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Ausschreibungsregeln für Offshore-Wind-Flächen in der Kritik

10.01.2024 – Die Stiftung OFFSHORE-WINDENERGIE hat eine Analyse und Grundsatzkritik des aktuellen Ausschreibungsdesigns für Offshore-Wind-Flächen in Deutschland veröffentlicht.  

Bild: Funktioniert das Ausschreibungsdesign für Offshore-Windenergie? Diese Frage ist aktuell sehr umstritten. (Bild: Bru_nO_sunset-2469104_1280_pixabay.com) 

Bild: Funktioniert das Ausschreibungsdesign für Offshore-Windenergie? Diese Frage ist aktuell sehr umstritten. (Bild: Bru_nO_sunset-2469104_1280_pixabay.com)

Gemeinsam mit den Erneuerbaren Energien & Offshore-Wind-Organisationen WAB (WAB e.V.), Erneuerbaren Energien Cluster Hamburg (Förderverein EEHH e.V.) & WindEnergy Network (WEN) sieht die Stiftung dringenden Anpassungs- und Handlungsbedarf. Anderenfalls drohe Deutschland, die Fehler bei der Versteigerung von UMTS-Lizenzen zu wiederholen – mit dem Risiko von massiven industriepolitischen Nachteilen, einer Schwächung der Wettbewerbs- und Akteursvielfalt und der Schaffung neuer energiepolitischer Abhängigkeiten. 

Anlass für die Veröffentlichung des Papiers: Dem Bundeskabinett soll ein erster Entwurf eines Erfahrungsberichtes zum Windenergie-auf-See-Gesetz 2023 vorgelegt werden, welches in seiner aktuellen Form am 1. Januar 2023 in Kraft getreten war. Herzstück des Gesetzes ist ein neues Ausschreibungsdesign zur Vergabe von Flächen in Nord- und Ostsee, auf denen zukünftig Offshore-Windparks gebaut werden sollen. In dem zweigeteilten Auktionsdesign werden sowohl Flächen vergeben, die zentral durch die zuständige Bundesbehörde BSH voruntersucht wurden, als auch solche, bei denen die Boden- und Umweltuntersuchungen durch die erfolgreichen Bieter zu erfolgen haben. Bei den erstgenannten Flächen erfolgt die Vergabe in einer Kombination aus Bieterwettstreit und qualitativen Kriterien. Im zweiten Fall ausschließlich über einen Bieterwettstreit. 

Anders als in der Vergangenheit liege der Fokus damit primär darauf, die Erlöse für den Staat zu maximieren, so die Stiftung. 

Bilanz 2023 

Im vergangenen Sommer wurden erstmalig vier Flächen mit 7 GW zu installierender Leistung – also ungefähr der Leistung von sieben mittleren AKWs – an die zwei siegreichen Bieter TotalEnergies und BP gegen eine Zahlung von 12,6 Milliarden Euro vergeben. 800 Millionen wurden über das andere Regime erlöst. Der Staat erzielte damit Einnahmen in Höhe von 13,4 Milliarden Euro, verteilt auf 20 Jahre. Auch die in diesem Jahr geplanten Auktionen für fast 9 GW sollen unter denselben Regeln stattfinden. 

Massive Kritik der Branche 

„Insbesondere die Ausschreibungsregeln für die nicht zentral voruntersuchten Flächen setzen auf den rein marktwirtschaftlichen Mechanismus eines Bieterwettbewerbs zur Steigerung der Einnahmen durch den deutschen Staat. Das verkennt jedoch völlig die Realität und die aktuellen Herausforderungen der Branche. Wir riskieren hierdurch nicht nur massive industrie- und wettbewerbspolitische Kollateralschäden, sondern auch die fristgerechte Umsetzung der Ausbauziele“, befindet Stiftungsgeschäftsführerin Karina Würtz. „Hier braucht es dringend eine noch stärkere Zusammenführung von Energie- und Industriepolitik, die sich sowohl strategisch wie strukturell in den relevanten Ministerien niederschlagen muss.“    

Fakt ist, die Unternehmen müssen die hohen Investitionskosten zurückverdienen, die unter dem bestehenden Regime bis zu eineinhalbmal so hoch sind. „Dies kann einerseits über die Vermarktung des Stroms zu Premiumpreisen geschehen, andererseits durch noch stärkeren Druck auf die Lieferkette“, stellt Sebastian Averdung, Vorsitzender des EEHH e.V., fest. „Heißt: entweder deutlich teurerer Strom für Wirtschaft und Gesellschaft oder ein ruinöser Preiswettbewerb zwischen Projektierern und Zulieferern. Beides kann nicht gewollt sein. Statt ein ‚race to the bottom‘ zu betreiben, wäre es sinnvoller, sich an erfolgreichen Ausschreibungsmodellen, wie etwa in den Niederlanden, zu orientieren.“  

