Für PV-Anlagen jeder Größenordnung und Nutzungsform stehen deutliche Vereinfachungen an.
Eigentlich für das Frühjahr angekündigt, ist der Entwurf für das “Solarpaket 1” gestern vom Bundeskabinett verabschiedet worden. Die Vorlage, die das BMWK selbst als “positives Beispiel für Bürokratieabbau” bezeichnet, umfasst 140 Seiten und trägt den einprägsamen Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und weiterer energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften zur Steigerung des Ausbaus photovoltaischer Energieerzeugung“. Durch die beschlossenen Erleichterungen soll der Zubau erheblich beschleunigt werden – und das ist notwendig. Bis 2026 müssen jährlich 22 GW zusätzlicher PV-Kapazitäten bereitgestellt werden, um die Ausbauziele bis 2030 zu erreichen. Besonders großen Nachholbedarf sieht der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) bei der Solarisierung von Firmendächern und beim Ausbau von Solarparks. Zur Zielerreichung müsse sich das Wachstumstempo in den kommenden drei Jahren hier in etwa verdreifachen.
Gewerbeanlagen
Tatsächlich sieht das “Solarpaket 1” im Segment der mittelgroßen Photovoltaik-Anlagen einige wichtige Erleichterungen vor, die insbesondere den Bau von gewerblichen Solarlösungen mit hohem Eigenverbrauch attraktiv machen sollen. Dazu ist als wichtigste Maßnahme vorgesehen, höhere Flexibilität in der Direktvermarktung zu erlauben: Überschüssiger Solarstrom könnte nach den neuen Regelungen somit direkt an den Netzbetreiber weitergegeben werden. Dafür erhalten Anlagenbetreiber zwar keine Vergütung, sparen aber auch die Kosten der Direktvermarktung. Anlagenzertifikate werden nach dem Entwurf künftig erst ab einer Einspeiseleistung von 270 Kilowatt oder einer installierten Leistung von mehr als 500 Kilowatt erforderlich sein, für kleinere Anlagen reichen Einheitenzertifikate. Überdies soll es einfacher werden Anlagen an separaten Anschlusspunkten zusammenzufassen, so dass ein Zubau neuer Dachanlagen dann nicht mehr zum Überschreiten der Schwellwerte führt.
Freiflächenanlagen
Um den Ausbau von Photovoltaik-Freiflächenanlagen zu fördern, dürfen künftig landwirtschaftliche Flächen in benachteiligten Gebieten grundsätzlich für den Bau von Photovoltaik-Freiflächenanlagen genutzt werden. Deutschlandweit dürfen insgesamt 80 GW Photovoltaik auf diesen Flächen installiert werden. Mussten die infrage kommenden Flächen bislang explizit durch Landesverordnungen freigegeben werden, müssen die Bundesländer nach den neuen Regelungen nur tätig werden, wenn sie dies nicht wünschen. Dabei besteht zum Beispiel die Möglichkeit, bestimmte Schutzgebiete auszuschließen oder den weiteren Ausbau zu begrenzen, wenn mindestens ein Prozent der landwirtschaftlichen Fläche mit Solaranlagen erschlossen sind.
Für Agri-Photovoltaik-Anlagen, die vertikal oder mit einer lichten Höhe von mind. 2,10 Metern aufgeständert sind, sind unter bestimmten Bedingungen Boni vorgesehen.
Für diese “besonderen” Solaranlagen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen, Gewässern (“Floating-PV”) oder Parkplätzen wird es separate Ausschreibungen mit eigenen Höchstwerten geben. Die Ausschreibungsmengen sollen auf bis zu 3000 Megawatt im Jahr steigen.
