15.03.2023 – Wo steht die Digitalisierung der Energiewende? Was passiert gerade im Metering-Markt? Diese und weitere Fragen diskutierten die 70 Teilnehmenden des Branchentreffs im Messwesen „Meetering 2023“ der MeterPan GmbH in Hamburg. Einigkeit herrschte bei der Aussage, das künftig vor allem die Mehrwertfunktionen den Unterschied ausmachen werden, die technisch über die CLS-Schnittstelle der Smart Meter Gateways realisiert werden: Multi-Sparten-Metering, intelligentes Steuern und Schalten von Erzeugern und Verbrauchern im Netz sowie IoT-Anwendungen aller Art.
Treiber in diesem Markt sind insbesondere wettbewerbliche Messstellenbetreiber (wMSB), die sich mit innovativen Services positionieren und die grundzuständigen Messstellenbetreiber (gMSB) unter Druck setzen. Diese müssen sich vielerorts noch mit den Basics des Pflicht-Rollouts intelligenter Messsysteme (iMSys) auseinandersetzen.
Frischer Wind durch GNDEW?
Carsten Tessmer, Senior Manager bei EY, ging der Frage nach, ob mit dem frischen Wind des Gesetzes zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende (GNDEW) die Digitalisierungsziele erreicht werden. Seine Analyse fiel gemischt aus: Der iMSys-Rollout hinke den ursprünglich gesetzten Zielen deutlich hinterher. 2021 hätten laut Plan schon 2,2 Millionen iMSys verbaut sein sollen, de facto seien es bei optimistischer Schätzung nur 170.000 gewesen. Erst 63 % der gMSB hätten den Rollout gestartet, und noch kein einziger MSB sende Netzzustandsdaten an den Verteilnetzbetreiber. Das Barometer Digitalisierung der Energiewende habe von 2018 bis 2021 eine Verlangsamung des Digitalisierungsfortschritts ermittelt. Das GNDEW schließe regulatorische Schwachstellen, offenbare aber weiterhin offene Flanken. Tessmer ermunterte die Akteure, das Ruder bei der Digitalisierung der Energiewende selbst in die Hand zu nehmen, unter den Werken zusammenzuarbeiten und Skalierungseffekte zu nutzen.
Digitalisierung im Verteilnetz stärken
Jan-Hendrik vom Wege von der Kanzlei Becker Büttner Held (BBH) berichtete über den laufenden Gesetzgebungsprozess beim GNDEW und beleuchtete die Neuerungen sowie deren Auswirkungen auf Messtellenbetriebsgesetz (MsbG) und Erneuerbare Energien Gesetz (EEG). Die Verabschiedung bis zur Jahresmitte sei realistisch. Durch die Aufteilung der Preisobergrenzen habe der Gesetzgeber den Zweck des MsbG auf die Netzbetreiber erweitert und damit ein neues Leitmotiv gesetzt, nämlich die Digitalisierung im Verteilnetz und einen datengestützten Netzbetrieb zu fördern. Mit Blick auf die neuen Einbauquoten und -fristen mahnte vom Wege zur Eile beim Rollout.
Raphael Noack von der Energieforen Leipzig GmbH kam zu dem Schluss, dass die sich überlagernden Krisen (Klimawandel, Corona, Ukraine) die Trends in der Versorgungswirtschaft und den Wandel des Geschäftsmodells von Stadtwerken beschleunigen. Stadtwerke hätten jedoch ein riesiges Potential, sich im Markt zu positionieren. Steigende Komplexität zwinge zu mehr Kooperation und Kompetenzbündelung. Netzgesellschaften gab er mit auf den Weg, „sich noch stärker in die Bereiche des Drittgeschäfts zu bewegen, da es ihr technisches Know-how für die Energiewende braucht“.
Wer koordiniert die Energiewende beim Endkunden?
Einen weiteren Impuls setzte Reinhard Rümler vom Beratungshaus PwC. Er verglich seine privaten Bedürfnisse (Wer koordiniert mir PV-Anlage, Stromspeicher und Elektromobile?) mit dem Dienstleistungsangebot am Markt. Sein ernüchterndes Ergebnis: „Stadtwerke haben den Prosumer-Markt bislang verschlafen.“ Um dann aufzuzeigen, welche vielfältigen Chancen hinter der CLS-Schnittstelle der Smart Meter Gateways durch den Aufbau von Mehrwertdiensten schlummern. Der wettbewerbliche Messstellenbetrieb sei ein Vehikel für neue Geschäftsmodelle.
