bauvorbereitung und schlägt sich, wie NetzeBW berichtet, in hohen Zusatzkosten nieder. Viele der eingesetzten Baugeräte gehören außerdem zur ersten Generation elektrischer Varianten, was auf den Pilotbaustellen teilweise zu Ausfällen führte. Ein kurzfristiger Ersatz bei Defekten ist aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit elektrischer Baumaschinen häufig nicht möglich.

Ein weiteres kritisches Thema ist die Stromversorgung vor Ort: Für die elektrische Bauweise ist ein Baustromanschluss mit ausreichend verfügbarer Leistung notwendig. Zudem müssen Lademöglichkeiten in unmittelbarer Nähe der Baustelle errichtet werden – beides erfordert Prozessse und Technologien, die es bisher auf den meisten Tiefbaustellen der Netze BW nicht gab.

Ein elektrisches Spülbohrgerät wurde im Rahmen des Projekts erstmals auf einer realen Baustelle eingesetzt. (Foto: Netze BW GmbH)

Konkret führten begrenzte Batteriekapazitäten bei Elektrobaggern und E-Lkw auf den Pilotbaustellen zu Verzögerungen. Besonders der Bagger musste wegen leerer Batterie frühzeitig stoppen und das Nachladen in der Mittagspause war zunächst ineffizient, da die Ladeleistung auf 11 kW beschränkt war. Durch eine mobile Ladesäule im zweiten Bauabschnitt konnte die Batterie während der Pause schneller geladen und das Problem größtenteils behoben werden.

Kettenbagger verbrauchen beim Fahren viel Energie, daher sollte die Entfernung zum Ladepunkt möglichst kurz sein. In der Konsequenz müssen die Arbeitsabläufe auf elektrische Baumaschinen abgestimmt werden, um unnötige Fahrten zu vermeiden. Da es kein geeignetes batteriebetriebenes Asphaltschneidgerät gibt, mussten kabelgebundene Geräte verwendet werden. Das führte zu zusätzlichem Infrastruktur- und Kabelaufwand und verlangsamte die mobilen Tiefbaustellen. Auch bei Kleingeräten wie Rüttelplatten und Stampfern gab es nach Angaben von Netze BW bisweilen Probleme: Die Wechselakkus halten nicht lange, daher sind Ersatzakkus nötig. Ein mobiler Batteriespeicher könnte allerdings helfen, Akkus direkt an der Baugrube zu laden.

Hohe Mehrkosten

Die verlängerte Bauzeit mit elektrischen Maschinen und Fahrzeugen schont zwar das Klima, führt nach den Erfahrungen auf den NETZ- Baustellen aber auch zu hohen Mehrkosten. Zwar liegen die reinen Betriebskosten der elektrischen Maschinen meist unter denen ihrer konventionellen Pendants, jedoch wirken sich die längere Arbeitszeit, der zeitweise Stillstand aufgrund von Defekten sowie die zusätzlichen Mietkosten insgesamt kostensteigernd aus. Noch ist der Kaufpreis von elektrischen Baumaschinen und -fahrzeugen zudem zwei- bis dreimal so hoch wie bei konventionellen Modellen. Mit leistungsfähigeren und günstigeren Batterien könnten elektrische Baumaschinen insgesamt attraktiver werden. Gleichzeitig sollte ihre Auswirkung auf das örtliche Stromnetz aber genau geprüft werden.

Langfristige Perspektive

Die ersten Pilotbaustellen des baden-württembergischen Netzbetreibers zeigen eindeutig: Die Elektrifizierung von Bauprojekten bringt große Vorteile für Mensch und Umwelt. Einzelne Baugeräte und Batteriespeicher überzeugen bereits, eine teilweise Elektrifizierung sei somit möglich. Auch Tagesbaustellen könnten technisch bereits elektrisch betrieben werden. Wegen eingeschränkter Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit, Batteriekapazität und hohen Kosten ist ein flächendeckender Einsatz vollelektrischer Baumaschinen nach Einschätzung von Netze BW aktuell noch nicht möglich. Die langfristige Umsetzung wird jedoch mit Partnern geprüft. (pq)

www.netze-bw.de