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Hybridspeicher: Stabilität und Wärme

10.11.2022 – Wie mit einem Power-to-Heat-System das Stromnetz stabilisiert werden kann, haben der Batteriespeicherhersteller Intilion und die Stadtwerke Bielefeld unter Beweis gestellt. Eine weitere Besonderheit: Das System wurde in einem Gebäude installiert.

Die Stadtwerke Bielefeld betreiben Windparks, solare Aufdachanlagen und PV-Freiflächensysteme. Weil sie die Schwankungen ihrer dezentralen Stromerzeuger ausgleichen wollten, haben sie bereits 2018 über den Bau eines Batteriespeichers im Megawattbereich nachgedacht. „Wir wollten das Konzept zunächst testen und haben daher in unserem Heizkraftwerksgebäude 476 Lithium-Ionen-Batteriezellen mit einer Kapazität von 110 Kilowattstunden aufgebaut“, berichtet Klaus Danwerth, der bei den Stadtwerken Bielefeld den Geschäftsbereich Erneuerbare Energien und Dezentrale Erzeugung leitet.

Den Test-Batteriespeicher haben die Stadtwerke unter Realbedingungen betrieben. Mithilfe eines digitalen Energiemanagementsystems konnte der Versorger die Funktionen des Speichers unter Extrembedingungen untersuchen und wichtige Erkenntnisse ableiten. „Die Tests haben ergeben, dass der Batteriespeicher bei unvorhergesehenen Verbrauchsschwankungen innerhalb von Millisekunden Strom in das Netz einspeisen oder aus diesem aufnehmen und speichern kann“, erklärt Danwerth. Ende 2020 schlossen er und sein Team die Tests erfolgreich ab und starteten mit dem Bau eines Megawatt-Stromspeichers. Der Batteriespeicherhersteller Intilion installierte das Gerät in den ehemaligen Räumen einer Schaltanlage des Heizkraftwerks. Im Februar 2021 ging der Hybridspeicher in Betrieb.

Der von Intilion gelieferte Hybridspeicher für die Stadtwerke Bielefeld umfasst mehr als 1.000 Batteriemodule. Foto: Intilion GmbH

Strom und Fernwärme erzeugen

Der Speicher kann in Kombination mit E-Heizern Wärme für das Fernheiznetz liefern und Regelenergie bereitstellen. Er besteht aus einem Batteriespeicher mit 1.008 Lithium-Ionen-Batteriemodulen, die zu einer großen Batterie verschaltet sind. Der zweite Anlagenteil umfasst zwölf Widerstandsheizer, die Wärme für das Fernwärmenetz erzeugen. Die Anbindung der Großbatterie sowie der Widerstandsheizer an das 6kV-Kraftwerksnetz erfolgte über drei Gießharztransformatoren mit einer Leistung von je 2,9 MVA.

Die im Stromnetz gemessene Frequenz steuert die Leistungsabgabe des Hybridspeichers beziehungsweise die Aufnahme von Strom aus dem Netz. Bei Abweichungen von der Sollfrequenz nach unten wird Leistung von der Batterie an das Netz abgegeben. Überschreitet die Frequenz 50 Hertz wird dagegen Leistung aus dem Netz aufgenommen, um entweder die Batterie zu laden oder über die Widerstandsheizer Fernheizwasser zu erwärmen.

Installation des Hybridspeichers auf mehreren Ebenen

„In der Regel werden Speicher dieser Größenordnung nicht in Gebäuden, sondern in See-Containern untergebracht“, erklärt Frederik Süllwald von Intilion. In diesem Fall wurden die Batteriebänke und weitere Komponenten in einem alten Bestandsgebäude installiert – aufgrund der Größe des Systems nicht nebeneinander, sondern auf unterschiedlichen Ebenen. Die Batterieracks stehen beispielsweise in dem Raum einer alten Kraftwerks-Schaltanlage. Die Schaltschränke hat Intilion dagegen im Keller unter dem Batterieraum aufgebaut. Während die Umrichter und die Trafos in einem eigenen Traforaum auf dem Innenhof arbeiten, hat der Speicherhersteller die E-Heizer in der alten Turbinenhalle installiert. „Der Aufbau und die Verschaltung des Speichersystems waren sehr herausfordernd“, schildert Süllwald.