ASEW: Stadtwerke sollten ganzheitliche Energiekonzepte verfolgen
Lucas Wiermann und Linus Erbshäuser von der ASEW Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung im Verband kommunaler Unternehmen sehen die Stadtwerke ebenfalls in einer besonderen Rolle. Sie plädierten dafür, dass die Werke ganzheitliche, auf Mehrwerte fokussierte Energiekonzepte verfolgen sollten. Beispielhaft stellten sie IoT-Projekte bei den Stadtwerken Lemgo und Eutin vor. Beide Unternehmen würden davon profitieren, dass sie Netzüberwachung und Verbrauchsdatenerfassung bzw. Smart City- und Smart Metering-Projekte gestartet haben und die Früchte in Form von gestiegener Prozesstransparenz, -effizienz und -qualität ernten.
Gerätehersteller signalisieren Startbereitschaft
Positive Signale sendeten die Hersteller von Smart Meter Gateways. Einigkeit herrschte darüber, dass der Rollout jetzt erst richtig losgehe. Torsten Kohlsdorf stellte dar, das PPC bereits seit November 2022 lieferfähig sei, die Herstellungskapazitäten aktuell auf über 800.000 Geräte jährlich erweitert und für 2023 das Steuern über CLS und 1:n-Zähleranbindung in den Fokus stellt. Tina Hadler von der Theben AG erläuterte unter anderem, mit welchen Geräten ihr Unternehmen welche Mehrwertdienste ermöglicht, wie die neue vereinfachte SiLKe funktioniert und dass die Lieferfähigkeit mittlerweile wiederhergestellt sei. Dr. Holger Graetz von Sagemcom Dr. Neuhaus warf einen Blick auf die internationalen Rohstoff- und Beschaffungsmärkte, die teilweise nach wie vor angespannt seien. Vor diesem Hintergrund riet er weiterhin zu langfristiger Mengenplanung und Bestellpraxis.
Praxisberichte aus dem Metering-Umfeld
Jochen Grebing von der Swistec GmbH stellte vor, wie bereits heute eine Steuerbox eingesetzt werden kann, wo erst morgen ein SMGW verbaut sein wird. Durch die Integration eines Rundsteuerempfängers in ihrer Steuerbox stehe dem Markt neben der reinen Steuerbox auch ein hybrides Gerät zur Verfügung. Er ermunterte die Anwesenden, die Geräte – Steuerbox mit oder ohne Rundsteuerempfänger – in der Praxis zu testen und Erfahrungen zu sammeln. Auch zeigte er auf, wie bereits heute im Markt genutzte Swistec-Rundsteuerkommandosysteme in Energieplattformen, wie z.B. die Metering as a Service (MaaS)-Plattform von MeterPan, eingebunden werden können.
Matthäus Rauschenberger (Prolan AG) argumentierte ähnlich: Die bereits absolvierten Testfälle führten zu einem Erfahrungsgewinn, der sich später in Form von Zeitersparnis beim Rollout auszahlen werde. Außerdem berichtete Kai Eden von der INTEGRA Metering GmbH, wie der Hersteller von Wasserzählern mit der Digitalisierung und Integration seiner Geräte in IoT-Netze die nächste Stufe auf der technologischen Entwicklungsleiter erklimmt.
Salvatore De Masi stellte vor, wie die 450connect GmbH den Rollout des bundesweiten 450-MHz-Funknetzes vorantreibt. Erste Teilregionen würden aktuell in Betrieb genommen, 2025 soll eine bundesweite LTE- und LTE-M-Abdeckung für kritische Sprach- und M2M-Dienste auf ca. 1.600 Standorten diskriminierungsfrei verfügbar sein. Die neue Mobilfunkfrequenz verspricht u.a. Erreichbarkeitsvorteile im Messstellenbetrieb und in der Verteilnetzsteuerung.
Georg Baumgardt und Hannes Bitter vom Gastgeber MeterPan war es vorbehalten, aus der Praxis eines Smart Meter Gateway Administrators zu berichten. Sie erläuterten u, wie sich kleine Stolperfallen im operativen iMSys-Rollout und damit letztlich Elektroschrott in Form unbrauchbar gewordener Smart Meter Gateways vermeiden lassen. Für den Update-Prozess bei Smart Meter Gateways mahnten sie unter anderem zentrale Prozesse bei den Herstellern und ein einheitliches Vorgehen der Eichbehörden an. (ds)