10.10.2023 – Transparenz in der Mittel- und Niederspannung zu schaffen, ist unverzichtbar für die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende. Die Netzbetreiber haben sich auf den Weg gemacht, doch nicht auf alle Fragen gibt es schon Antworten.
Es ist noch gar nicht so lange her, da war unsere Stromversorgung ein perfekt austariertes System: Strom wurde in gut überschaubaren Mengen verbraucht, abgestimmt auf diesen Bedarf in planbaren Kraftwerken erzeugt und über eine eher großzügig ausgelegte Netzinfrastruktur zu den Verbraucher:innen transportiert. In Verteilnetzen lief alles rund, d ran änderte auch die eine oder andere Ladesäule oder PV-Anlage nichts. Eine weitgehend regenerative Stromerzeugung, die großflächige Elektrifizierung von Verkehr und Wärmeerzeugung sowie die damit verbundenen Probleme schienen noch vor zwei Jahren weit entfernt. Nur sieben von 58 der Verteilnetzbetreiber, die die Bundesnetzagentur 2021 im Rahmen ihres Monitoringberichts befragte, speicherten damals Netzzustandsdaten aus der Niederspannung.
Inzwischen haben sich die Rahmenbedingungen auch aufgrund neuer gesetzlicher Regelungen geändert: Speziell der Ausbau der PV-Kapazitäten hat enorm an Tempo zugelegt und neue elektrische Verbraucher wie Ladestationen für E-Fahrzeuge oder Wärmepumpen kommen so schnell in die Fläche, dass selbst das politisch schwierige Thema der Steuerung nach § 14a EnWG plötzlich ganz zügig geregelt werden konnte – mit der Konsequenz, dass Verteilnetzbetreiber in sehr absehbarer Zeit zunächst ein statisches und dann ein dynamisches Lastmanagement aufbauen müssen. Gleichzeitig wartet eine steigende Zahl von Anschlussgenehmigungen sowohl für Einspeiser als auch steuerbare Verbraucher auf zügige Bearbeitung, was mancherorts schon einen sehr genauen Blick auf den Zustand der Netze erfordert. Und nicht zuletzt treffen steigende Risiken für Störungen oder Qualitätsprobleme der Stromversorgung auf eine zunehmend angespannte Personalsituation.
Die Antwort auf diese Herausforderungen heißt Digitalisierung: Nur anhand von Live-Daten aus Ortsnetzstationen und Kabelverteilern ist eine zuverlässige Beurteilung des Netzzustands in den unteren Spannungsebenen möglich – als Grundlage für effektive Wartungs- und Entstörprozesse, für eine tragfähige Netzplanung und eben für steuernde Eingriffe in den Verbrauch, die spätestens ab 2029 im Einzelfall begründet werden müssen.
Hohe Dynamik, differenzierte Konzepte
Der Markt hält schon seit einiger Zeit wirksame Lösungen für diese Anforderungen bereit und Anbieter berichten aktuell von einer steigenden Nachfrage, auch seitens kleiner und mittlerer Netzbetreiber. Die Vielfalt der Angebote zeigt, dass die Netzbetreiber durchaus unterschiedliche Ansätze fahren: Während die einen sukzessive sämtliche Ortsnetzstationen ausstatten, starten andere mit Stationen an (erwarteten) Last- oder Einspeiseschwerpunkten. Manche Netzbetreiber setzen – teilweise auch durchgängig – auf sehr umfassende Erfassungslösungen, andere differenzieren nach Art oder Beanspruchung der Betriebsmittel.
Sichere Kommunikation und Datenhaltung
Unterschiedliche Sichtweisen gibt es auch bezüglich der Datenkommunikation: Von LoRaWAN über Powerline oder Mobilfunk bis hin zu LTE450 unterstützen die am Markt befindlichen Geräte in der Regel alle Optionen. Für die Visualisierung und Analyse der erfassten Daten haben die meisten Anbieter eigene Lösungen im Portfolio, ermöglichen aber oft auch die Anbindung eigener Systeme. Interessant – und heftig diskutiert – wird dabei die Frage, ob Daten und Prozesse der kritischen Infrastrukturen vor Ort beim Netzbetreiber oder in einer Cloud vorgehalten werden sollten. Für beide Positionen gibt es Argumente und Lösungen, sicher ist aber auch: mit zunehmender Digitalisierung der Betriebsmittel steigt die Anfälligkeit der Versorgungsinfrastruktur für technische Ausfälle oder Sicherheitslücken. Hier gilt es, das Bewusstsein und bisweilen auch die Abwehrmechanismen zu schärfen.
Und das intelligente Messsystem?
Ein weiteres spannendes Thema ist das intelligente Messsystem, aus dem die Netzbetreiber gegen eine recht großzügige Kostenbeteiligung ebenfalls über den TAF 10 Netzzustandsdaten abrufen dürfen, um daraus Rückschlüsse auf den Netzzustand abzuleiten. Nicht alle halten das Kosten-Nutzen-Verhältnis dieses Ansatzes für überzeugend – sowohl im Hinblick auf die Qualität als auch auf die Menge der potenziell verfügbaren Daten. Ein Ersatz für Daten aus den Abgängen sind die Smart Meter-Daten sicher nicht und es wird zu diskutieren sein, wie sie effizient genutzt werden können. Womit wir zu den Kosten kommen.
Der Preis für die Wende
Es hat sich inzwischen herumgesprochen, dass die Energiewende und die Dekarbonisierung von Mobilität und Wärme ohne eine dafür ausgelegte Netzinfrastruktur, begleitet durch funktionierende Marktmechanismen, nicht zu haben ist. Eine intelligente Digitalisierung der Verteilnetze ist dafür unverzichtbar. Sie kostet Geld, kann jedoch andere Kosten abfedern. Großflächiger Netzausbau, Einspeisemanagement oder Redispatch 2.0 – aktuell noch nicht umsetzbar – sind bekanntermaßen ebenfalls nicht ganz billig. Die Netzbetreiber investieren hier erheblich und sie sollten dabei angemessene Unterstützung erfahren. Von einer in jeder Hinsicht zukunftsfähigen Versorgungsinfrastruktur profitieren letztlich alle – auch diejenigen, die sich über steigende Netzentgelte beklagen. (pq)