18.10.2023 – Im Zuge der Verteilnetzdigitalisierung gewinnen Fragen nach der Datenhoheit und -sparsamkeit zunehmend an Relevanz. Eine Antwort darauf stellt die Lösung GridCal dar, indem sie bewusst ohne externe Cloud auskommt.
Damit die Energiewende zum Erfolg wird, müssen unsere Stromnetze intelligent werden. Den Verantwortlichen zur Netzinfrastruktur ist das bewusst. Sie erarbeiten aktuell Pläne zur Digitalisierung oder haben bereits mit der praktischen Umsetzung angefangen. Wo und wie die Netzdaten gespeichert und verarbeitet werden, ist dabei eine kontrovers diskutierte Frage.
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„Die vermeintlich einfachste Lösung ist es, die Daten und Prozesse in eine Cloud auszulagern“, sagt Dr. Phillipp Huppertz. Er ist Geschäftsführer des Krefelder Technologieanbieters PSInsight und mit seiner Systemlösung GridCal bei Netzbetreibern bundesweit unterwegs. Viele Netzbetreiber seien allerdings nicht glücklich mit dieser Option. Huppertz, selbst studierter Elektroingenieur und ausgebildeter Systeminformatiker, teilt diese Bedenken.
„Bei den Daten aus den Verteilnetzen handelt es sich um besonders schützenswerte Assets wie Verbrauchs- oder Netzstrukturdaten, die streng gesichert und zuverlässig verfügbar sein müssen. Das ist in der Cloud nur unzureichend gewährleistet“, führt er aus und verweist auf die internationale Rechtslage, die technischen Grundlagen und die energie- und umweltbedingten Kosten.
Rechtslage der Datensicherheit
Beispiel einer in einer Ortsnetzstation installierten GridCal-Leiste. (Foto: PSInsight GmbH)
Derzeit wird der internationale Cloud-Markt von US-amerikanischen Anbietern dominiert, die weltweit Rechenzentren betreiben. Die US-Provider unterliegen Gesetzen wie dem USA PATRIOT Act sowie dem CLOUD Act. Auf dieser Rechtsgrundlage dürfen US- Sicherheitsbehörden nach einem richterlichen Beschluss die Herausgabe von Daten verlangen – auch, wenn der fragliche Server in der EU liegt. „Zugleich kommt auch die Frage nach Industriespionage auf, etwa durch eingerichtete Backdoors“, ergänzt Phillipp Huppertz. Auch hinsichtlich des Schutzes persönlicher Daten warnt er vor Nachlässigkeit: „Das Data Privacy Framework zwischen der EU und den USA wird von Expert:innen erheblich kritisiert und könnte vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) gekippt werden.“ Auch zeige der jüngste Fall von widerrechtlich versendeten Nutzerdaten durch Meta (vormals Facebook), dass die EU DSGVO zwar Bußgelder ermöglicht, den Schaden jedoch nicht verhindern konnte.
„Rein europäische Cloud-Anbieter mit Rechenzentren im Hoheitsgebiet der EU sind bezüglich der Datensicherheit etwas weniger kritisch zu bewerten“, räumt Phillipp Huppertz ein, das Risiko von Ausfällen und Abhängigkeiten bestünde jedoch auch hier.
Ausfälle und Abhängigkeit
So treten Ausfälle (Outages) von Internet-Services nach der vom Uptime Institute erhobenen Studie „Annual Outages Analysis“ zu 66 Prozent bei Drittanbietern wie Cloud- und Service-Providern auf. Daneben bemängeln die Verfasser der Studie auch mangelnde Transparenz und fehlende Meldemechanismen. Die tatsächliche Zahl der Ausfälle könnte daher wesentlich höher sein und die Nutzer der Cloud erfahren unter Umständen erst von Vorfällen, wenn es bereits zu spät ist. Verursacht werden die Ausfälle sowohl durch technische Probleme als auch zunehmend durch Cyberangriffe.
