10.10.2024 – Wind- und Solarparks unterliegen zunehmenden Klima- und Wetterrisiken – und wirken sich ihrerseits auf die ökologischen Bedingungen am Standort aus. Das Startup refinq hat eine Plattform entwickelt, mit der beide Aspekte analysiert werden können.
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Aktuell überfluten wieder große Wassermassen Teile Deutschlands und Mitteleuropas und bedrohen neben Wohnhäusern oder Gewerbestandorten auch Solarparks oder Windanlagen. Für Projektentwickler und Betreiber bedeutet das: Eine sorgfältige Standortwahl ist unerlässlich, damit die Solaranlage nicht baden geht, statt Sonne zu tanken, oder der Windpark den Wind nutzen kann, ohne vom Sturm umgeweht zu werden. Schließlich beeinflusst dies nicht nur die Wirtschaftlichkeit der Anlagen, sondern auch ihre Lebensdauer.
Umgekehrt beieinflussen natürlich auch die erneuerbaren Erzeugungsanlagen ihrerseit die Ökologie des Standorts. Bisweilen müssen Bäume gerodet oder Flächen versiegelt werden, in anderen Fällen können neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen entstehen. Der „ökologische Fußabdruck“ der Anlage schlägt sich wiederum in der Nachhaltigkeitsberichterstattung nieder, zu der heute sowohl die Anbieter als auch die Abnehmer regenerativ erzeugter Energie verpflichtet sind. Gute oder schlechte Kennzahlen wirken sich dementsprechend auch auf Abnahmeverträge aus.
Um all diese Faktoren bewerten zu können und sicherzustellen, dass Standort und Anlage im Einklang stehen, sind jedoch umfassende Informationen über Natur und Klima des Standorts notwendig. „Die Erfassung und Auswertung dieser Daten ist allerdings komplex und zeitaufwändig“, erklärt Lukas Fischer, Mitgründer von refinq. „Häufig fehlt in den Unternehmen auch das notwendige Know-how.“ Gemeinsam mit Franziska Walde und Markus Berger gründete er 2023 das Wiener Startup, das sich auf KI-gestütztes Risikomanagement spezialisiert hat. Mithilfe von wissenschaftlich geprüften und validierten Datensätzen aus Quellen wie Geodaten, Klimaszenarien und Satellitenbildern sowie maschinellem Lernen werden daraus präzise Analysen erstellt, die die Eignung eines Standorts für den Bau einer Anlage langfristig bewerten.
Anlagen schützen
Das refinq-Dashboard liefert präzise Analysen zu Biodiversität und klimatischen Veränderungen – für fundierte Entscheidungen bei der Standortwahl und Risikobewertung. (Foto: refinq GmbH)
Für eine genaue Prognose geben sie in das Dashboard der Plattform relevante Parameter ihrer Projekte ein, wie Standortdaten oder technische Details der Anlagen. Daraufhin bewertet das System Faktoren wie die Nähe zu empfindlichen Ökosystemen, das Risiko von Naturkatastrophen oder das Vorkommen geschützter Arten – und das für die kommenden Jahrzehnte bis 2100. Dabei geht es nicht nur darum, die aktuelle Situation zu erfassen, sondern auch zukünftige Entwicklungen durch Klimaveränderungen zu antizipieren.
Neben der reinen Standortwahl soll die Plattform auch einen wichtigen Beitrag zum prädiktiven Risikomanagement leisten, das Energieversorger dabei unterstützt, ihre Infrastruktur widerstandsfähiger gegenüber den Folgen des Klimawandels zu machen. „Auf Basis der durch die Plattform bereitgestellten Daten können Unternehmen präventiv Maßnahmen ergreifen, um sich auf zukünftig erwartete Risiken besser vorzubereiten“, erklärt Fischer. Besonders für große Investitionen in Wind- oder Solarparks sei diese Art des prädiktiven Risikomanagements von enormer Bedeutung, weiß auch Mitgründerin Franziska Walde: „Für uns ist klar, dass Geschäftsführung und Finanzverantwortliche diese Informationen brauchen, um eine nachhaltige Geschäftsstrategie zu entwickeln.“ Mit genauen Informationen über die zu erwartenden Risiken können Unternehmen die Standorte ihrer Anlagen optimal anpassen oder zusätzliche Schutzmaßnahmen umsetzen. So kann das Tool beispielsweise zeigen, wie stark eine geplante Solaranlage von zukünftigen Hitzeperioden oder Wassermangel betroffen sein könnte. Anhand dieser Informationen lassen sich alternative Standorte finden oder Anpassungen in der Planung vornehmen, um Risiken frühzeitig zu minimieren und gleichzeitig die Lebensdauer der Anlagen zu erhöhen. Darüber hinaus können durch prädiktive Analysen auch Kosten gesenkt werden, da rechtzeitig vorbeugende Maßnahmen ergriffen werden, bevor ernsthafte Schäden auftreten. Dies stärkt nicht nur die Resilienz der Infrastruktur, sondern verbessert langfristig auch die Wirtschaftlichkeit der Projekte.
Standort schützen
Im besten Fall sollten sich Natur und Energieanlage gegenseitig ergänzen – nicht schädigen. (Foto: István / stock.adobe.com)
Die Plattform soll außerdem die Möglichkeit bieten, zu bewerten, wie sich das Projekt selbst auf Klima und Biodiversität des Standorts auswirkt. Dies ist entscheidend für Unternehmen, die im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) dazu angehalten sind, ihre ökologischen Fußabdrücke kontinuierlich zu überwachen und zu dokumentieren. Mit Blick auf diese Verpflichtungen durch die EU, sollen so in wenigen Klicks detaillierte Protokolle erstellt werden, die den Anforderungen der Regulierungsbehörden entsprechen und gleichzeitig für mehr Transparenz sorgen. „Wenige Daten der Unternehmen reichen schon. Den Rest übernimmt die Software“, fasst Walde zusammen. Bereits im Einsatz Ein prominentes Beispiel für die erfolgreiche Anwendung ist die Zusammenarbeit mit den Wiener Stadtwerken, einem der größten Energieunternehmen Österreichs. Wie viele Versorger stehen die Wiener Stadtwerke vor großen Herausforderungen – so- wohl durch die verschärften Regulierungen der EU als auch durch die zunehmenden Klimarisiken. „Durch den Einsatz der refinq-Plattform sind wir in der Lage, Klimarisiken präzise zu bewerten und proaktiv zu managen. Das hilft uns, unsere Nachhaltigkeitsziele effizient zu erreichen“, sagt Marika Püspök, die bei den Wiener Stadtwerken für die Themen Strategie, Klimaschutz, ESG Management und Transformationsprozesse zuständig ist. Das stärke letztlich auch das Vertrauen in die Wirksamkeit der eigenen Nachhaltigkeitsinitiativen. (pms)