24.04.2024 – Zwei KI-Sensoren an der Hochspannungsleitung zwischen Windheim und Tettau liefern ab sofort Echtzeit-Daten zur Auslastung der Leitung.
Die Bayernwerk Netz GmbH (Bayernwerk) eine neue Technologie in ihrem Hochspannungsnetz installiert: Das Pilotprojekt soll zeigen, wie Künstliche Intelligenz (KI) helfen kann, das Stromnetz sicher zu betreiben, optimal auszulasten und möglichst viel erneuerbare Energie im Netz aufzunehmen. Für die Erprobung der Sensoren in Oberfranken wendet das Bayernwerk rund 35.000 Euro auf.
Die neue Technik will der Verteilnetzbetreiber nutzen, um das Stromnetz sicherer und effizienter zu betreiben. Christian Poppe, der zuständige Projektleiter beim Bayernwerk, überwacht mit seinem Team den Leitungsabschnitt bei Kehlbach künftig anhand von Echtzeit-Daten. Sie sollen dabei helfen, das Netz optimal auszulasten und die Ablagerung von Eis an der Leitung zuverlässiger vorauszusagen. Der Verteilnetzbetreiber möchte möglichst viel lokal erzeugten grünen Strom im Netz aufnehmen und verteilen, denn immer mehr Anlagen zur Erzeugung von Ökostrom wollen einspeisen. Daher arbeitet das Bayernwerk an der Modernisierung und am Ausbau des Netzes. „Wir wollen aber auch die vorhandenen Leitungen bestmöglich ausnutzen. Im Pilotprojekt in Steinbach am Wald testen wir, ob wir die Leitung mit Hilfe der KI noch besser ausnutzen können“, sagt Christian Poppe.
Eis an der Leitung schneller erkennen
Im nördlichen Oberfranken stellt das Wetter im Winter eine Herausforderung für den Netzbetrieb dar. Bei Minusgraden setzen sich entlang des Leitungsabschnitts in der Gemeinde Steinbach am Wald besonders schnell Schnee und Eis an den Leiterseilen fest. „Für die Stromleitung kann zu viel Eis an den Seilen zum Problem werden, weil die Masten, die die Seile tragen, statisch nur für ein bestimmtes Gewicht ausgelegt sind. Schnee und Eis an den Leiterseilen erhöhen dieses Gewicht und müssen daher ab einer bestimmten Menge entfernt werden“, erklärt Thomas Schiml, Systemtechniker im Bereich Hochspannung bei der Bayernwerk Netz. Mit den beiden KI-Sensoren will das Bayernwerk-Team vorausschauend erkennen, wann mit Eis an der Leitung zu rechnen ist und Eingreifen erforderlich wird.
Bodenabstand muss stimmen
Zu allen Jahreszeiten will der Verteilnetzbetreiber mit Hilfe des Sensors außerdem die Auslastung der Leitung auf Echtzeit-Daten stützen, anstatt auf theoretische Berechnungen. Bisher berechnen Spezialisten beim Bayernwerk auf Grundlage von punktuellen Messungen, Norm-Werten und theoretischen Annahmen, wie stark sie die Leitungen auslasten. Dabei geht es vor allem darum, dass die Leiterseile einen bestimmten Abstand zum Boden einhalten müssen und nur für eine bestimmte Betriebstemperatur ausgelegt sind. Je mehr Strom über eine Leitung geführt wird, desto wärmer werden die Seile. Und je höher die Temperatur, desto mehr dehnen sich die Leiterseile aus und hängen Richtung Boden durch. „Momentan basieren unsere Berechnungen dafür auf den Angaben der Seil-Hersteller und auf sehr konservativen Annahmen. Wir gehen zum Beispiel immer davon aus, dass die Leiterseile das ganze Jahr lang voller Sonneneinstrahlung und Hitze ausgesetzt sind, was deren Durchhang zusätzlich verstärkt – theoretisch“, berichtet Thomas Schiml. So stellt das Bayernwerk sicher, dass die Mindestabstände zum Boden immer eingehalten werden.
Höhere Einspeisung dank Echtzeit-Daten
Wenn gerade keine Sonne auf die Leitung fällt und Wind sie zusätzlich abkühlt, bedeutet das, dass der Netzbetreiber die Auslastung erhöhen und mehr Strom im Netz aufnehmen kann, ohne die Boden-Abstandsnormen zu verletzen. Die beiden Sensoren des slowenischen Herstellers GridPulse liefern künftig laufend Informationen an das Bayernwerk. Dazu gehören sowohl Neigungswinkel und Temperatur des Seils als auch Spannung und Stromstärke. Das Gerät enthält außerdem eine Kamera, die Bilder von den Leiterseilen aufnimmt. Gleichzeitig bezieht die KI zum Beispiel vom Deutschen Wetterdienst Daten, wie Temperatur, Windstärke und -richtung, Sonneneinstrahlung oder Niederschlag. So lernt sie nach und nach, bei welcher Witterung welche Auslastung der Leitung möglich ist, und soll damit in Zukunft sogar Prognosen liefern. Die Daten und Bilder überträgt der Sensor direkt an die zuständigen Techniker beim Bayernwerk, die die Hochspannungsleitung digital überwachen können, ihre Auslastung steuern und bei Bedarf eingreifen. Wird die Last an Schnee und Eis für die Leitung zu groß, wird kurzzeitig die Temperatur der Leiterseile erhöht, sodass Schnee und Eis schmelzen und sich von der Leitung lösen. Das funktioniert durch Fernsteuerung aus der Netzleitstelle des Bayernwerks.
Pilotprojekt in Steinbach am Wald
Ein Jahr lang testet das Freileitungs-Team des Bayernwerks jetzt die beiden neuen Sensoren in Steinbach am Wald. Einer wiegt rund 13 Kilogramm und ist etwa so groß wie eine herkömmliche Getränke-Kiste. „Für eine moderne Netzinfrastruktur und die Versorgungssicherheit nutzen wir die Möglichkeiten, die uns neue digitale Werkzeuge bieten und probieren smarte Technologien aus, die für uns den Netzbetrieb erleichtern und effizienter machen,“ sagt Projektleiter Christian Poppe. Das Bayernwerk beginnt nun mit dem Praxis-Test des neuen Sensors und will herausfinden, welches Potenzial die Technik für die Energiewende bietet. Danach soll entschieden werden, ob das Netz auch künftig und flächendeckend mit Hilfe der KI-Sensoren betrieben werden soll. (pq)