Lessons Learned? UMTS-Lizenz-Auktionen als warnendes Beispiel 

 Mit der Fortführung der Ausschreibungen unter dem derzeitigen Auktionsdesign drohe eine Wiederholung von Fehlern aus der Vergangenheit, warnen die Initiatoren und verweisen auf die UMTS-Lizenzvergaben im Jahr 2000 als abschreckendes Beispiel für öffentliche Ausschreibungen, die sich wesentlich auf die Maximierung staatlicher Einnahmen konzentrierten: Obwohl diese zu einer Maximierung der staatlichen Einnahmen geführt hätten, sei das Resultat gleichzeitig eine der schlechtesten Netzabdeckungen in Europa gewesen, da viele der erfolgreichen Bieter anschließend nicht in der Lage waren, die hohen gezahlten Summen in ein rentables Geschäftsmodell zu übersetzen. In der Konsequenz wurden Lizenzen in den Folgejahren wieder zurückgegeben oder an Qualität und Ausbau gespart. Andere Länder hingegen hatten alternative Ausschreibungssysteme implementiert, die zwar rückblickend mit geringeren staatlichen Einnahmen verbunden waren, jedoch zu einer schnelleren Entwicklung von Netzinfrastrukturen in besserer Qualität führten. 

„Verringerung der Akteursvielfalt und neue energiepolitische Abhängigkeiten“

„Das Ziel des Ausschreibungsdesigns sollte nicht auf eine wenig nachhaltige Abschöpfungsstrategie gerichtet sein, sondern darin bestehen, die Akteursvielfalt zu stärken und einen gesunden Wettbewerb zu erhalten. Stattdessen nimmt Deutschland derzeit nicht nur die damit einhergehenden industriepolitischen Nachteile und eine Schwächung der industriellen Basis in Kauf, sondern auch, dass sich in den kommenden Jahren ein Oligopol weniger eigenkapitalstarker Akteure bilden wird“, so Andree Iffländer, Vorstandsvorsitzender des WindEnergy Networks.  

 Jens Assheuer, Vorstandsvorsitzender der WAB, ergänzt: „Ein effektives Auktionsdesign sollte den Standort Deutschland über seine gesamte Wertschöpfungskette stärken. In seiner jetzigen Ausgestaltung drohen wir uns jedoch in neue energiepolitische Abhängigkeiten zu begeben. Wesentliche Teile der Wertschöpfung werden somit nicht in Deutschland oder der EU angesiedelt und umgesetzt werden.“   

Fünf Maßnahmen zur (kurzfristigen) Entschärfung der Risiken   

Solange sich keine politische Mehrheit für die Einführung von qualitativen Kriterien auch im Bereich der Ausschreibung von nicht voruntersuchten Flächen oder sogar für die Einführung eines Förderregimes mit Differenzverträgen (Contracts for Differences, CfDs) fände, welches zu deutlich geringeren Finanzierungskosten führen würde, sollten zumindest kurzfristige Maßnahmen ergriffen werden, um den unmittelbaren negativen Auswirkungen des aktuellen Ausschreibungssystems entgegenzuwirken: 

  • Aufteilung der 2-GW-Flächen auf kleinere Losgrößen, z. B. 1 GW 
  • Deckel pro Teilnehmer nach dem Vorbild der New-York-Bight-Auktionen  
  • Ausschreibungen nacheinander und nicht zeitgleich  
  • 5 – 10 Prozent der Erlöse aus den Offshore-Wind-Auktionen (zumindest temporär) an das Bundesverkehrsministerium zum Zwecke des erforderlichen Auf- und Ausbaus der Hafeninfrastruktur  
  • Mandat für die KfW für das Aufsetzen eines flankierenden Finanzierungsprogramms für eine resiliente Lieferkette der Energiewende  

Die ausführliche Analyse des Ausschreibungsdesigns und eine Kurzfassung sind auf den Seiten der Stiftung OFFSHORE-WINDENERGIE abrufbar (pq) 

Bild: Funktioniert das Ausschreibungsdesign für Offshore-Windenergie? Diese Frage ist aktuell sehr umstritten. (Bild: Bru_nO_sunset-2469104_1280_pixabay.com) 

www.offshore-stiftung.de