Verteilnetzbetreiber, deren Daten und kritische Prozesse in einer externen Cloud-Infrastruktur liegen, sitzen in jedem Fall zwangsläufig mit im Boot. In kritischen Infrastrukturen mit fluktuierenden Einspeisungen und steigenden elektrischen Verbräuchen kann ein solcher Ausfall fatale Folgen haben, denn ein sicherer Netzbetrieb hängt zunehmend von zuverlässigen Datenflüssen in Echtzeit ab. Sind diese nicht verfügbar, agiert der Netzbetreiber buchstäblich im Blindflug. „Lizenzserver sind noch deutlich schneller deaktiviert als Gaspipelines“, warnt Phillipp Huppertz mit Blick auf die aktuellen geopolitischen Spannungen. „IT-Abhängigkeit wird damit zum unkalkulierbaren Risiko.“
Bei Cloud-Providern bestehe zudem eine erhöhte Gefahr eines sogenannten Vendor Lock-ins: Durch wirtschaftliche oder technische Hürden werde ein Wechsel des Anbieters erschwert, so dass die Kund:innen sehr langfristig an einen Provider gebunden sind. Diese Abhängigkeit – verbunden mit dem aktuellen Fachkräftemangel – könne dazu führen, dass Netzbetreiber mittelfristig auch das Kompetenzfeld des eigenständigen IT-Managements aufgeben. In den intelligenten Netzen der Zukunft berge auch dies weitreichende Gefahren für die Netz- und Versorgungssicherheit.
Nachhaltigkeit und Datensparsamkeit
Auch hinsichtlich der Auswirkungen auf das Klima sind die großen Rechenzentren der Cloud-Anbieter zunehmend Gegenstand kritischer Berichterstattung. Jedes gespeicherte und übertragene Byte benötigt Energie – und das verursacht sowohl monetäre als auch Umweltkosten. Die Energie- und CO2-Bilanz ist daher bei großen Cloud-Rechenzentren kein Ruhmesblatt: Zwischen 105 bis 153 kg CO2-Äquivalenten werden pro Terabyte Speicherkapazität erzeugt, so das Forschungsprojekt Green Cloud Computing. „Ich weiß, dass viele EVU sich damit – auch mit Blick auf die eigenen Nachhaltigkeitsziele – nicht wohl fühlen“, berichtet Phillipp Huppertz.
GridCal
Die Netzdaten aus den GridCal Nodes und die Gesamtübersicht über den GridCal Operator bringt volle Transparenz ins Verteilnetz – bei lückenloser Datenhoheit. (Foto: PSInsight GmbH)
Vor diesem Hintergrund hat er mit seinem Team die Netzautomatisierungslösung GridCal entwickelt, bei der Daten ganz bewusst sparsam genutzt werden und gleichzeitig in der Hoheit des Netzbetreibers verbleiben. GridCal ist vollumfänglich umsetzbar und bereits bei zahlreichen Netzbetreibern im operativen Betrieb.
Die Systemlösung verbindet dezentrale Komponenten – die GridCal Nodes (GCN) – mit dem zentralen GridCal Operator (GCO). Die selbstständig agierenden Nodes lassen sich im Handumdrehen auch in bestehenden Ortsnetzstationen montieren. Dort erheben und analysieren sie mittels Edge Computing direkt vor Ort die Netzdaten. Der Operator ermöglicht über eine abgesicherte Verbindung das Abrufen der Daten und die Steuerung der Stationen aus der Ferne – und nur dann, wenn überhaupt die Notwendigkeit einer Datenabfrage besteht. Zudem orchestriert der Operator die Nodes, bündelt die gesammelten Netzinformationen und führt eine zentrale räumliche und zeitliche Analyse der Netzzustände durch. „Da bei GridCal nur die wichtigsten Daten gesammelt werden, erreichen wir zum einen eine hohe Datensparsamkeit“, erläutert PSInsight-Geschäftsführer Huppertz.
Zum anderen ist die Lösung so ausgelegt, dass die Datenhaltung und Verarbeitung vollständig in der IT-Infrastruktur des Netzbetreibers erfolgen kann. Dieser spart so erhebliche Kosten, vermeidet Abhängigkeiten von der IT-Infrastruktur Dritter und behält den Schutz der eigenen Netzdaten in der Hand.
Effizient statt pauschal
Was die Kombination aus dezentralen und zentralen Komponenten ausmacht, zeigt Phillipp Huppertz am Beispiel der maximalen Auslastung eines Transformators über zwei Jahre: „IoT-Ansätze müssten hierfür kontinuierlich Daten sammeln, die über den genannten Zeitraum Kosten für Übertragung und Speicherung verursachen. Dagegen speichert der Edge-Ansatz wie bei GridCal die Betriebsmessungen hocheffizient noch vor Ort prozessnah ab. Anschließend lässt sich der Maximalwert der Trafoauslastung jederzeit nach Bedarf in Form eines einzigen Datenpunktes darstellen.“ Daher stelle unter der neuen Realität einer zunehmend dezentralen Energieversorgung eine feld- und prozessnahe Intelligenz wie GridCal einen deutlich sinnvolleren Ansatz dar als die immer stärker zentralisierte Informations- und Kommunikationstechnik von Cloud-Lösungen.