Die einzelnen Anlagenteile hatte Intilion vorher montiert, miteinander verbunden und aufeinander abgestimmt. Im Vorfeld waren alle Anlagenteile – Batterien, Transformatoren, Umrichter und E-Heizer – einzeln getestet worden. Anschließend haben die Projektpartner das Zusammenspiel überprüft.

„Der Innenaufbau beweist auch, dass die Stadtwerke unserem Brandschutzkonzept vertrauen“, ergänzt Frederik Süllwald. In dem Gebäude befinden sich einige Büros, die Leitwarte und die Energieerzeugung. Die Projektpartner haben daher ein besonderes Augenmerk auf die Brandsicherheit gelegt und Intilions Brandschutzrack verbaut. „Das mechanische Gehäuse verhindert zuverlässig, dass sich ein Zellbrand auf das Gesamtsystem auswirkt.“

Vermarktung am Regelenergiemarkt

Seit April 2021 vermarkten die Stadtwerke Bielefeld die Energie des Hybridspeichers im PRL-Markt des Übertragungsnetzbetreibers (ÜNB) Tennet. Im Sommer dieses Jahres hat Intilion das Zusammenspiel aus E-Heizer und Batterie und die dazugehörigen Regelparameter erneut angepasst und die präqualifizierte Leistung um 180 Kilowatt erhöht, was die Wirtschaftlichkeit weiter steigere.

Für die erneute Präqualifizierung, bei der unter anderem die Leistungsdaten, die Spannungsebene und die Bilanzkreiszugehörigkeit an den ÜNB übermittelt werden, hat Intilion die geforderte Betriebsfahrt – eine sogenannte Doppelhöckerkurve – absolviert. Dabei gelang es dem Unternehmen, die gewünschten 7,5 Megawatt innerhalb von 30 Sekunden mit E-Heizer und Batterie auszuregeln und diese über die gesamte Erbringungsphase konstant zu halten.

„Mit der Betriebsfahrt haben wir die Bedingungen für die positive SRL und die positive PRL erfüllt“, erläutert Süllwald. Die negative PRL musste nicht erneut präqualifiziert werden, da diese schon bei der ersten Präqualifizierung im November 2020 erfolgreich mit 7,5 Megawatt abgeschlossen werden konnte. Nach Auswertung der Messdaten können die Stadtwerke Bielefeld den Speicher jetzt am Regelmarkt mit 7,5 Megawatt für Primärregelleistung (PRL) und Sekundärregelleistung (SRL) vermarkten.

Stromnetz stabilisieren, Kosten senken

„Wir wollen zur schnellen Stabilisierung des Stromnetzes nach Störereignissen beitragen“, sagt Klaus Danwerth und ergänzt: „Mit dem Hybridspeicher gelingt es uns, ein symmetrisches Angebotsband – also positive und negative Regelleistung gleichzeitig – anzubieten.“

Weil die E-Heizer überschüssigen Strom in Wärme umwandeln, konnten die Projektpartner die für den PRL-Markt erforderliche Kapazität des Batteriespeichers reduzieren, den Arbeitsbereich verschieben und die Batterieanlage dadurch deutlich kleiner dimensionieren als es ohne E-Heizer der Fall gewesen wäre. „Mit der Kombination aus dem Batteriespeicher und den E-Heizern des Power-to-Heat-Systems ist es uns gelungen, Kosten im zweistelligen Prozentbereich einzusparen“, freut sich Danwerth und fügt hinzu: „Sektorenkopplung ist auch für andere Stadtwerke eine lohnende Kombination.“

Frederik Süllwald ergänzt: „Die Verbindung einer Batterie mit Verbrauchern ist insbesondere für Stadtwerke sehr interessant, weil diese oft bereits über ein Wärmenetz verfügen. Dieses neu aufzubauen wäre viel zu aufwändig. Dabei muss es nicht unbedingt ein Fernwärmenetz sein. Auch Nahwärmeversorgungsnetze lassen sich mit Batteriespeichern kombinieren.“ Voraussetzung sei lediglich, dass ein Warmwasserspeicher als Wärmespeicher zur Verfügung steht. Außerdem müsse genügend Platz vorhanden sein, wobei Intilion verschiedene Energiespeicherlösungen anbietet, die sowohl drinnen als auch draußen einsetzbar sind. (ds)

www.stadtwerke-bielefeld.de
www.intilion.com