08.10.2024 – Die Regelungen zu §14a EnWG haben den letzten Anstoß gegeben, die Situation in den Niederspannungsnetzen in den Blick zu nehmen. Vieles ist in Bewegung gekommen, doch wichtige Fragen sind noch zu klären.
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Bislang passierte in der Niederspannung nichts, was sich nicht mit ausreichender Genauigkeit berechnen und nötigenfalls nach einer Störungsmeldung ad hoc beheben ließ. Doch nun, da die Energie-, Mobilitäts- und Wärmewende in den deutschen Haushalten ankommt, könnten erhebliche Risiken für die Netzstabilität und die Betriebsmittel drohen. Die Niederspannung muss also künftig ebenso detailliert überwacht werden wie die höheren Spannungsebenen. Exakt dies schreibt die Bundesnetzagentur zumindest für den Fall vor, dass steuerbare Verbraucher kurzfristig nur reduzierte Leistung beziehen können. Mit kleineren Einspeiseanlagen verhält es sich dem Grunde nach ähnlich.
Wie geht Transparenz?
Doch wie öffnet man die bisherige Black Box Niederspannung – ohne die eigenen Ressourcen und den Netzkunden, der all das bezahlt, zu überfordern? Auf diese Frage gibt es zunächst eine regulatorische Antwort: Um Netzzustände und gegebenenfalls Engpässe für eine netzorientierte Steuerung zu ermitteln, können Netzbetreiber ausschließlich minutenscharfe Daten aus den Hausanschlüssen nutzen. In diesem Fall sind Netzzustandsdaten über den TAF 10 aus 15 Prozent der im Netzgebiet installierten intelligenten Messsysteme abzurufen und auszuwerten. Die regulatorischen Prozesse für die Datenkommunikation sind komplex und müssen vom Messstellenbetreiber umgesetzt werden. Die gute Nachricht: Nicht nur die notwendige BSI-zertifizierte Hardware ist vorhanden, sondern auch Dienstleister, die diese Aufgabe übernehmen. Die Integration in vorhandene Systemlandschaften wird gerade durchaus erfolgreich erprobt. Der Vorteil: Hier wird eine vorhandene hochsichere Infrastruktur genutzt, deren Kosten teilweise auf den Kunden umgelegt werden können und die viele andere Möglichkeiten der Wertschöpfung bietet.
Das einzige Problem: Intelligente Messsysteme gibt es allerdings noch nicht so viele. Sollte sich das irgendwann ändern, wird die Frage nach dem notwendigen Anteil und der Auswahl wohl neu zu diskutieren sein. Rein technisch ist auf diesem Wege in den nächsten Jahren jedoch keine wirkliche Transparenz in der Niederspannung herzustellen. Auch die Situation in den Betriebsmitteln wird durch Daten aus den Hausanschlüssen zumindest nicht unmittelbar ersichtlich.
Das scheint auch der Bundesnetzagentur bewusst zu sein, denn als Ergänzung zu den TAF 10-Daten – dann nur aus 7 Prozent der verbauten Smart Meter – sind Messwerte von den Niederspannungsabgängen der Ortsnetzstationen für die Netzzustandsermittlung zulässig. Das kommt den Netzbetreibern entgegen, die diese Daten beispielsweise auch für Wartungs- oder Planungsaufgaben nutzen können. Daher – und weil die Netzbetreiber hier völlig eigenständig arbeiten können – ist die Branche bei diesem Thema schon deutlich weiter.
Technologien für die Digitalisierung der Verteilnetze – vom leistungsfähigen Spezialmessgerät bis hin zum kompletten Hardware- und Kommunikations-Kit – sind zwischenzeitlich in großer Auswahl und Qualität vorhanden. Alle am Markt verfügbaren Lösungen sind schnell zu installieren oder bereits in der neuen Station verbaut und liefern in der Regel sofort Daten. Wo und wie diese Informationen verarbeitet werden, kann jeder Netzbetreiber nach seinen Bedürf- nissen entscheiden. Allen Systemen gemeinsam ist, dass die Digitalisierung bereits mit einigen wenigen Stationen – oder sogar einer einzigen – starten kann.
So arbeiten viele Netzbetreiber heute, gleichzeitig ist klar, dass das Monitoring der Niederspannung auf lange Sicht vollautomatisiert und im Gleichschritt mit der Netzplanung erfolgen muss. Gleiches gilt für die Durchführung von Steuermaßnahmen über das intelligente Messsystem. Auch dazu haben die Marktpartner Einiges zu bieten.
Ausbauen oder digitalisieren
Aber wie viel Digitalisierung braucht man, um das Niederspannungsnetz zuverlässig im Blick zu haben? Wie viele digitalisierte ONS an welchen Punkten des Netzes reichen aus, um eine verlässliche Netzzustandsschätzung im Sinne von §14a zu ermöglichen. Hierzu wird aktuell intensiv geforscht. Sicher ist aber: Allein durch den – wichtigen und notwendigen – Ausbau der Netze wird die digitale Transformation unserer Strominfrastruktur nicht verzichtbar. Die Dynamik steigt. Ohne Transparenz und automatisierte Prozesse ist sie in Zukunft nicht mehr beherrschbar. (pq)