Private PV-Anlagen
Zentrales Thema in den Publikumsmedien waren vor allem die Vereinfachungen privater PV-Anlagen in unteren Leistungsbereichen – allen voran die sogenannten “Balkonkraftwerke”, die jetzt als eigener PV-Anwendungsfall definiert werden. War bislang eine maximale Leistung von 600 Watt zulässig, sollen künftig Solarzellen mit einer Leistung von 2.000 Watt erlaubt sein. Die Leistung des Wechselrichters darf dann maximal 800 Watt betragen. Die Anmeldung beim Netzbetreiber entfällt, die Anlage muss lediglich im Marktstammdatenregister eingetragen werden. Alte nicht-digitale Stromzähler, die sich bei Einspeisung einfach rückwärts drehen, dürfen übergangsweise weiterverwendet werden. Die Frage der zulässigen Steckdosen wurde an die Normungsgremien übergeben
Für private Dachanlagen wird die Grenze für das bestehende vereinfachte Netzanschlussverfahren von bisher 10,8 KW auf 30 KW angehoben werden. Sprich: Falls sich der Netzbetreiber innerhalb von vier Wochen nicht zum Netzanschlussbegehren äußert, können die Anlagen damit in der Regel ans Netz angeschlossen werden. Ebenfalls vereinfacht wurden die Anforderungen zur Steuerbarkeit und damit der Zugang zur Direktvermarktung für Photovoltaik-Anlagen bis 25 KW. Diese müssen nicht mehr zwingend steuerbar sein, eine entsprechende Ausstattung kann aber zwischen Anlagenbetreiber und Direktvermarkter vereinbart werden.
Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung
Eine weitere gute Nachricht für private Haushalte: Bewohner:innen von Mehrfamilienhäusern oder Quartieren sollen Solarstrom künftig einfacher gemeinsam nutzen können. Im Rahmen der “gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung” wäre die Abgabe von PV-Strom innerhalb eines Gebäudes, z.B. an Wohn- und Gewerbemieter oder Wohnungseigentümer von Lieferantenpflichten ausgenommen und die Betreiber der PV-Anlage von der Pflicht zur Reststromlieferung befreit. Im Gegensatz zum Mieterstrom ist dabei zwar keine zusätzliche Vergütung vorgesehen, für die Einspeisung überschüssigen Stroms soll aber ebenfalls EEG-Förderung erfolgen. Mieterstrom soll auch in mehreren Gebäuden zusammenhängend angeboten werden können, solange die Verteilung nicht über das öffentliche Netz erfolgt. Weitere Erleichterung gibt es für die Zusammenfassung von Anlagen.
Übergreifende Regelungen
Einige der Regelungen vereinfachen die Verfahren für praktisch alle Anlagen: So soll der Anlagenbesitzer künftig beispielsweise das Recht zur Verlegung von Anschlussleitungen auf Grundstücken und Verkehrswegen erhalten, was bisherigen langwierigen Einspruchsverfahren ein Ende setzen würde.
Anlagen, die im Außenbereich von bestehenden Gebäuden errichtet werden, sollen künftig ebenfalls von der bestehenden EEG-Förderung profitieren und auch der Austausch alter PV-Module gegen neue, leistungsfähigere könnte regulatorisch vereinfacht werden – zum Beispiel dadurch, dass die originäre Einspeisevergütung für die Ursprungsleistung erhalten bleibt.
Lob von der Branche, Kritik von Umwelt- und Bauernverbänden
In der Solarbranche wird der Gesetzentwurf weitgehend positiv aufgenommen – der Bundesverband Solarwirtschaft erhofft sich von den Erleichterungen einen wesentlichen Schub für den sich abzeichnenden “Solarboom”. Auch der BDEW begrüßt die Regelungen in weiten Teilen, weist aber zu Recht darauf hin, dass die zusätzlich erzeugte Sonnenenergie nur dann zum Tragen kommt, wenn gleichzeitig die Netze angepasst werden. Umweltverbänden wiederum gehen die Vorschläge nicht weit genug, viele hätten sich beispielsweise eine generelle Solarpflicht für Neubauten gewünscht. Andere, darunter der Bauernverband, fühlen sich durch die geplanten Regelungen gar in ihren Grundrechten eingeschränkt: Speziell das Recht auf Verlegung von Anschlussleitungen wird hier kritisch gesehen.