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Daten im Netz

15.08.2022 – Überwachen und Steuern sind Kernfunktionen des neuen Energiesystems. Eine effiziente und sichere Datenkommunikation spielt dabei eine zentrale Rolle. Wo stehen wir heute?

Erzeugung und Verbrauch in einer Welt ohne – oder mit sehr wenigen – zentralen Kraftwerken zu stabilisieren, erfordert neue datenbasierte Prozesse auf allen Ebenen. Vom Privathaushalt mit Solaranlage und Elektrofahrzeug über den Produktionsbetrieb, der seinen Strom vielleicht aus einem virtuellen Kraftwerk bezieht, und den Verteilnetzbetreiber, der im Zuge von Redispatch 2.0 die Einspeise- und Abnahmemengen punktgenau überwachen und orchestrieren muss, bis hin zum Übertragungsnetzbetreiber, der die großräumigen Energieströme sicherzustellen hat – sie alle werden in Zukunft permanent Informationen und Steuerbefehle austauschen. Das Energiesystem wird damit auch zum Kommunikationssystem.

Vom Netz zum System

Auf die Frage, welche Infrastruktur dabei zu nutzen ist, gibt es keine eindeutige Antwort. Die Hintergrund- und Anwenderberichte im Heft zeigen, dass sämtliche verfügbaren Optionen ihre Stärken haben – aber eben auch Schwächen. Mobilfunk ist für viele Prozesse sicherlich eine gut praktikable Lösung, in abgelegenen Regionen und hinter Stahltüren allerdings zumindest nicht in zuverlässiger Qualität verfügbar. Ob der geplante 5G-Ausbau kurzfristig für bessere Abdeckung mit höheren Übertragungsraten sorgt, bleibt abzuwarten. Die Kosten, die Verfügbarkeit und das Sicherheitsniveau von Mobilfunknetzen sind letzten Endes abhängig von den kommerziell agierenden Mobilfunkanbietern, respektive der dort verwendeten Technologien. Für versorgungskritische Anwendungen wird LTE450 als schwarzstartfähiges, hochsicheres Kommunikationsnetz daher definitiv eine Schlüsselrolle erhalten.

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Foto: jamesteohart / shutterstock.com

Der Nutzen und die Existenzberechtigung anderer Datentransportwege stehen dadurch nicht infrage. Speziell im Nahbereich bieten Kabel, Wireless M-Bus oder LoRaWAN erhebliche technische und wirtschaftliche Vorteile, aber auf diesem Wege lassen sich nur begrenzte Datenmengen transportieren. Diese Einschränkungen gibt es bei Ethernet- oder PLC-Lösungen sowie im Breitbandnetz nicht, die allerdings vergleichsweise hohe Eingangsinvestitionen erfordern. Wo ein ausgebautes Breitband- oder PLC-Netz vorhanden ist, macht es Sinn, geeignete Betriebsmittel anzubinden.

In der Praxis müssen Versorger und Netzbetreiber zum einen Lösungen finden, mit denen die eigenen Ziele möglichst effektiv erreicht werden. Zum anderen wird die Energiewirtschaft die Fähigkeit benötigen, die Kommunikationstechniken beim Anschlusskunden zu integrieren – beispielsweise für ein erfolgreiches Flexibilitätsmanagement. Und schließlich wird es darum gehen, vertikal und horizontal funktionsfähige „Datenautobahnen“ zu bauen.

Der Markt hat sich bereits darauf eingerichtet, dass die Versorgungswirtschaft hinsichtlich der verwendeten Kommunikationsstrecken flexibel bleiben kann und auch die Harmonisierung der Standards kommt voran.

Grafik-Kommunikation-Smart Grid Lab Hessen

Das Smart Grid Lab Hessen unterteilt die Kommunikationsinfrastruktur des Smart Grid in drei Netze: Home-Area-Network (HAN) beim Kunden, Neighborhood-Area-Network (NAN) im Bereich der Stromverteilung/Ortsnetze und Wide-Area-Network (WAN) auf der Ebene von Erzeugung und Übertragung. Grafik: Smart Grid LAB Hessen (Whitepaper Smart-Grid Komponenten: Funktionalitäten und Nutzen, 2022

Digitalisierung der Energiewirtschaft: Von der Pflicht zur Kür

Die Digitalisierung der Betriebsmittel, aber auch die Anbindung von Erzeugern und Verbrauchern in der Stromversorgung beginnt, verglichen mit anderen Branchen, sehr spät. Das ist einerseits ein Glücksfall, denn an ausgereiften Technologien zur Datenkommunikation mangelt es nicht. Im Supermarkt bezahlen wir berührungslos per NFC, handelsübliche Wireless M-Bus-Lösungen übertragen Sensor- respektive Messdaten im Sekundentakt, moderne Industrial Ethernet-Systeme wie Profinet, EtherNet/IP oder EtherCAT erreichen bereits Buszyklen von rund 100 µs. Jede neuere Waschmaschine oder Heizung lässt sich per Smartphone steuern, die Telekommunikationsbranche forscht bereits am Mobilfunkstandard 6G.

All das braucht die Versorgungsbranche aktuell noch nicht so dringend. Ihre Bedürfnisse zu erfüllen, ist für die Anbieter daher gewiss keine Raketenwissenschaft. Für die jetzt anstehenden Aufgaben steht ein breites Spektrum bewährter Fernwirk- und anderer Datenübertragungslösungen bereit, von denen wir einige auf den folgenden Seiten vorstellen. Dennoch lohnt es sich, auch Innovationen der Kommunikations- und Automatisierungstechnik genauer im Blick zu behalten.

Denn vieles von dem, was heute schon jenseits des Netzanschlusspunktes respektive des Smart Meter Gateways möglich ist, wird wohl irgendwann auch im Netzbetrieb oder der Steue­rung dezentraler Lasten und Erzeuger nötig sein. Auch neue Dienstleistungen im Messstellenbetrieb, aber auch in den Bereichen Energieeffizienz und -management können von einer schnellen, hochauflösenden Datenkommunikation erheblich profitieren. Auch dazu gibt es im Folgenden einige Anregungen.

Datenkommunikation: Doppelt sicher

Die Akteure der Stromwirtschaft – allen voran die Netzbetreiber – stehen in der besonderen Verpflichtung, eine in jeder Hinsicht sichere Versorgung zu gewährleisten. Diesen Maximen muss auch die Datenkommunikation folgen. Das bedeutet zum einen, dass alle wesentlichen Anlagen so schnell und so effektiv wie möglich vernetzt werden, damit die Energiewende gelingt. Zum anderen gilt es, das System insgesamt und jeden einzelnen Akteur zuverlässig vor Cyberangriffen oder Datenmissbrauch zu schützen. Die Entwicklungen bei 450LTE und die neuen Festlegungen zur zentralen Funktion des intelligenten Messsystems zeigen, dass Branche und Politik die Aufgaben verstanden haben. Auch bei der Umsetzung steigt das Tempo – noch etwas mehr wäre besser. (pq)