17.06.2024 – Das Batteriespeicher-Kraftwerk der WEMAG liefert bereits seit 2014 Primärregelleistung – und soll dies auch weiterhin tun. Die neue Steuerung von Bachmann sorgt dabei für höhere Effizienz und Zuverlässigkeit.
Als 2014 das damals größte Batteriespeicherkraftwerk Europas in Schwerin-Lankow ans Netz ging, war das ein absolutes Novum am Energiemarkt und die WEMAG zu diesem Zeitpunkt wohl der erste deutsche Versorger, der einen eigenen Großspeicher betrieb. Seit dem Ausbau 2017 stellt die Anlage dem Energiemarkt 10 Megawatt Primärregelleistung zur Verfügung und trägt damit zur Stabilisierung des Netzes bei. Doch nach zehn Jahren im Betrieb wurde es Zeit für eine Verjüngungskur.
Die WEMAG stellt hohe Ansprüche an die Systemtechnik seines Batteriespeicher-Kraftwerks in Schwerin-Lankow. Um für zukünftige technische Entwicklungen gerüstet zu sein, entschied sich das Unternehmen, die IT mit der zugehörigen Infrastruktur sowie die Software zur Steuerung, Überwachung und den Betrieb des Batteriespeicher-Kraftwerks zu erneuern. Die Anlagenarchitektur sowie Batterien, Wechselrichter, Transformatoren und Mittelspannungsschaltanlagen sollten jedoch weitestgehend erhalten bleiben. Für die Umsetzung dieser Aufgabe holten die Betreiber die Experten von SCADA-Automation ins Boot. Das Brandenburger Unternehmen mit Büro in Berlin ist unter anderem auf Automatisierungstechnik für Batteriespeicher spezialisiert.
Zukunftsorientierte Entwicklung
Die Vorstellungen der WEMAG zur Ausgestaltung der neuen Anlagensteuerung und des Kraftwerksleitstands waren sehr konkret: Um eine einheitliche Basis für alle Batteriesysteme im Unternehmensportfolio zu schaffen, sollte sich das Team von SCADA-Automation an den bereits von ihnen entwickelten Lösungen der WEMAG-Batteriespeicher-Systeme (WBS) orientieren. Dabei wurden schon Steuerungen von Bachmann eingesetzt. „Unsere Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit WEMAG in anderen Projekten waren bei diesem Projekt natürlich von Vorteil. Mit den Bachmann-Systemen war es uns auch hier möglich, effizient eine maßgeschneiderte Steuerungslösung für die Batteriespeicher zu entwickeln“, erzählt Jens Ramlow, Gründer und Geschäftsführer von SCADA-Automation. Die Steuerung der Batterie-Wechselrichter-Einheiten wird nun vom M200-Steuerungssystem von Bachmann übernommen. Der Smart Power Plant Controller (SPPC) übernimmt die Kraftwerkssteuerung.
Zuverlässige Hardware
Vor dem Retrofit wurde das Kraftwerk mit einem Soft-SPS-Programm betrieben. SCADA-Automation setzt bei seinen Lösungen auf höchste Verfügbarkeit und Stabilität. Die bislang serverlastige Steuerung wurde deshalb auf eine hardwarebasierte Lösung umgestellt. „Mit den Produkten von Bachmann können wir auf zukunftssicheren und standardkonformen Industrial-Communication-Technologien aufbauen. Darüber hinaus ermöglichen sie einen unkomplizierten Betrieb. Sie unterstützen einen großen Temperatur- und Spannungsbereich. Und auf eine Kühlung kann gleichermaßen verzichtet werden wie auf umfangreiche Software-Pakete, die gepflegt werden müssen“, erklärt Jens Ramlow den Ansatz von SCADA-Automation. Die Steuerung der Batterie-Wechselrichter- Einheiten konnte für das Lankower Kraftwerk sehr schlank auf dem M200-Steuerungssystem mit MX220-CPU entwickelt werden. Dafür wurden unterschiedliche Ansteuerlogiken für drei verschiedene Batterie-Wechselrichter-Kombinationen programmiert.
Robuste M200-Hardware
„Das M200-System verfügt über ein breites Spektrum leistungsfähiger CPUs auf der Basis industrieller Pentium-Prozessoren und einem umfangreichen Angebot von Ein-/Ausgangsmodulen“, erläutert Frank Zdrallek, Key Account Manager für den Bereich Sales Renewables Germany bei Bachmann. So seien individuelle Anforderungen wie in diesem Projekt problemlos zu erfüllen.
„Echtzeitfähige Bussysteme erlauben es außerdem, die Automatisierung ohne Leistungseinbußen zu dezentralisieren“, führt Zdrallek aus. Eine moderne, auf konsequente Netzwerkfähigkeit ausgelegte Systemarchitektur ermögliche schließlich die einfache Integration in das Umfeld der Steuerungs- und Anlagenperipherie. „Über Real-Time-Ethernet lassen sich die Steuerungen echtzeitfähig vernetzen“, so der Bachmann-Experte weiter. Da gleichzeitig alle gängigen Feldbussysteme unterstützt werden, können externe Komponenten standardisiert angebunden werden. Nicht zuletzt ist die M200-Serie für härteste Umgebungsbedingungen konzipiert und lüfterlos bis zu einer Umgebungstemperatur von -40 bis +70 °C einsetzbar. Das garantiere einen störungsfreien Einsatz des Batteriekraftwerks.
Zertifizierte Anlagensteuerung
Die Kraftwerkssteuerung übernimmt der Bachmann Smart Power Plant Controller (SPPC) mit seinem nach VDE-AR-N-4110/4120 zertifizierten EZA-Regler. „Der SPPC ist mit einer zuverlässigen und bewährten Hardware sowie einer zertifizierten Controller-Software ausgestattet“, ergänzt Frank Zdrallek. Weltweit wurden mehr als 7.000 Systeme zur Energieregelung installiert, die in den letzten zehn Jahren rund 86 GW Energieleistung geregelt haben. Die Benutzer- und Zugriffsverwaltung umfasst ein mehrstufiges Sicherheitskonzept auf der Grundlage der IEC 62443. „Der SPPC verwendet hybride EZA-Regler, die sich für jede Art von Topologie, Kaskadierung und Kommunikationsschnittstellen eignen“, berichtet Frank Zdrallek. Außerdem unterstützt er verschiedene Energieregelungsfunktionen, wie Wirk- und Blindleistungsregelung oder Spannungsregelung und bietet die gängigsten, länderspezifischen Grid Codes, wodurch er für eine Vielzahl von Anwendungen auf der ganzen Welt vorbereitet ist.
Erneuerung im laufenden Betrieb
Wichtig war dem Betreiber WEMAG, die Ausfallzeit des Kraftwerks so gering wie möglich zu halten. Aus diesem Grund testete SCADA-Automation die neue Batteriesteuerung vorab für alle 18 Batterie-Wechselrichter-Einheiten einzeln im laufenden Betrieb. „Durch dieses Vorgehen konnte die neue Steuerungs- und Betriebsplattform des Batteriespeicherkraftwerks Schwerin-Lankow sehr zeitsparend in Betrieb genommen werden“, berichtet Jens Ramlow und verweist in diesem Zusammenhang gleichzeitig auf die hohe Verfügbarkeit von Bachmann: „Wenn man seinen Bedarf anmeldet, dann ist die Hardware auch pünktlich da. Das ist nicht selbstverständlich.“ Das Kraftwerk ging nach nur einer Woche wieder ans Netz – ein gelungener Retrofit für alle Beteiligten. (pq)